Von Claire bis Dicht & Ergreifend Die 40 besten bayerischen Alben der 2010er Jahre
Leute, wie die Zeit vergeht. Einmal kurz geblinzelt und schon sind sie rum, die 10er Jahre. Zeit für uns einmal zu schauen, was sich in der bayerischen Musiklandschaft zwischen 2010 und 2019 so getan hat. Spoiler-Alert: Einiges.
40. Cat Stash – Cat Stash (2015)
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Cat Stash "Confidence" - aus dem Soundtrack zum Film ABOUT A GIRL
Melanie und Andi bezeichnen sich selbst als eher schüchterne Zeitgenossen, ihrem Album mangelt es aber definitiv nicht an Selbstbewusstsein. Ein Paradebeispiel hierfür ist der Track "Confidence" (no pun intended). Der hat sich nämlich beim PULS-Bandwettbewerb gegen 300 Konkurrenten durchgesetzt und es auf den Soundtrack der Komödie "About A Girl" geschafft. Mit ihren Songs schaffen es Cat Stash aber nicht nur in unter vier Minuten alles zu sagen, was gesagt werden muss, sondern erfinden die Kombination aus Schlagzeug und Gitarren immer wieder so raffiniert neu. Ganz schön facettenreich für ein Duo. Und wer es nicht weiß: Andi ist auch solo als Andrew Applepie mega erfolgreich.
39. Ami Warning – Momentan (2019)
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Ami Warning - Gegenwind
Drei Dinge sind in Ami Warnings Songs unverzichtbar: direkte Texte, die ohne eine großartige Metaphernschlacht auskommen, Amis krasse Soul-Stimme und ihre klassische Lagerfeuergitarre, die auf "Momentan" nicht nur omnipräsent am Start ist, sondern mittlerweile auch zu einem ihrer Markenzeichen geworden ist. Trotz Radio-Pop freundlicher Arrangements behalten ihre Songs den sympathischen Singer-Songwriter-Charme und erinnern stellenweise an ihre Vorbilder AnnenMayKantereit. Und genau wie die Kölner Boys muss Ami Warning nicht auf Englisch singen, um cool zu klingen.
38. Talking Pets – Cities (2012)
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Talking Pets // Montreal (HD)
Für ihr zweites Album haben sich die Talking Pets lange Zeit im Studio verbarrikadiert, um den perfekten Vibe zu kreieren - mit Erfolg! Denn auf "Cities" tummeln sich Drum-Beats, wie in "Silhouette", "Carolina" und "Demons", die direkt in die Füße gehen und unweigerlich das Motivationslevel steigen lassen. Aber auch die feinen Klänge kommen nicht zu kurz. Ein absoluter Höhepunkt ist "In The Shade" – eine Symphonie aus Chorgesängen, klirrenden Flaschen-Sounds und verträumten Gitarrenmelodien. Aber ganz egal, welchen Song man auf "Cities" anspielt, man bekommt sofort das Gefühl im Sonnenschein baden zu wollen oder auf dem Rad durch die Stadt zu cruisen.
37. eRRdeka – Paradies (2014)
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ERRDEKA - ATME EIN ATME AUS (offizielles Video)
eRRdeKa ist ein musikalisches Schweizer Taschenmesser: Produktion, Beats, Melodien, Songwriting – alles wird selbst gemacht. Außerdem war er 2014 textlich seiner Zeit voraus: "Heute zweifelst du an dir, wenn man dein Facebook-Bild nicht liked, deinen hart erkämpften individuellen Post nicht teilt, alles finden vor dem Hype, um danach drüber zu lästern, denn wenn andere darauf stoßen ist es längst schon Schnee von gestern." Wie krass ausgecheckt er Musik im DIY-Mode machen kann, beweist der Schwabe auf jedem einzelnen Track von "Paradies".
36. Exclusive – Nachtmensch (2012)
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Exclusive - Nachtmensch (Official Video)
Manchmal muss Musik wie ein guter Wein sein: egal wie die Rebsorte heißt oder an welchem Hang sie wächst, wenn der Wein nach Jahren immer noch gut schmeckt, ist es ein edler Tropfen! So auch bei gut gereiften Alben. Die meisten Werke aus der Dubstep-Ära allerdings, landen mittlerweile eher in persönlichen Guilty-Pleasure-Playlisten. Umso beeindruckender ist die Leistung der Münchner Band Exclusive, denn sie haben mit „Nachtmensch“ ein Dubstep-Pop-Monster erschaffen, das trotz hörbarem Skrillex-Einfluss die Untiefen der Geschmacksverirrung hinter sich lassen konnte, und stattdessen auch 2019 noch musikalisches Entertainment auf hohem Niveau liefert.
