Verteidiger von André E. fordern Freispruch Ende des NSU-Prozesses in Sicht
Im NSU-Prozess sind die Plädoyers der Verteidigung fortgesetzt worden. Dabei forderten die Verteidiger des Angeklagten André E Freispruch für ihren Mandanten. Unterdessen zeichnet sich ab, dass das Mammutverfahren demnächst tatsächlich zu Ende gehen dürfte.
Von: Thies Marsen
Stand: 08.05.2018
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Das wohl wichtigste Ereignis dieses 423. Verhandlungstages im NSU-Prozess spielte sich außerhalb des Gerichtsaals A 101 ab: Der Karlsruher Rechtsanwalt Daniel Sprafke legte sein Mandat nieder. Sprafke war erst vor wenigen Wochen vom Angeklagten André E. neu verpflichtet worden und hatte sofort Beweis- und Befangenheitsanträge gestellt sowie weitere Anträge angekündigt.
Keine gemeinsame Linie mit André E.
Viele Prozessbeobachter und -beteiligte fürchteten schon, dass Sprafke den Prozess erneut verzögern könnte, sogar eine Abtrennung des Verfahrens gegen André E. stand im Raum. Doch wie Sprafke am Dienstag mitteilte, konnte er sich mit André E. nicht auf eine gemeinsame Verteidigungslinie einigen und legte deshalb sein Mandat nieder. Der Karlsruher Strafverteidiger war zwar am Dienstagmorgen noch nach München gereist, dann aber gar nicht mehr im Gerichtssaal erschienen. Damit scheint einem Urteil im NSU-Prozess noch vor der Sommerpause nichts mehr im Wege zu stehen.
Bekenntnis zum Nationalsozialismus
Am Dienstag plädierten wie geplant André Es. gewohnte Verteidiger Michael Kaiser und Herbert Hedrich. Sie forderten Freispruch für ihrem Mandanten, dem unter anderem Beihilfe zum versuchten Mord und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen wird. Zwar sei ihr Mandant zweifelsohne überzeugter Nationalsozialist, was man auch an seinen zahlreichen einschlägigen Tattoos sehen könne (so hat sich der heute 38-Jährige unter anderem den Schriftzug "Die Jew Die" - Stirb Jude stirb - auf den Bauch tätowieren lassen). Aus dieser Gesinnung folge aber nicht automatisch auch Schuld. Es gebe keine Beweise für die Vorwürfe der Bundesanwaltschaft. So sei nicht erwiesen, dass der Angeklagte persönlich die Wohnmobile angemietet habe, die der NSU für einen Bombenanschlag im Dezember 2000 in Köln sowie für zwei Banküberfälle in Chemnitz verwendet haben soll. Theoretisch hätte das auch sein Zwillingsbruder Maik - auch er ein bekanntes Mitglied der sächsischen Neonaziszene - gewesen sein können.
"Den NSU gab es bloß bis 2007"
Außerdem stellten Hedrich und Kaiser die These auf, dass der NSU tatsächlich nur bis zum Jahr 2007 existiert habe, also bis zum letzten bekannten Mordanschlag auf die Polizistin Michèle Kiesewetter in Heilbronn. Danach seien keine Terrorakte mehr begangen worden, der NSU habe sich also vermutlich aufgelöst. Deshalb könne die Tatsache, dass André E. den Untergetauchten ab dem Jahr 2009 Bahncards unter seinem Namen und dem seiner Ehefrau zur Verfügung gestellt und bezahlt hat, auch nicht mehr als Unterstützung einer terroristischen Vereinigung gewertet werden.
Händchenhaltend mit der Ehefrau
André E. verfolgte die Ausführungen seiner Anwälte händchenhaltend mit seiner Ehefrau Susann E., die als Laienverteidigerin zugelassen ist und deshalb neben ihm auf der Anklagebank sitzen darf - obwohl gegen sie noch ein Ermittlungsverfahren der Bundesanwaltschaft in Sachen NSU läuft. Nach München begleitet wurde Susann E. von der Ehefrau des mutmaßlichen NSU-Waffenlieferanten Ralf Wohlleben und vier Neonazis, die auf der Zuschauertribüne Platz nahmen. Unter ihnen war auch ein früherer Aktivist der inzwischen verbotenen rechtsextremen Heimattreuen deutschen Jugend (HdJ).
Urteil noch im Juni?
Am Mittwoch sollen im NSU-Prozess die Anwälte des Angeklagten Holger G. plädieren, nächste Woche werden dann voraussichtlich die Verteidiger von Ralf Wohlleben ihre Schlussvorträge halten, bevor abschließend die Altverteidiger von Beate Zschäpe an der Reihe sind. Das Urteil im NSU-Prozess könnte dann noch im Juni fallen.