Rechte fälschen BR24-Artikel Lügenpresse selbstgemacht

Sie schreien Lügenpresse - und zündeln mit manipulierten "Wahrheiten": Immer öfter fälschen Rechte Medienberichte, um gegen Flüchtlinge und Migranten zu hetzen und sie als Kriminelle hinzustellen. Dubiose Facebookseiten machen das offenbar systematisch. Auch BR24 ist betroffen.

Von: Roland Hindl und Jürgen P. Lang

Stand: 08.10.2016 | Archiv

Bild: BR

"Wir brauchen keine Flutschis - Wir haben Gleitcreme": geschmacklos-schlüpfrig der Name des Internet-Auftritts. Spezialgebiet: Fälle sexueller Belästigung und Vergewaltigung. Der unbekannte Betreiber veröffentlicht dort Berichte seriöser Medien, hilft aber nach, wenn der geschilderte Sachverhalt nicht ins krude, rechtsextreme Weltbild passt. Mit einer Facebook-Funktion werden die Überschriften geändert. Das Ziel: "Migranten" sollen als Täter dastehen.

Erfundener Migrant

BR24 berichtete kürzlich von einem Prozess in Bayreuth. Angeklagt: Ein 27-jähriger Bauarbeiter, der einen Kollegen mit einem Spatenstiel vergewaltigt und dann zum Sterben liegen gelassen haben soll.

Bild: facebook.com/BR

BR24 verwies wie die meisten anderen Medien nicht auf die Herkunft des Angeklagten und seines Opfers. Beide waren polnische Staatsbürger, die zwar in Deutschland arbeiteten, hier aber keinen Wohnsitz hatten. Migranten waren die Männer nicht. Doch auf der Facebook-Seite lautet die manipulierte Überschrift: "Migrant vergewaltigt 'Gutmensch' mit Spatenstiel zu Tode".

"Frauen sind kein Freiwild" nennt sich ein ähnlicher Facebook-Account. Verlinkt ist dort ein Artikel des "Schwarzwälder Boten" über einen Fall sexueller Belästigung. Über Herkunft und Identität des schnell gefassten mutmaßlichen Täters gibt die Meldung keine Auskunft. Auch nicht der Pressebericht des zuständigen Polizeipräsidiums Karlsruhe. Trotzdem wird auf Facebook aus dem "Mann" ein "Dunkelhäutiger". Das gepostete Bild stammt ebenfalls nicht von dem Original und trägt den Schriftzug "Danke Frau Merkel" - eine in Kommentar-Spalten inzwischen unter Kritikern der bundesdeutschen Flüchtlingspolitik gängige Chiffre. Jeder mit xenophoben Neigungen soll sich folgenden Reim darauf machen: Es handelt sich um einen Flüchtling aus Afrika oder dem Nahen Osten.

Brandbeschleuniger

Bild: Screenshot Twitter

Die Facebookseiten sind nur zwei von vielen Brandbeschleunigern rechter Demagogie. Jürgen Elsässer, Chefredakteur des flüchtlingsfeindlichen Magazins "Compact" twittert: "Jung, männlich, aggressiv und geil: 20 Millionen Afrikaner auf dem Weg nach Europa." Die dick aufgetragene Perfidie suggeriert: Afrikanische Flüchtlinge sind potentielle Vergewaltiger. Im Oktober-Heft schreibt Elsässer: "Die Sexkrawalle in der Kölner Silvesternacht waren nur ein Vorgeschmack: Die Täter kamen zumeist aus Afrika".

Unlängst hat auch die Nürnberger AfD bewiesen, wie genau sie es mit der Wahrheit nimmt. Sie fälschte die Überschrift eines Artikels der Münchner "Abendzeitung". Darin geht es um Jugendliche, die beim Versuch erwischt wurden, eine künftige Flüchtlingsunterkunft anzuzünden. Aus den "Jugendlichen", die laut Polizei aus dem bürgerlichen Milieu stammten, wurden bei der AfD "Linksextreme". Die Abendzeitung schaltete den Anwalt ein. Die AfD unterschrieb eine Unterlassungserklärung.

Rechte Lügen

Mit dem Lügenpresse-Vorwurf sind Rechtspopulisten schnell bei der Hand. Erstaunlich für Leute, die Sachverhalte so lange zurechtklittern, bis sie mit den eigenen Vorurteilen übereinstimmen. "Den" kriminellen Ausländer gibt es ohnehin nicht, genausowenig wie "den" kriminellen Deutschen. Einer Statistik des Bundeskriminalamtes zufolge sind Flüchtlinge nicht straffälliger als Deutsche. Von Zuwanderern begangene sexuelle Übergriffe oder Mord- und Totschlagdelikte sind laut Bundesinnenministerium die krasse Ausnahme. Wäre dem anders, müssten Hetzer dann kriminelle "Dunkelhäutige" erfinden?