35. KYTES – Heads And Tales (2016)
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KYTES - On The Run (OFFICIAL VIDEO)
Wenn man "Heads And Tales" durchgehört hat, könnte man auf die Idee kommen, dass es das Konzept der Kytes war, so viele Ohrwürmer wie möglich zu schreiben. Aber egal ob glücklicher Zufall oder akribischer Plan: es hat auf jeden Fall funktioniert - und das bei einem Debütalbum! Songs wie "On The Run", "I Got Something" oder "Inner Cinema" prägen sich so tief ins Gedächtnis ein, dass man automatisch die Hooks mitträllern muss. Dass sie aber mehr sind als nur Hitmaschinen, zeigen die Kytes mit Ausreißern wie der Ballade "Sirens".
34. Cosby – As Fast As We Can (2015)
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COSBY - 'As Fast As You Can'(official video)
Was macht einen guten Cosby-Song aus? Abgespacete Synthies, Grooves, die eigenhändig aus dem Dancefloor gefräst wurden und die hauchige Stimme von Marie Kobylka. Cosby liefern feinsten Pop mit gefühlvollen Hits wie "Boon and Bane", "Leaving" oder "Pieces". Bei "Lost" schlägt Marie aber auch mal forsche Töne an und liebäugelt solange mit ihrem inneren Rap-Biest, bis Christoph Werner die Tiraden der Sängerin mit einem virtuosen Solo am Synthesizer zerfetzt. Genau diese gut platzierten Ecken und Kanten sind es, die "As As Fast as We Can" so viel spannender machen, als eine glatt gebügelte Hitsammlung.
33. Me + Marie – One Eyed Love (2016)
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ME + MARIE - You Don't Know (Official Video)
Me + Marie ist mit ihrem Album "One Eyed Love" ein besonderes Kunststück gelungen: Sie haben gleich mit ihrem Debüt ins Schwarze getroffen. Der Sound klingt wie am Reisbrett ausgeklügelt – von Findungsphase keine Spur. Da passt einfach jedes Arrangement, keine Slide-Gitarre ist zu viel und alles ist genau an der richtigen Stelle, um die wundervoll verträumte Schwebe zwischen Dessert-Folk und Herbst-Balladen bis zur letzten Sekunde aufrecht zu erhalten.
32. Maffai – ZEN (2019)
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Maffai - Geisterstunde (Official Video)
Maffai flirten mit Postpunk und Wave-Sound, schrecken aber auch vor Gesellschaftskritik nicht zurück. Auch wenn man bei dem Titel "ZEN" erstmal ein tiefenentspanntes Album erwarten würde, brechen bei den Nürnbergern schon mal die Emotionen frei. Ein Paradebeispiel dafür ist die Hook von "Klamm": "Und du trägst mein Herz auf deiner Zunge und wir tragen Blüten auf dem Haupt und du atmest Salz in meine Lunge und wir bluten aus der Haut". Wenn Maffai auf diesem Energielevel einen Tanz mit der Neuen Deutschen Welle wagen, wird es so richtig interessant: Auf Tracks wie "Geisterstunde" oder "Platz" treffen fluffige Synthiepassagen auf Gesang, der zwar angepisst, aber nicht aggressiv ist. Das ist Punk mit Pop-Twist wie man ihn kaum besser machen kann.
31. Moop Mama – Deine Mutter (2011)
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König der Stadtmitte
Dass HipHop gar nicht zwingend einen DJ braucht, haben Moop Mama 2011 auf ihrem Debütalbum "Deine Mutter" bewiesen. Die Münchner liefern hier vierzehn stichhaltige Beweise, dass Tuben genauso knallen können wie eine 808, Saxophone und Trompeten ebenso psychedelische Flächen kreieren können wie Synthie-Pads und die Coolness einer Blaskapelle weit über Humba-Humba-Saufen-Im-Bierzelt-Musik hinausgeht. Sowas funktioniert natürlich am besten live - auch wenn die Polizei schon den ein oder anderen Guerilla-Gig von Moop Mama wegen Ruhestörung unterbrochen hat.
