Helen Fares über sexuelle Belästigungen in der HipHop Szene Was wir tun müssen, um den Sexismus zu stoppen
Die Moderatorin Helen Fares hat mit einem Facebook-Post über sexistisches Verhalten auf einem HipHop-Festival eine Diskussion losgetreten. Wir haben mit ihr darüber gesprochen – und darüber, warum wir alle "Kante zeigen" müssen.
Auf dem Frauenfeld Festival in der Schweiz sind am vergangenen Wochenende Acts wie Nas, Talib Kweli oder Casper und Newcomer wie RIN und Haiyti aufgetreten. Journalistin und Sängerin Helen Fares hat dort, mittlerweile zum dritten Mal, die Bühne moderiert – und dabei einige sehr negative Erfahrungen gemacht. In einem viel diskutierten Facebook-Post berichtet sie von sexistischem Verhalten, mit dem sie im Laufe des Wochenendes immer wieder von Künstlern, Managern und Security-Angestellten konfrontiert wurde. Wir haben Helen angerufen.
PULS: Kannst du nochmal erzählen, wie und in welchen Situationen diese sexistischen Kommentare und Aktionen passiert sind?
Helen Fares: Das waren mehrere Momente, wo Rapper beim Vorbeigehen irgendwelche Kommentare gemacht haben. So von "Hey Süße" bis hin zu "Weißt du noch damals, wir waren fast zusammen". Es gab also ganz viele Situationen, wo dumme Kommentare gemacht wurden. Am letzten Abend wurde es dann körperlich. Ich stand mit ein paar Kollegen zusammen und da kam dann ein junger Herr und der hat irgendwie so mit allen gespaßt. Und dann sagt er zu mir: "Guck mal hoch". Ich dachte mir nichts dabei, hab das gemacht und dann fasst er meinen Kehlkopf an. Ich schrecke zurück und er sagt: "Hast keinen Würgereflex, oder?" Das war auch eine Situation, wo ich mir dachte: "What the fuck?!" Ich hab ihm gesagt, dass das nicht witzig ist, dass er sowas nicht mit mir machen kann. Gesagt hab ich das mit einem Lächeln - woraufhin er meinte: "Warum lächelst du dann?"
Wie haben die Menschen, die dabei waren reagiert?
Meistens war ich tatsächlich alleine. Wenn dann doch jemand dabei war, wurde von den Umherstehenden nichts gesagt. In der Situation, wo mir der Typ an den Kehlkopf gefasst hat, meinte eine, sie würde lachen, weil der Witz davor witzig war oder so. Abgesehen davon hat nie irgendjemand was gesagt. Das ist ein Scheißgefühl. Weil man ja immer von sich selber ausgeht und überlegt: Wie würde ich in der Situation reagieren? Aber selbst, wenn eine Frau mit der allergrößten Klappe bei mir stehen würde, also eine Frau, von der ich weiß, sie kann selber für sich sprechen - sollte sie Opfer von Sexismus werden, würde ich auch was sagen.
In deinem Facebook-Post sprichst du von "sexistischen, opportunistischen und respektlosen Subgesellschaften, die sich im HipHop gebildet haben". Was oder wen meinst du damit?
Man hat überall im HipHop – im Breakdance, Graffiti oder Rap - Leute, die sich auf die Fahne schreiben "Frauen und Männer sind gleich". Man hat aber auch überall Leute, die sagen: "Ich scheiß auf Frauen und ich werde in meinen Texten - künstlerische Freiheit hin oder her - sagen, was ich von Frauen halte." Wenn das sexistisch ist, dann sehen das deren Fans eben auch so. Dann werden diese Texte nachgequatscht. Und die Leute verstehen nicht, dass viele Dinge witzig oder satirisch gemeint sind und adaptieren ein falsches Frauenbild. Das hat man auch gemerkt.
Die meisten Kommentare, die ich auf meinen Post bekommen habe, waren durchweg positiv. Aber eine Frau wurde besonders beleidigend. Sie hat mich auf Arabisch als "Hund" beleidigt, was bei uns besonders schlimm ist (Anm. d. Red.: Helens Familie kommt aus Syrien). Und sie meinte, ich soll doch zurück in die Küche. Das sind dann eben Menschen, die aus meiner Sicht Teil einer Gesellschaft sind, die von Sexismus gebildet wurde.
Wenn ein Rapper in seinen Songs Wörter wie "Bitch" und "Schlampe" singt, ist das erstmal von der künstlerischen Freiheit abgedeckt und hat nichts mit der Sexismus-Problematik im echten Leben zu tun? Oder sind die beiden verknüpft?
Wenn ein Künstler in Interviews präsent ist - und bei Instagram oder Facebook oder wo auch immer - und da klare Kante zeigt und sagt: "Sexismus ist nicht okay und das, was ich mache, ist Kunst", dann soll er in seinen Songtexten sagen, was er denkt. Natürlich in einem gewissen Rahmen. Rap wurde genutzt, um die Wut auf die Straße zu bringen oder gehört zu werden. Und wenn du Wut hast - auf gut Deutsch gesagt: gegen irgendeine Bitch, die dich verarscht hat - dann kannst du das auch gerne sagen. Aber dann muss differenziert werden. Und zwar im echten Leben. Wenn ich sehe, dass Rapper auf der Straße Frauen filmen, die sie überhaupt nicht kennen und da ranzoomen, dann ist doch klar, dass die 11- und 12-jährigen Kids das nicht differenzieren können. Die sagen: "Der lebt das so, der rappt das so – so will ich auch sein."
Du hast gesagt, du siehst selber keine Lösung für diese Problematik – und Sexismus ist nichts, was es in anderen Musikszenen und Communities nicht auch gibt. Aber meinst du, man kann was tun, um sexistisches Verhalten zu bekämpfen?
Es gibt natürlich Musikrichtungen, wo das nicht so verbreitet ist. Ich hab gestern mit einer Kollegin vom Openair Frauenfeld darüber geredet, wie der Unterschied von einem Metal-Festival zu einem HipHop-Festival ist. Sie hat gesagt: Wenn bei einem Metal-Festival irgendein Typ zu ihr kommt und sagt "Du dumme F***e", dann stehen halt zehn Leute hinter ihr und sagen "Was hast du gerade gesagt? Entschuldige dich sofort!" Das Problem ist, dass es ein gesellschaftliches Ding ist. Wenn zum Beispiel einem kleinen Kind ständig gesagt wird: "Du weinst wie ein Mädchen". Bei so etwas fängt es schon an. Was mich freuen würde: Wenn wir Frauen wenigstens mal zusammenhalten würden. Egal ob im HipHop oder in allen möglichen anderen Bereichen. Das ist für mich der erste Schritt: Wenn wir alle Kante zeigen. Dann gibt's das nicht mehr.
Sendung: Filter vom 13.07.2017 ab 15 Uhr