Interview mit Mando Diao "Wir glauben ja immer noch, dass SMS das neue Ding ist"
Das Album "Good Times“ läutet für Mando Diao ein neues Kapitel ein. Wir haben mit Björn und Carl-Johan über ihre neue Platte, ausgestiegene Bandkollegen und ihre Abneigung gegenüber Riesen-Studios gesprochen.
Von: Matthias Scherer, Tobias Schießl
Stand: 08.05.2017
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PULS: Euer neues Album ist musikalisch wirklich bunt: Ihr habt Streicher dabei, man hört aber auch die typischen Mando-Diao-Gitarren und Disco-Vibes. Wie habt ihr die Songs geschrieben?
Björn: Das Album ist auf jeden Fall ein Band-Album, da sind mehr Live-Takes darauf und es ist viel organischer.
War das Songwriting diesmal demokratischer als auf euren früheren Alben?
Carl-Johan: Ja, aber nicht in dem Sinn, dass die anderen früher nicht ran durften. Es sind damals halt nur die Songs von Björn und Gustaf auf den Alben gelandet, weil es ganz einfach die besten waren. Aber dieses Mal hatte jeder starke Songs. Darum sind die auch auf dem neuen Album.
Björn: Aber ihr schreibt jetzt ja auch mehr. Auch ein Grund. Da gibt’s einfach mehr Auswahl.
Der erste Track auf "Good Times" ist eine Klavier-Ballade und heißt "Break Us". Das ist der ruhigste und langsamste Song auf dem Album. Warum fangt ihr es mit so einem Stück an?
Carl-Johan: Wenn man ins Fußballstadion geht, gibt es vor Spielbeginn ja auch oft so eine ruhige Hymne, die jeder mitsingen kann: "You’ll Never Walk Alone" oder sowas. Und dann BOOM schießen die Bayern ein Tor! (*lacht*)
Björn: "Break Us" ist das Vorspiel und dann haut das Biest rein.
Carl-Johan: Das hat man ja auch auf vielen HipHop-Platten: Die fangen mit einem instrumentalen oder einem Rede-Teil an. So "What’s up, man, you know…" – oder so was in der Art. Und dieses Intro präsentiert und erzählt quasi schon die Geschichte der Platte. Dieses Feeling wollten wir auch haben.
Das ist euer erstes Album ohne euren ehemaligen, zweiten Frontmann Gustaf. Hattet ihr beim Schreiben oder im Studio Situationen, wo ihr dachtet: "Hey, das ist ziemlich weird, dass er nicht dabei ist“?
Björn: Na klar, er war ein wichtiger Teil unserer Band. Das waren Sam und Mats ja auch. (Anm: Sam spielte bei Mando Diao bis 2011 Schlagzeug und Mats bis 2014 Keyboard). Es ist immer komisch, wenn einer geht, auch wenn das ja eine völlig normale Sache ist. Aber das Leben steckt nun mal voller Veränderungen und auf die muss man sich einlassen. Und das ist auch echt gut. Jetzt kommt was Neues – und das fühlt sich wie eine neue Ära der Band an.
Ihr habt euch für die neue Platte auch auf eine Insel zurückgezogen. Habt ihr dort auch aufgenommen?
Carl-Johan: Wir waren auf der Insel Gotland in der Ostsee. Da hat Jens, unser neuer Gitarrist, ein Ferienhaus. Also haben wir uns dort für eine Woche zu einem Bandcamp eingeschlossen und angefangen, an unseren Songideen zu werkeln. Die Aufnahmen haben wir später in Stockholm und in so einem alten Progrock-Studio in den Wäldern gemacht. Also immer an abgeschiedenen Orten.
Das klingt nach einer Menge Spaß, aber fällt einem da nicht irgendwann die Decke auf den Kopf?
Björn: Nein, die Abschottung tut uns gut. Uns gefällt diese Unabhängigkeit.
Carl-Johan: Außerdem hatten wir schon immer Angst vor diesen teuren, schicken Riesen-Studios. In kleineren, abgelegenen Studios hat man nicht dieses Gefühl, dass die ganze Zeit der Taxameter läuft beim Musikmachen.
Einige Songs vom neuen Album habt ihr ja schon vor dem Release live gespielt. Testet ihr, wie die Songs ankommen, bevor ihr sie fürs Album fertig macht?
Björn: Wenn man viel tourt, ist man heiß darauf, neues Zeug zu spielen. Darum machen wir das auch. Der Song "Money" zum Beispiel war uns fürs Album zu glattgebügelt. Wir haben dann einfach den Groove stark geändert, mehr so in Richtung Curtis Mayfield gedreht – souliger.
Auf eurem Instagram-Account habt ihr geschrieben, dass Bassist Carl-Johan die Basis für den typischen Mando-Diao-Sound ist. Wie meint ihr das?
Björn: Wenn man Soul-orientierte Musik macht, ist der Bass superwichtig. Carl-Johan, du bist der James Jamerson von Mando, und das ist fantastisch! (Anm: Jamerson war einer der wichtigsten Studiomusiker des Detroiter Soul-Plattenlabels Motown Records und spielte u.a. für Marvin Gaye und Stevie Wonder)
Carl-Johan: Jetzt fühl ich mich geschmeichelt, ich bin schon ganz rot. Was für ein guter Start in den Tag! (*lacht*)
Zurzeit veröffentlicht ihr kurze Doku-Clips über euren Facebook-Kanal, die sind echt cool. Aber was ist eigentlich mit eurem Twitter-Account los? Den letzten Tweet habt ihr Ende 2015 abgesetzt.
Carl-Johan: Ich hab in meinem ganzen Leben noch keinen einzigen Tweet davon gelesen.
Björn: Wir haben einen Twitter-Account? Ich weiß nur, dass wir Instagram und Facebook haben.
Carl-Johan: Wir wurden in den frühen 80ern geboren – manchmal ist es echt hart, mit dem ganzen Zeug. Wir glauben ja immer noch, dass SMS das neue Ding ist.
Sendung: Spätschicht ab 22 Uhr, 8. Mai 2017