30. Candelilla – Heart Mutter (2013)
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candelilla 23/33
Candelilla oder auch "Die Gruppe Candelilla" - wie sie sich selbst gerne nennen - sind mehr als eine Punk-Pop-Band. Hier werden keine Kompromisse gemacht und die eigene Vorliebe für sperrige Dinge grenzenlos ausgelebt. Das zeigt sich auf dem Album "Heart Mutter" nicht nur im bilingualen Titel, sondern auch bei der Zahlenschlacht, die sich Tracklist nennt. "23/33" ist gleich drei Tracks in einem: Der Gute-Laune-Punk am Anfang schlägt ohne Vorwarnung immer wieder in kurze, ultraverzerrte E-Gitarren-Exzesse um, die sich dann in eine melancholische Piano-Ballade verwandelt. Auf "Heart Mutter" gilt die Devise: Je weniger sich Candelilla an musikalische Regeln halten, desto geiler werden die Tracks.
29. Blumentopf – Wir (2010)
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Fenster zum Berg (Blaskapellen Version)
Als Blumentopf 2010 ein Album mit dem Titel "Wir" rausbringen, ahnt noch niemand, dass sich die Münchner Vorzeige-Rap-Band ein paar Jahre später auflösen würde. Wieso auch? Läuft doch alles wunderbar: Blumentopf schweißen auf "Wir" feinste Wortkonstruktionen mit den energiegeladensten Beats zusammen, die das DJ-Pult zu bieten hat. Dazu schaffen die Töpfe ihren eigenen Musik-Kosmos: Sie zitieren auf "Taschen voller Sonnenschein" aus Jay-Z’s "99 Problems", legen ihren Vätern auf "Fenster zum Berg" die Worte der Stieber Twins in den Mund und schreiben nebenbei noch Hits, wie "SoLaLa". Und dann gab’s als Bonus sogar ein paar der Songs als Spezialedition mit der Blaskapelle Münsing. Umso bedauerlicher, dass die Masterminds dahinter nicht mehr zusammen Musik machen. Aber auf der anderen Seite auch ein wunderschönes Vermächtnis.
28. LaBrassBanda – Europa (2013)
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LaBrassBanda - Tecno
Den Opener "Tecno" nennen, aufs Intro scheißen und dafür Tuba und Trompete sofort auf Hochleistung röhren lassen – so eröffnet man ein Album! Wobei man wohl eher von einem musikalischen Reiseführer sprechen sollte, denn die Tracks heißen zum Beispiel "Frankreich", "Holland" oder "Schweden". Mit den vierzehn Songs der Platte bewegen sich LaBrassBanda aber nicht nur innerhalb europäischer Grenzen, sondern tackeln auch mal Latin, Samba, Ska, Electro und Funk. Wenn man es genau nimmt, hätten die Jungs das Album auch genauso gut "Brass around the world" nennen können, aber jetzt heißt es halt "Europa". Auch gut.
27. Fiva & Das Phantomorchester – Die Stadt gehört wieder mir (2012)
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Fiva & Das Phantom Orchester - Die Stadt gehört wieder mir
Mit "Die Stadt gehört wieder mir" tritt Fiva den Beweis an, dass man mit einem Orchester mehr anstellen kann als ein Publikum mit klassischer Musik in den Schlaf zu wiegen, die Reichen und Schönen jährlich nach Bayreuth zu locken oder ein lauwarmes MTV-Unplugged abzuliefern. Allein die wunderschönen Streicher-Arrangements auf "Dein Lächeln verdreht Köpfe" sind Grund genug, sich dieses Album mehr als einmal anzuhören. Dazu kommt Fivas Gespür im richtigen Verhältnis Rap mit Poetry Slam zu mischen und dabei mutig Hip-Hop-Drums ohne Hemmungen ballern zu lassen.
26. Panda People – Secret Pleasure (2010)
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Decade of Mistake
Anfang der 10er-Jahre wurde mit Acts wie Neon Indian, Washed Out und Toro Y Moi das bis heute letzte relevante Indie-Subgenre Chillwave zu einem Mini-Phänomen. Der Sound, der sich mit seinem verhallten Falsettgesang, den verwaschenen Synthies und 80ies-Gitarren futuristisch und vintage zugleich anfühlte, sollte für mehrere Jahre den Off-Mainstream-Elektropop prägen. Dass eine der besten Bands in diesem Segment Panda People aus Erlangen waren, hatte damals kaum jemand auf dem Schirm: Ihr international konkurrenzfähiges Album "Secret Pleasure" warf mit "Flashback" und "Decade of Mistake" zwar zwei Songs ab, die bisweilen in Indieclubs aufgelegt wurden, größtenteils aber flog die perfektionistische und beeindruckend geschmackssichere fränkische Band leider unter dem Radar.
