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Zum Tod von Lou Reed Auf der dunklen Seite der Nacht

Sex, Suff und Sucht: Lou Reed war ein fantastischer Songwriter. Seine Texte zerrten ab Mitte der 60er die finstere Seite der amerikanischen Gesellschaft ans Tageslicht - und setzten einen dunklen Gegenpol zur bunten Hippie-Welt.

Von: Florian Kreier

Stand: 28.10.2013 | Archiv

Lou Reed bei einem Konzert im Hallenstadion in Zürich 2008. | Bild: Eddy Risch/epa/picture-alliance/dpa

Als die Beatles "All You Need Is Love" singen und ganz Amerika überflutet wird von liebestrunkenen Blumenkindern, schlägt in New York eine neue Band auf: The Velvet Underground. Sänger und Geist dieser Band ist Lou Reed, ein schwarz gekleideter Dandy mit kurz geschorenen Haaren. Einer, der für die Flower-Power-Hippie-Bewegung nur Verachtung übrig hat. Seine Texte drehen sich um die Schattenseiten der Zeit. Bei Lou Reed geht es (auch) um die "bösen" Drogen. So schreibt er zum Beispiel eine Hommage an Heroin:

"Cause I feel just like a man, when I put a spike into my vein, and I tell you things are quite the same, when I'm rushing on my run and I feel just like Jesus' son"

(Lou Reed in 'Heroin')

Musikalisch stoßen Velvet Undergound ins selbe Horn: Sie kombinieren bittersüße Popmelodien mit Sounds, die heute unter Noise oder Punk gelistet werden. Die stachelige Mischung der Band stößt damals auf Unverständnis. Sie werden reihenweise aus Engagements gefeuert und vom Radio boykottiert. Als der Bassist und studierte Musiker John Cale aussteigt, verändert sich die Musik schlagartig: Velvet Underground wird sanfter und ruhiger. Textlich führt Lou Reed den Hörer weiterhin in die Hinterhöfe, Puffs und Fixerbuden der Stadt. Damit holt er die dunklen Ecken Amerikas ans Tageslicht – mal in Form eines Selbstgesprächs einer Prostituierten, dann wieder kommentiert er die Lage der Nation als lässiger Dandy: 

"Some people work very hard, but still they never get any rights
I am beginning to see the light"

(Lou Reed in 'Beginning To See The Light')

Nachdem sein erstes Soloalbum floppt, wird er von der Fachpresse zerrissen. Dann meldet sich plötzlich David Bowie mit dem Wunsch, seine nächste Platte zu produzieren. Reed steigt in den nächsten Flieger nach London und die Aufnahmen beginnen. Die Sessionmusiker des Albums erzählen später in Interviews, sie hätten Mr. Reed eigentlich nie gesehen und Co-Produzent Mick Ronson beschwert sich über Reeds Gitarrenspiel. Trotzdem, oder vielleicht auch deswegen, wird "Transformer" zum internationalen Erfolg, mit Hits wie "Vicious", "Perfect Day" und natürlich "Walk On The Wild Side". Auch in seinem wohl größten Pop-Hit besingt Reed den dreckigen New Yorker Underground:

"Candy came from out on the island, in the backroom she was everybody's darling
But she never lost her head, even when she was giving head"

(Lou Reed in 'Walk ON The Wild Side')

Spätestens mit "Transformer" hat Lou Reed den Platz eingenommen, der ihm gebührt: er ist der große dunkle Poet der 60er und 70er. Er bringt die Themen der Beat-Poeten Alan Ginsberg und William S. Bourroughs oder die melancholische Gossen-Poesie von Charles Bukowski in die Popmusik. Zwar schreibt er nicht als Einziger über Drogen, Sex und Gewalt. Aber wie kein Zweiter findet er seinen unverwechselbaren Stil und seinen Ort: New York City - das aufstrebende Mekka der Popwelt. In den düsteren und wilden Winkeln der Stadt saugt Reed wie ein Schwamm kleine Sozialstudien in sich auf und wringt sich selbst in seinen Pop-Gedichten aus.

"Who has touched and who has dabbled
here in the city of shows
Openings, closings, bad repartee
everybody knows"

(Lou Reed in 'New York Telephone Conversation')

Natürlich wird Lou Reed gerade als großer Alleskönner verklärt. Der Punkvater, der nie Punk gespielt hat. Der Begründer des Glam Rock, wobei er selbst nie Glam Rock war. Die Wahrheit ist: für die Musik waren meistens andere zuständig. Lou Reed war ein einzigartiger Texter mit einem unfassbaren Gespür für die Zeichen der Zeit. Er trieb sich im Sturmauge der 60er und 70er herum und brachte Dinge hervor, die niemand anderes gesehen oder gehört haben konnte. Davon erzählte er mit einer Stimme, die älter klang als er selbst, älter als die Popkultur, älter als die USA. Genau diese behutsam erzählten, bei aller Tragik immer auch komischen Geschichten werden dem Popzirkus fehlen, aber glücklicherweise bleiben uns eine ganze Menge davon erhalten - für immer.


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