Verbraucherärger Plastikwahn bei Bio-Lebensmitteln
220 Kilo Verpackungsmüll - so viel produziert jeder Deutsche jährlich - so viel wie kein anderer EU-Bürger. Obwohl man für Plastiktüten in Supermärkten heute zahlen muss, wächst und wächst der Müllberg, weil im Laden selbst die Bio-Gurke in Kunststoff eingeschweißt ist. mehr/wert hat hinterfragt, warum das so ist und was jeder von uns gegen die Plastikschwemme tun kann.
Von: Reinhard Weber
Stand: 12.04.2018
Plastik ist verpönt. 75 Prozent der Supermarktkunden achten beim Einkauf darauf, Produkte mit so wenig Kunststoff wie möglich zu kaufen. Fast jeder Dritte würde sogar auf ein Produkt verzichten, weil es zu dick oder nicht nachhaltig verpackt ist. Wer aber in Discountern oder Supermärkten nach Biogemüse sucht, findet es eingeschweißt in Plastik.
Die Ursache für die Verpackungsflut steckt in der europäischen Öko-Basisverordnung und ihren Durchführungsbestimmungen. Dort ist die Kennzeichnung der Bioware genau geregelt, und eine Trennung zu herkömmlicher Ware vorgeschrieben. Der Handel setzt das dann in der Regel mit Kunststoff um - zum Schutz der Ware, lautet die vorrangige Begründung der Anbieter auf eine schriftliche BR-Anfrage. Die Läden beteuern aber, Verpackung reduzieren zu wollen.
Noch fehlt es an optimaler Technik ohne Plastik
Magdalena von Gosen arbeitet für eine Münchner Agentur, die auf Nachhaltigkeit spezialisiert ist. Sie erstellt Trendstudien, berät Biobetriebe und Händler in Sachen Verpackungsdesign. Von Gosen sieht praktische Gründe hinter der Plastikverpackung, "das Gemüse bleibt auch länger frisch, es ist von den Abläufen her einfacher." In Sachen Nachhaltigkeit sehe man aber jede Verpackung kritisch.
Ein Verfahren zur Plastikvermeidung, das gerade erst von der EU zugelassen worden ist, nennt sich "Natural Branding". Hier wird das Produkt per Laser direkt mit dem Bioemblem versehen. Grundsätzlich empfehlenswert, aber auch mit Nachteilen verbunden, stellt von Gosen fest.
"Wir würden es erst einmal empfehlen, es ist super, wir brauchen keine Verpackung und das Produkt kann einfach so für sich stehen. Problem ist natürlich auch, bei zum Beispiel Zitrusfrüchten muss ein Kontrastmittel dazugefügt werden, damit es überhaupt sichtbar ist. Bei Gurke, wo man die Schale zum Beispiel gerne essen möchte, ist es auch wieder so ein Problem, da kennt man sich einfach noch nicht so aus, es gibt keine Studien dazu."
Magdalena von Gosen, Agentur mërz punkt, München
Wo und wie sich Kunden zu helfen wissen
Wer als Verbraucher Plastikmüll vermeiden will, kann Biogemüse in Naturkostläden, in Hofläden oder eben dort kaufen, wo nur Bioware verkauft wird. Da muss sie auch nicht von herkömmlicher getrennt und speziell gekennzeichnet werden. Im Münchner Ohne Laden werden auch Waren wie Nudeln, Reis oder Tee ohne Verpackung angeboten, lose zum Abfüllen, allerdings sind sie etwas teurer.
"In der Regel bringen die Kunden ihre Behältnisse von zuhause mit, könnte zum Beispiel so ein Bügelglas sein, dann wird dieses einmal leer abgewogen, das Gewicht wird notiert und anschließend in Selbstbedienung das Produkt seiner Wahl abgefüllt und an der Kasse ziehen wir das Behältergewicht wieder ab."
Hannah Sartin, Ohne Laden, München
Der Einkauf erfordert ein wenig Vorplanung, Kunden können dann aber aktiv die Umwelt entlasten.
"Weil uns das wichtig ist, dass wir möglichst wenig Plastik verbrauchen, wir versuchen auch, möglichst biologisch erzeugte Lebensmittel zu kaufen, und weil es ein so netter Laden ist."
Kundin, Ohne Laden München
Wenn die Kunden eingeschweißte Bioware ablehnen, dann wird der Handel andere Wege finden müssen, um die EU-Öko-Basisverordnung umzusetzen.