25. Blackout Problems – KAOS (2018)
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Blackout Problems - KONTROL
Alternative-Rock zu feiern und sich dazu die Seele aus dem Leib zu tanzen, ist keine Phase, aus der man mit dem Ende der Pubertät einfach so herauswächst. Die Blackout Problems haben das mit "KAOS" eindrücklich bewiesen. Die Münchner wissen, wie man die Spannung hält, und catchen einen damit immer wieder aufs Neue. Und das haben andere, etwas in die Jahre gekommenen Genre-Helden, wie die Foo Fighters, Billy Talent oder The Offspring in letzter Zeit nicht mehr so wirklich hinbekommen. "KAOS" von den Blackout Problems kam also genau zum richtigen Zeitpunkt raus, um mal wieder frischen Wind in die Szene zu bringen.
24. Dobré – United (2013)
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Dobré - Going Under
Ein Album, das einfach gute Laune macht. Das geht schon bei der ersten Nummer "Going Under" los und zieht sich durch die ganze Platte. Die fünfköpfige Band um Frontmann Joe Dobroschke liefert mit ihrem zweiten Album Indie-Pop von seiner besten Seite. Bestechend einfache und leichte Songs, die aber niemals langweilig und platt sind. Besonders gut: "Doo Dob" und der Titel-Song "United". Gute Musik braucht oft keine großen Experimente, elektronische Spielereien oder post-musikalische Versuche. Dobré beweisen: Um sich richtig wohlzufühlen reichen manchmal einfach nur Gitarre, Schlagzeug und Bass.
23. Bdotissa – The Triple Svn Project (2019)
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BDOTISSA - GLOW
2017 hatte Bdotissa nur eine Handvoll Tracks am Start und seine Internet-Präsenz war quasi nicht existent. Aber der krasse Flow und die Skills des Augsburgers waren einfach zu wild, um unentdeckt zu bleiben. Dass seine Rap-Parts stellenweise stark an Kendrick Lamar oder Kid Cudi erinnern, war die Kirsche auf der Torte. Bei so viel Potenzial waren die Erwartungen an die neue deutsche Rap-Hoffnung und sein Debut natürlich entsprechend hoch. Long Story short: mit "The Triple Svn Project" hat Bdotissa nicht nur die Erwartungen übertroffen, sondern auch gezeigt dass englischsprachiger Rap aus Deutschland doch funktioniert.
22. Claire – The Great Escape (2013)
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Claire - The Next Ones To Come
Es gab einst eine Zeit, in der sich Fridl Achten nicht in Youtube-Videos befand, um über die deutsche Musikszene zu berichten, sondern seine Zeit als Drummer im Studio oder auf der Bühne mit seiner Band Claire verbrachte. Ein Relikt dieser Tage sind die dreizehn Songs auf "The Great Escape", die klingen, als hätte sich die Band mit den französischen Über-Acts Justice oder M83 zusammengeschlossen. "The Great Escape" ist ein klanglicher Leckerbissen getragen von der Stimme von Josie Claire-Bürkle und funktioniert heute noch genauso gut wie 2013.
21. Dicht und Ergreifend – Dampf der Giganten (2015)
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dicht & ergreifend - Zipfeschwinga
Das ist mal ein Debut-Album. Irgendwie haben es Dicht und Ergreifend geschafft, den niederbayerischen Dialekt und die süddeutsche Dorfkultur zu einem richtigen Szene-Ding werden zu lassen. Denn so verrückt das klingen mag: Hip-Hop, Akkordeon, Blasmusik und Dorfleben passen aus irgendeinem Grund zusammen. Hits wie "Wandadoog" oder "Zipfelschwinger" bestechen dabei mit eingängigen Hooks, deftigen Beats und lustigen Texten. Wahrscheinlich bedienen Dicht und Ergreifend mit ihrem einzigartigen Sound eine geheime Sehnsucht, die in unserem Unterbewusstsein geschlummert und darauf gewartet hat, endlich getriggert zu werden. Nebenbei zeigen George Urkwell und Lef Dutti mit Songs wie "Weydundagang" auch noch, dass nicht jeder Dialektsprecher hinterwäldlerisch ist und CSU oder AfD wählt.
