Christen rechtsaußen Gottes Rechte

Mit der Pegida-Bewegung sind sie ins Visier der Öffentlichkeit geraten: Christen am rechten Rand, das schwarz-rot-goldene Kreuz vor sich hertragend. Und doch agieren ultrakonservative Katholiken wie Protestanten schon viel länger – im Internet und auf den Straßen.

Von: Veronika Wawatschek

Stand: 07.10.2016 | Archiv

Bild: picture-alliance/dpa

So viel vorweg: Hier geht es nicht vorrangig um Glatzen und Springerstiefel in Kirchenbänken, sondern vielmehr um den ultrakonservativen bis rechten Rand, der biblische Werte schützen will. Von "Katholiban", von denen der Publizist David Berger einmal sprach, kann nicht die Rede sein. Bislang rüsten die Rechtsaußen-Christen nur verbal zum Kampf. Und doch wird bei genauerem Hinsehen deutlich: Es braut sich etwas zusammen am christlich-rechten Rand – auch weil sie mit der AfD einen politischen Arm für ihre Themen bekommen haben, wie in der Grundsatzvereinbarung der "Christen in der AfD" nachzulesen ist.

Der Themendreiklang

Die Publizistin Liane Bednarz kennt diesen Rand von innen. Sie bezeichnet sich als konservativ und gläubig, stieg aber aus der Szene aus, als ihr die Parolen zu ausgrenzend wurden. Ihren Worten zufolge widmen sich rechte Christen vor allem dem "Schutz des Lebens", dem "Schutz von Ehe und Familie" und dem "Schutz des christlich-geprägten Abendlandes". Nicht selten verberge sich dahinter allerdings radikale Abtreibungsgegnerschaft, von der sich selbst die Kirchen distanzierten, sowie Homophobie und ausgewiesene Islamfeindschaft.

Antisemitismus bei Christen

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Judenfeindlichkeit, den sogenannten Antijudaismus, gab es im Christentum fast von Anbeginn an. Christen warfen Juden Gotteslästerung vor, weil sie nicht an Jesus Christus als Messias glauben. Im Mittelalter denunzierte man sie als Mörder Christi, bezichtigte sie des Ritualmordes an Kindern und warf ihnen Hostienfrevel und Brunnenvergiftung vor. Martin Luther hielt sie zumindest zeitweise für unbekehrbar.

Erst deutlich nach dem Holocaust kam es offiziell zur Revision antijudaistischer Thesen, in der Evangelischen Kirche 1980 im "Synodalbeschluss zur Erneuerung des Verhältnisses von Christen und Juden" der Evangelischen Kirche im Rheinland, dem auch andere Landeskirchen folgten, und in der katholischen Kirche mit dem vatikanischen Papier "Nostra Aetate" von 1965. Auch heute noch gibt es Antisemitismus bei Christen – die Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung von 2010 und das Survey zur gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit belegen das. Die Publizistin Liane Bednarz sieht Fälle wie den Traditionalistenbischof und Holocaustleugner Richard Williamson aber eher als Minderheit. Das Hauptfeindbild sei heute eher der Islam.

Fakten zur Einordnung

Der Bielefelder Sozialpsychologe und Vorurteilsforscher Andreas Zick kommt zu dem Schluss: Je gläubiger sich jemand einschätzt, desto mehr Vorurteile hat er tendenziell. So sind etwa sehr religiöse Christen negativer eingestellt gegen Homosexuelle oder Juden.

"Was wir feststellen konnten, ist, dass tatsächlich christlich gebundene Menschen, die der Meinung sind, dass die christliche Religion die einzig wahre ist und die dominante Religion sein muss, in allen Facetten der Menschenfeindlichkeit höhere Zustimmungen haben im Vergleich zu denen, die sich keiner Konfession zugehörig fühlen."

Andreas Zick

Wie verbreitet solche Vorbehalte sind, ist schwer zu beziffern. Die beiden fundamentalchristlichen Parteien Christliche Mitte und Partei Bibeltreuer Christen fungieren als Kleinparteien und haben bei vergangenen Bundestagswahlen lediglich bis zu 0,2 Prozent erzielt.

Die „Christen in der AfD“ haben auf Facebook rund 3.300 Likes. Wie sich solche Einstellungen auf das konkrete Verhalten auswirken, lässt sich daraus nicht ablesen.

Fakt ist: Es gibt ihn, den rechten Rand - und zwar nicht nur unter Menschen, die sich als Christen bezeichnen, im Netz aber Hass verbreiten, meint die katholische Theologin Sonja Angelika Strube, die seit einigen Jahren Feldforschung zu dem Thema betreibt.

"Es gibt Seiten, die sich dezidiert christlich nennen, überwiegend auch zu religiösen Themen veröffentlichen und gleichzeitig ein Scharnier in die politisch rechte Ecke bilden, auch auf politisch rechte Internetmedien verlinken."

Sonja Angelika Strube

Andererseits versuchen rechte Medien und rechte Gruppen Strube zufolge, Brücken ins christliche Lager zu schlagen. Der Austausch funktioniert also in beide Richtungen.

Traditionalistenbischof und Holocaustleugner Richard Williamson. Bild: picture-alliance/dpa

Zwar ist das Portal kreuz.net seit 2012 vom Netz, sein Erbe aber haben andere sich christlich bezeichnende Blogs und Foren übernommen, wo schon vor Pegida und der Gründung der AfD im entsprechenden Duktus der „Untergang des christlichen Abendlandes“ beschworen und Abtreibung mit dem Holocaust gleichgesetzt wurde.

Auch bewarb beispielsweise das rechte Internetportal politically incorrect in der Vergangenheit immer wieder Demonstrationen christlicher Lebensschützer, umgekehrt werden dezidiert christlich auftretende Publizisten in der neurechten Zeitung "Junge Freiheit" als Autoren geführt. Doch Auswüchse wie eben Holocaustleugner Williamson oder der Pfarrer Paul Spätling, der 2015 bei Pegida in Duisburg zum Kampf gegen den Islam aufrief und dafür ein Predigtverbot kassierte, sind eher Einzelfälle.