Interview mit Lizzo "Selbst wenn ich weine, fange ich irgendwann an zu lachen"
Lizzo ist die Frau der Stunde: Sie ist lustig, talentiert und eine wahnsinnig gute Performerin. Nebenbei räumt sie noch mit veralteten Schönheitsidealen auf und zeigt, dass die Kleidergröße nichts mit wahrer Größe zu tun hat. Wir haben mit ihr über ihren Durchbruch gesprochen.
PULS: Lizzo, du machst ja schon sehr lange Musik, hast 2013 dein erstes Solo-Album veröffentlicht und warst in mehreren Bands. Jetzt hast du es gleich mit zwei Singles in die Charts geschafft. Was hat dich dazu gebracht, nicht aufzugeben?
Lizzo: Ich war ja auch vorher schon eine erfolgreich tourende Musikerin. Seit 2012 habe ich aufgehört in einem Restaurant zu arbeiten, und mich und meine Familie komplett durch Musik zu finanzieren. Ich hatte auch geplant, dass einfach so weiter zu machen mit einer Fanbase, die langsam wächst - wie Björk oder Incubus. Das waren Leute, die ich bewundert habe. Natürlich genieße ich den Mainstream-Erfolg und freue mich darüber. Aber ich habe immer noch das gleiche Team. Wir haben schon immer hart gearbeitet und sind nicht einfach so aus dem Nichts aufgetaucht. Wir haben konsequent unsere Karrieren verfolgt und immer krass performt, gute Shows, großartige Musik und einen Look abgeliefert. Meine Songs liefen halt nicht im Radio, erst zwei Jahre später dann. Und deswegen war das bei mir alles anders und ich werde auch weiterhin nach meinen eigenen Regeln spielen.
Body Positivity und Selfcare sind schon immer wichtige Themen bei dir. Wie bist du selbst an den Punkt gekommen, dass du dich einfach so lieben kannst, wie du bist? Hattest du damit nie Schwierigkeiten?
Haben wir die nicht alle? Veränderungen sind immer schwer und wir alle müssen uns an Dinge gewöhnen. Während deiner Pubertät macht dein Körper allen möglichen seltsamen Scheiß, den du nicht verstehst - und dann fängst du an deshalb unsicher zu werden. Aber: Firmen und Mainstream-Medien profitieren von dieser Unsicherheit, in dem sie dich mit Bildern füttern von Menschen, die dir zeigen, wie du auszusehen hast. In der Realität hingegen wissen wir, dass das so nicht stimmt. Aber trotzdem entwickeln wir Komplexe. Ich persönlich konnte das verhindern, weil ich angefangen habe, mich selbst zu empowern, bevor mich das komplett zerstören konnte.
Ich hatte keinen Fernseher, ich habe keine Filme geschaut, ich wusste nicht, was Netflix ist. Deswegen hatte ich diesen Scheiß auch nicht im Kopf und keine Konflikte mit meiner Selbstwahrnehmung. Und deswegen habe ich auch nur auf mich selbst geachtet und mir gesagt, dass ich schön bin. Und als ich mich dazu entschieden habe, es so zu machen, wurde das zu meiner Mission. Und dadurch sehen viele andere Menschen, dass es möglich ist, Verhaltensweisen zu verlernen und diese ganzen Falsch-Informationen über deinen Körper aus deinem Kopf zu verbannen. Dann kannst du dein Leben und deinen Körper verdammt noch mal genießen!
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Lizzo - Juice (Official Video)
Du bringst diese Message in einer sehr humorvollen, selbstironischen Art und Weise rüber. In deinen Texten, aber auch auf Instagram. Ist Humor für dich eine gute Strategie deine Message zu vermitteln?
Das Leben ist lustig. Ich lache sogar über Sachen, die mich eigentlich stressen. Selbst wenn ich weine, fange ich irgendwann an zu lachen. Das ist einfach meine Persönlichkeit. Ich glaube, Humor hilft. Wenn ich dir was zu sagen habe, warum nicht mit einem Lächeln? Ich werde dir das nicht einfach reindrücken, sondern schmackhaft machen. Deswegen mache ich es so: Ein bisschen Humor, ein bisschen Realtalk - und die Leute checken das schon.
Bist du auch mal wütend?
Klar, ständig. Jeden Tag. Aber wenn ich wütend werde, ist es trotzdem auch lustig. In Houston machen wir das so wie bei einem "Roast": Erstmal schimpfst du richtig krass über eine Person, aber eigentlich machst du auch gleichzeitig Witze wie beim Stand Up. Alle lachen und dann bin ich gar nicht mehr sauer. Aber ja, ich werde auch mal sauer. Aber sich zu lange mit Wut aufzuhalten ist Verschwendung deiner Energie. Die verwende ich lieber zum Masturbieren.
Wenn wir schon beim Thema weibliche Energie sind: Denkst du, es ist gerade eine gute Zeit für schwarze Frauen in der Musikindustrie?
Ich denke, jeder neue Tag ist ein guter Tag für eine schwarze Frau in der Musikindustrie. Wir wurden so lange marginalisiert und unsere Stimmen wurden imitiert, um damit Geld zu machen. Aber jetzt, wo wir dank Social Media mehr Sichtbarkeit haben, bekommen die eigentlichen Urheberinnen, also schwarze Frauen, mehr Credit. Jeder Tag ist ein neuer Schritt in die richtige Richtung. Ich liebe es, dass ich so viele großartige, schwarze Frauen in verschiedenen Genres sehe. Wir sind innovativ, super witzig, wir sehen verdammt gut aus und wir haben was zu sagen – und jetzt hört uns die Welt zu.
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Lizzo - Truth Hurts (Official Video)
Du bist gerade auf dem Cover der britischen Vogue - und siehst fantastisch aus. Glaubst du, es wird bald mehr Frauen wie dich auf den Covern von Magazinen geben?
Ja, ich denke schon. Ich glaube, Schönheit wird gerade neu definiert. Und zum ersten Mal in der Mode haben Trends keine Grenzen mehr. Früher war das so: Wir machen nur Highwaist-Jeans und keine anderen. Aber heute: Highwaist-Jeans sehen an dieser Person unglaublich gut aus, aber tiefer geschnittene Jeans sehen bei einer anderen Silhouette großartig aus. Und es gibt beide gleichzeitig. Der neue Trend ist: Es gibt keinen Trend mehr.
In deiner Musik mischst du Rap und Pop. Gerade zu Beginn waren deine Sachen noch raplastiger. Wie sieht es denn zukünftig bei dir aus? Oder anders gefragt: Wenn du dich noch mal entscheiden müsstest, mit wem würdest du zusammenarbeiten? Missy Elliott oder Ariana Grande?
Ich könnte mich nie entscheiden! Das ist so schwer. Aber weißt du was, ich denke sogar, ich würde mit Ariana Grande nochmal arbeiten. Einfach nur, weil es ein Remix war von einem alten Song. Und ich würde gerne einen neuen Song mit ihr machen und sehen, wo es uns hinführt. Das ist der einzige Grund. Aber styletechnisch könnte ich mich nie entscheiden.
Sendung: Plattenbau, 18.11.2019 - ab 19.00 Uhr