20. Pho Queue – Sweet (2018)
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Pho Queue - Sweet
Zu den Zeiten von Giorgio Moroder und Silver Convention war München mal die Disco-Hauptstadt Europas. Zwar sind die Tage, in denen Weltstars durch die Clubs der Stadt gezogen sind, lange vorbei - aber dank Phoe Queue durften wir 2018 nochmal ein bisschen den Flair der damaligen Zeit einatmen. Kaum eine andere Band in Deutschland schafft es momentan so gut, dem Disco-Funk von damals eine zeitgenössische Note einzuhauchen und gleichzeitig nach Curtis Mayfield und Michael Jackson zu klingen. Funkige Gitarren treffen auf Soulgesang und Synthesizer, gewürzt mit einer Prise Karibik-Flair. Ein Album, wie gemacht für laue Sommernächte im Freien und den anschließenden Disco-Besuch.
19. Karo – Home (2013)
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KARO - Paper Planes
Eines der intimsten Alben der Zehner-Jahre. Und das könnte nicht zuletzt daran liegen, dass alle Instrumente auf der Platte mit nur einem Mikrophon aufgenommen wurden. Irgendwie schafft es Karo auf "Home" leise und laut so zu vereinen, dass sie damit unsere verletzlichsten und sensibelsten Seiten anspricht. Herausragen dabei das Gitarrengewitter "My Empire", eine unglaublich schöne Coverversion von Chris Isaaks "Wicked Game" und das Chanson-artige "Paper Planes". Die Stimmung auf "Home" lässt sich wahrscheinlich am ehesten mit einem grauen Sonntag-Nachmittag im November vergleichen. Eine Melancholie, die uns Karo mit diesem Album lieben lehrt.
18. Kofelgschroa – Kofelgschroa (2012)
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KOFELGSCHROA „WÄSCHE“ – Ein Musikvideo von Jens Hoffmann
2012 hat wohl niemand geahnt, wie romantisch schön, aber nicht kitschig, traditionelle Blasmusik und Akkordeon kombiniert mit Mundart-Texten klingen kann – und dann haben Kofelgschroa ihr selbst betiteltes Debütalbum rausgebracht. Wenn die vier aus Oberammergau fasziniert von Wäsche erzählen, die mühelos durch Sonne und Wind trocknet oder über unterschiedliche Schlafgewohnheiten nachdenken, dann hat das rein gar nichts mit Musikantenstadl zu tun. Dafür treffen diese Kurzgeschichte in Liedform eine nostalgische Ader und die Sehnsucht nach einer simpleren Lebensweise. Ein schwer greifbarer Eskapismus, der sich wohlig beim Hören von "Kofelgschroa" ausbreitet.
17. Joasihno – A Lie (2013)
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A Lie
Bei dem, was Nico und Cico da mit Saiteninstrumenten und Schaltkreisen zusammen frickeln, stößt man schnell an die Grenzen des Definierbaren. Electronic Art-Rock? Post-Indie-Ambience? Oder einfach nur Anarchie-Pop?! Eigentlich bräuchte jeder einzelne Song auf "A Lie" ein eigenes Genre. Da es aber viel zu lange dauern würde, sich durch die unendlichen Windungen ihrer architektonischen Kompositionen zu friemeln und sie in ihre Einzelteile zu zerlegen, einigen wir uns einfach darauf, dass wir nicht jeden musikalischen Schachzug von Joasihno verstehen müssen, um zu wissen, dass es sich bei diesem Album um ein Meisterwerk handelt.
16. Jesper Munk – Claim (2015)
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Jesper Munk - Morning Coffee (PULS Live Session)
Der 22-jährige Jesper Munk klingt auf seinem Album "Claim" als hätte er schon Jahrzehnte mit Whiskey und Zigaretten hinter sich. Seine raue Stimme ist allerdings nur ein Faktor, der "Claim" zu so einem großartigen Album macht. Denn wo manche sagen, das Genre Rock stünde in Deutschland kurz vor dem Aussterben, kann man ihnen nach dem Hören von "Claim" nur entgegnen: Nicht, solange Jesper Munk Musik macht. Gitarrensoli, Blues-Feeling, harte Riffs, verzerrte Stimme - all das bringt der junge Münchner auf dieser legendären Platte unter. Und er bleibt dabei extrem abwechslungsreich: ruhig in Songs wie "Soldiers of Words" oder "Morning Coffee" oder in bester The White Stripes-Manier drauflos scherbeln, wie zum Beispiel auf "Smalltalk Gentleman".
