Kommentar zu Ryan Adams Warum wir problematische Musiker boykottieren sollten
Indie-Star Ryan Adams wird sexuelle Nötigung vorgeworfen. Bewiesen ist noch nichts, aber die Frage steht wie ein Elefant im Raum: Darf man seine Musik jetzt noch hören? Für unseren Autoren gibt es darauf nur eine Antwort.
Von: Ferdinand Meyen
Stand: 18.02.2019
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Ryan Adams, ja genau, dem Herzschmerz-Ryan-Adams, wird vorgeworfen, mindestens sieben Frauen psychisch unter Druck gesetzt und sexuell genötigt zu haben. Das Album ist eingestampft, die FBI-Ermittlungen laufen. Ein Schock für Fans des Kuschelrockers, der der Musikbranche einen weiteren MeToo-Skandal beschert. Und jetzt? Genauso handeln wie bei R. Kelly und Adams einfach boykottieren? Dürfen selbst die eingefleischtesten Fans jetzt nie wieder Ryan Adams hören? In meinem Freundeskreis wird schon seit längerem darüber diskutiert, wie man mit Musik von problematischen Künstlern umgehen soll.
Musik und Person trennen?
Manche meinen, man müsse Musik und Person trennen. Was können wir als Konsumenten für das Verhalten eines Musikers? Dieser "Cancel Culture"-Wahn sei doch ein total kontraproduktives Verhalten. Und der Tanz mit der Freundin zu diesem romantischen Ryan-Adams-Song? Das ist doch eine persönliche Erinnerung, die per se überhaupt nichts mit der Person zu tun hat. Die schönen Momente, die einem die Musik gegeben habe, dürfe man sich durch Skandale und Enthüllungen nicht kaputt machen lassen.
Naja. Hand aufs Herz, liebe Ryan-Adams-Fans. Wie viele Liebeslieder und feinfühlige Indie-Rocker gibt es nochmal? Genau. Wenn ich Ryan Adams nachweine, kann ich auch gleich am Meer sitzen und einem verloren gegangenen Sandkorn hinterhertrauern.
Das Streaming-Argument
Andere versuchen, sich durch das "Streaming-Argument" aus der Verantwortung zu ziehen. Sie würden ja nichts von Ryan Adams kaufen, sondern lediglich bei Spotify zufällig auf ein Lied stoßen, das ihnen gefällt. Was soll daran verwerflich sein? Nichts natürlich. Es stellt sich nur die Frage, ob man Musik überhaupt noch gut finden kann, wenn man einmal weiß, welche Person dahintersteckt. Da ist das "Streaming-Argument" dann auch hinfällig.
Bei sexueller Nötigung hört der Spaß für mich auf. Musik von jemandem, der Frauen erpresst und nötigt, kann ich nicht gut finden. So ist das bei R. Kellys "I Believe I Can Fly" und so wird es auch bei Ryan Adams sein, sollten die Anschuldigungen gegen ihn stimmen. Ich finde: Gute Musik zeichnet sich immer auch durch die Personen aus, die sie machen. Ob sie authentisch sind, ihr Herzblut in die Musik stecken und für eine Sache stehen, die ich auch vertreten kann. Ein mutmaßlicher Sexualstraftäter wie Ryan Adams, der von der großen Liebe singt? In diesem Fall fällt mir das Culture Canceln leicht.
Sendung: Filter vom 18.02.19 - ab 15 Uhr