Politik und Religion Mit Gott auf Stimmenfang?

Vor den Landtagswahlen gehen die Parteien auf Stimmenfang - Randparteien wie die Linke oder die AfD versuchen sich jetzt auch unter Christen neue Wählerkreise zu erschließen. Ein Überblick von Veronika Wawatschek

Von: Veronika Wawatschek

Stand: 27.08.2016

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Schon Mitte September könnte die Linke die Weichen für eine eigene Bundesarbeitsgemeinschaft "Christinnen und Christen" stellen. Das deklarierte Ziel der bundesweiten Plattform ist es, die Interessen von Christen innerhalb und außerhalb der Partei zu vertreten. Denn einig über den Umgang mit der Religion ist man sich in der Partei bei Weitem nicht. Nach der Beobachtung von Erich Utz sehen viele Genossen Glaube und Sozialismus als Gegensatz. Sie würden Karl Marx zitieren, wonach Religion Opium fürs Volk sei, so der Katholik und Sprecher der bayerischen "Landesarbeitsgemeinschaft Christininnen und Christen" bei der Linken.

"Ich habe Karl Marx gelesen. Viele glauben immer das wäre ein Gegensatz, aber das ist kein Gegensatz. Die einen nennen's Nächstenliebe, die anderen Solidarität und dahinter können sich ganz viele Dinge verbergen, die gleich sind."

Erich Utz, Katholik und bayerisches Linken-Mitglied

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Bereits im Februar hatte ein Wahlplakat in Rheinland-Pfalz für Aufregung gesorgt. Darauf zu sehen: Papst Franziskus inklusive Kapitalismuskritik. "Wenn die Politik wirklich den Menschen dienen soll, darf sie nicht Sklave der Wirtschaft und Finanzwelt sein." Das Bistum Speyer sah darin eine "unzulässige Vereinnahmung des Papstes für den Wahlkampf". Die Linken begründeten auf ihrer Webseite die Kampagne damit, dass sie "aufrütteln" wollten. "Und wir hoffen, dass das Franziskus-Wort uns dabei hilft."

Perestroika in Kirchenfragen

Lange Zeit war das Verhältnis zu den Kirchen so gut wie kein Thema bei der Linken, sagt der Politikwissenschaftler Matthias Kortmann von der Ludwig-Maximilian-Universität in München. Inzwischen werde aber gerade im linken politischen Spektrum erkannt, dass es Schnittmengen gebe mit den Positionen der Kirchen - etwa in der Sozial- oder Zuwanderungspolitik. Eine ähnliche Annäherung gab es in den 90er Jahren auch bei den Grünen im bayerischen Landtag, wie sich deren erste kirchenpolitische Sprecherin Ulrike Gote erinnert. "Die Kolleginnen und Kollegen in der Fraktion waren sehr offen, haben das stark begrüßt, weil wir in dieser Zeit auch oft noch im Konflikt standen mit der Amtskirche, besonders in Bayern."

Zur Rechten Gottes?

Annäherung an christliche Themen gibt es auch vom anderen Ende des politischen Spektrums: Gerade bei evangelikalen Christen gebe es die Tendenz, die AfD als Verbündete in der Religions- und Familienpolitik zu sehen, stellt der Bonner Politologe Andreas Püttmann fest. Ähnliches bestätigte auch eine Allensbacher Auszählung der "Sonntagsfrage" im Juni 2016. Demnach sehen sechs Prozent der Protestanten und zehn Prozent der Katholiken die AfD als bevorzugte Partei.

"Man ist ja der Meinung, dass eine Zerstörung der Familie stattfinde, insbesondere durch eine internationale Verschwörung der Homolobby, das ist also etwas verschwörungstheoretisch und dann ist man der Meinung in der Religionspolitik, dass das Christentum bevorzugt werden müsse."

Andreas Püttmann, Politikwissenschaftler

Christliche Arbeitskreise bei der Linken und der AfD

Die Linke hat derzeit in Hessen, Bayern und dem Saarland "Landesarbeitsgemeinschaften Christen und Christinnen", einen weiteren losen Zusammenschluss gibt es auch in Berlin. Um parteiintern als Bundesarbeitsgemeinschaft anerkannt zu werden, braucht es laut Satzung der Bundespartei mindestens acht Landesverbände, die ein Zweihundertstel der Mitglieder repräsentieren oder als landesweiter Zusammenschluss anerkannt sind. In der AfD gibt es eine "Bundesvereinigung Christen in der AfD", die für den Schutz von Ehe und Familie eintritt und statt des Fachs Ethik das Fach "Religionsgeschichte" vorschlägt. Sie ist außerdem gegen Abtreibung und sieht in der außerfamiliären Betreuung von Kleinkindern "nur eine Ersatzlösung".