15. Liquid & Maniac – Slang Funk Slam Dunk (2016)
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Liquid & Maniac feat. Roger Rekless & DJ Al - Bavarian Squad (PULS Live Session)
Bayerischer Slang-Rap hat seine Popularität wohl vor allem Liquid & Maniac zu verdanken. Wenn Liquid auf Oberpfälzisch rappt und Maniac einen Boom Bap-Gnackbreaker-Beat nach dem anderen raushaut, ist es auch scheißegal, ob man jede Silbe versteht – Hauptsache die Tracks ballern. Die beiden haben mit "Slang Funk Slam Dunk" aber nicht nur eines der besten bayerischen Alben des Jahrzehnts rausgehauen, sondern auf "Bavarian Squad" mit Bbou, Roger Reckless, Manco F und Gräm Grämsn auch noch die Crème de la Crème der bayerischen Rap-Szene versammelt, um einen Übertrack des bayerischen Slang-Raps zu erschaffen.
14. BBou – Es gibt nix Bessas wey wos Guads (2014)
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BBou: "Krampus" | PULS Live Session | BR
Kniet nieder, ihr Ungläubigen! Der Messias ist gekommen, um Wasser in Weizen zu verwandeln und euch zum Slang-Rap zu konvertieren! Um diesen Plan in die Tat umzusetzen, zieht der boarische Bou auf "Es gibt nix Bessas wey wos Guads" alle Register: Statt Weihwasser und Oblaten verteilt Bbou auf jedem Track eine kostenlose Bierdusche und setzt mit "Have Fun und hau di zam" seinem bajuwarischen Laissez faire ein kompromissloses Denkmal. Der Flow basst. Da ist es auch völlig wurscht ob er mit Maniac auf "Bavarian Youth" einen drauf macht oder auf "Viva la Bavaria" sein inneres Reggae-Biest channelt. Hauptsache die Weizen-Party geht immer weiter!
13. Lilly Among Clouds – Aerial Perspective (2017)
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Lilly Among Clouds - Listen To Your Mama (PULS Live Session)
Lilly Among Clouds hat ein wirklich außergewöhnliches Debütalbum abgeliefert. Die Würzburgerin fährt nicht nur von Beginn an einen extrem professionellen Sound auf, bei dem man niemals mutmaßen würde, dass er aus der fränkischen Provinz stammt. Nein, die Sängerin klingt auch noch streckenweise erschreckend präzise nach Lana Del Rey und Florence & The Machine, ohne dabei als billiger Abklatsch rüberzukommen. Wer glaubt, dass wir hier zu hoch greifen, kann sich gerne mal die Tracks "The Only One", "Blood & History" oder "Listen To Your Mama" reinziehen.
12. Die Sauna – So schön wie jetzt war es noch nie (2019)
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Die Sauna - So schön wie jetzt war es noch nie (Offizielles Video)
Ein Albumtitel wie aus dem Schlagerkatalog, eine Tracklist, die Weltuntergangsstimmung verbreitet und Psychedelic Rock in all seinen Facetten. Die Sauna stehen nicht nur auf unkonventionelle Mischungen, sondern kommen damit auch noch durch. Innerhalb der Songs geht es nicht weniger experimentell zu: Auf "Der Letzte" klingt Matthias als wäre er beim Texten in die Rolle Klaus Kinskis geschlüpft, "Das Ende" wird von Jahrmarkt-Orgeln eröffnet und "When You’re Dead" ist ironischerweise der positivste Track des ganzen Albums. Was auch immer der Plan hinter diesem Album war, er ist aufgegangen.
11. Occupanther – Chimera (2015)
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Occupanther - Chimera feat. Claire
Martin Brugger, den Mann hinter Occupanther, kann man mit Fug und Recht als den Klang-Professor der Münchner Musikszene bezeichnen. Und das hat sich auch schon über die Grenzen Bayerns hinaus herumgesprochen: Chet Faker und SOHN haben ihn bereits als Vorgruppe gebucht, sein Track "Down" – der Opener des Albums "Chimera" – lief nämlich sogar im australischen Fernsehen. Aber Fun-Facts beiseite: bis heute ist "Chimera", das geprägt ist von wabernden Klang-Konstrukte mit ordentlich Wums, dermaßen auf den Punkt, dass auf jeder gepflegten Electro-Party mindestens ein Song davon laufen muss.
10. The Dope – Hinterlandia (2013)
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The Dope - Hollywood (Official Video)
Märchenhaft ist nicht nur das Cover des Albums "Hinterlandia", auf dem Hase und Igel bereit für ihr Wettrennen in feinem Zwirn posieren. Ähnlich wie der Igel in dem besagten Märchen hatten auch Rudi und Franz alleine schon wegen ihrem Landburschen-Image einen gewissen Underdog-Status auf dem Indie-Markt. Aber mit Finesse und Knowhow haben The Dope es mit ihrem Album "Hinterlandia" allen gezeigt und verteidigen seitdem ihren Platz in der ersten Reihe. Hier stehen experimentelle Interpretationen wie "Strawberry Fields" neben astreinen Indie-Tracks wie "Sputnik Sweetheart" und "Ikarus the Crow". Und dann kommt mit "The Fuck-You-All-Song" ein gut einminütiges Instrumental, das kurz vor Ende das Feld von hinten aufräumt – ganz im Sinne des Igels eben.
9. Aloa Input – Mars etc (2015)
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Oh Brother
“Mars etc" ist das gemeinsame Kind der Liebe von Cico Beck, Flo Kreier und Marcus Grassl. Drei Münchener, die man von Projekten wie Angela Aux, Joasihno und Missent to Denmark kennt, und deshalb eigentlich viel zu busy sind, um noch ein weiteres Projekt auf die Beine zu stellen. Trotzdem haben sie ein Album erster Güte abgeliefert. Irgendwie muss die Band durch ein Wurmloch im Raum-Zeit-Kontinuum geschlüpft sein, um "Mars etc" aus dem Boden stampfen zu können. Die Nutzung von Sci-Fi-Technologie würde übrigens auch den abgespaceten Sound der Platte erklären.
8. Manual Kant – Der Kanten die Gier (2015)
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Der Kanten die Gier
Stoner Rock, Blues-Riffs, heavy Drums, Gitarren- und Bass-Sounds wie aus Jack Whites persönlicher Effektschmiede lieferten Manual Kant auf "Der Kanten die Gier". Oben drauf wurde noch eine gehörige Portion Dagegen-Sein gepackt: "Sklaven auf virtuellen Baumwollplantagen, lächelnd um den letzten Rest Sauerstoff schlagend. Das ist Krieg, keine Musik. Da: sie spielen unser Lied – eine tot quantisierte Power-Ballade." Die Tracks auf "Der Kanten die Gier“ fühlen sich oft an wie ein Faustschlag, den man aber willentlich zulässt und gerne auf Repeat drückt, um sich von dem ein oder anderen Bass-Riff noch mal flashen zu lassen.
7. Frittenbude – Katzengold (2010)
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Frittenbude - Bilder mit Katze (Official Video)
Das Label Audiolith sollte spätestens seit Katzengold jedem ein Begriff sein. Denn wollten wir damals nicht alle dieses schwarzgelbe Shirt von Audiolith mit den schönen großen Buchstaben? "Katzengold" war 2010 der Soundtrack für die Gegen-den-Strom-Kids. Das Album lieferte sowohl den Anreiz für philosophische Diskussionen gegen gesellschaftliche Normen, als auch den Soundtrack für exzessive Partynächte. Denn durch die Kombination aus Punk, Elektropop und Sprechgesang kickt Frittenbude live ungemein. Alleine die wummernden Bässe machen Stillstand unmöglich. Mit diesem Album schufen Frittenbude auf jeden Fall mehr als einen Moment, der sich wie Acid in unser Gedächtnis eingebrannt hat.
6. Pollyester – City of O (2015)
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Pollyester * 2328628 PULS Live Session
Achtung: Wer dieses Album morgens einlegt und erwartet, langsam mit einem Morgenkäffchen in den Tag zu grooven, könnte sich schnell verschlucken. Denn das Münchener Elektro-Kollektiv um Polina Lapkovskaja ist laut, schrill und manchmal fast schon unmelodisch. Kein Wunder, denn wenn man sein Album nach einem kubistischen Bauwerk in der Wüste Marokkos, der "City of Orion", benennt, lebt man fernab von dem Fluss, der vielerorts Mainstream genannt wird. Stattdessen liefern Pollyester avantgardistische Musik vom Feinsten: Seien es die tanzbaren Nummern wie "Jalousie" und "2328628" oder dadaistische Songs wie "City of Orion" oder "Fall out of Love". Das macht "City of O" von Pollyester zu einem Paradebeispiel für postmodernen Musik der letzten zehn Jahre.
5. Angela Aux – In Love With The Demons (2019)
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Angela Aux - Dreamt Of The Death Of A Friend (Official Video)
Die Art, das dritte Album des Aloa-Input-Frontmanns Florian Kreier gestaltet ist, hat etwas von zen-buddhistischer Philosophie: alles kommt und fügt sich, wenn die Zeit reif ist. Die Tracks müssen niemandem etwas beweisen und klingen daher von Grund auf unbeschwert. Trotz der Lo-Fi-Ästhetik gibt es immer wieder Momente, in denen sich der Sound aus dem kleinen Aufnahmeraum heraus bewegt und sich unendlich verträumten Sphären öffnet. In diesen Augenblicken kann man sich bildhaft vorstellen, wie Florian Kreier als Angela Aux auf dem Gipfel des Himalaya sitzt und seine Folk-Songs auf der Akustikgitarre spielt – zwar nicht mit goldenem Bauch à la Buddha, dafür aber mit seinem Markenzeichen, der goldenen Perücke.
4. Schlachthofbronx – Rave and Romance (2015)
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SCHLACHTHOFBRONX - UP (Official Video)
Kopf aus, Musik an – tanzt! 2015 stellen die Münchner Benedikt und Jakob aka Schlachthofbronx mit "Rave and Romance" ihr wohl vielseitigstes Album vor. Ihre Einflüsse reichen von Dancehall-Reggae und Hip-Hop bis zu Techno und Drum & Bass. Mit dabei auf dem Album sind andere Raver und Romantiker wie etwa Candelilla, Nicky Da B oder Warrior Queen. Ob mit Kopfhörer auf voller Lautstärke oder im Club – Rave and Romance ist eine musikalische Reise, die durch die verschiedensten Stadien der Ekstase führt. Außerdem zeigen sich Schlachthofbronx besonders spendabel und haben das Album einfach mal als Free-Download rausgehauen.
3. Ebow – Komplexität (2017)
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Bad Lan
Das Paradebeispiel, dass man ein Rap-Album wie eine soziologische Theorie benennen und trotzdem ballern kann. "Eure Masterarbeit fängt mit mir als These an", heißt es zum Beispiel im Song „Bad Lan“. Besonders stark wird Ebow immer dann, wenn sie mit ihren Texten auf politische Probleme hinweist. Frauen-Revolution zum Beispiel. Oder die Kopftuchdebatte. Das Album "Komplexität" öffnet das Rap-Genre für all diejenigen, denen Hip-Hop bis dahin zu platt war. Motto: Punani Power! Denn echte Gangster können dank Ebow jetzt auch Feministen sein.
2. The Notwist – Close to the Glass (2014)
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The Notwist - Kong [OFFICIAL VIDEO]
So ein vielseitiges Album wie "Close to the Glass" hört man selten: Eine unglaublich eingängige Indie-Hymne wie "Kong" steht neben nachdenklichen Songs wie "Casino" und experimentellen Stücken wie "7-Hour Drive" oder dem Titeltrack "Close to the Glass". The Notwist sind natürlich längst kein Geheimtipp mehr, wenn es um kreativen Sound abseits von 0815-Pop-Produkten geht. Aber auf diesem Album hat die Band aus Weilheim zum musikalischen Rundumschlag ausgeholt und sich damit 2014 - nach 25 Jahren Bandgeschichte - nochmal neu erfunden. Und dabei bleiben die Tracks die ganze Zeit so herrlich melancholisch, dass man sich am liebsten wieder im Bett verkriechen und den ganzen Tag nichts anderes tun möchte, als The Notwist zu hören.
1. Fatoni, Dexter – Yo, Picasso (2015)
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Fatoni & Dexter - »Authitenzität«
Drei verdammte Jahre haben Fatoni und Dexter an ihrem gemeinsamen Kind der Liebe in Albumform geschraubt. So einen Arbeitsmarathon kennt man eher von Frank Ocean. Ähnlich genial aber dann das Ergebnis: „Yo, Picasso“ kann durchaus als Fatonis Aushängeschild gesehen werden, denn bei jedem Track ist Genius-Mode angesagt. Es gibt zu viele sicke Lines, die man hier zitieren könnte, deshalb pickt lieber selbst eure Favoriten und nehmt sie mit ins nächste Jahrzehnt. Wir ziehen unseren Hut vor diesem Album.