06:31 Uhr Frei elia

Jetzt Soft Spot Claud

Info Die ersten Schritte als Artist machte Claud Mintz aus New York unter dem Namen Toast im Studentenwohnheim. Jetzt produziert Claud Pop, der wunderbar zu einem Late-Nite-Snack passt. Na dann: Guten Appetit!

Kommentar zum Menstruationsurlaub Und schon war’s das mit dem Feminismus

In England gibt es eine Firma, in der sich Frauen einmal im Monat ohne Angaben von Gründen krank melden können. Ist das antifeministisch? Nein, ist es nicht – außer, Frauen hetzen deshalb gegen Frauen.

Von: Linda Becker

Stand: 25.01.2019 | Archiv

Graphik | Bild: BR

Die Firma CoExist aus dem englischen Bristol ist eine der ersten Firmen in Europa, bei denen es den sogenannten „period leave“ gibt: Einmal im Monat dürfen sich Frauen ohne Angabe von Gründen krank melden. In Italien gab es 2017 bereits einen Gesetzesentwurf, in dem Vertreterinnen der demokratischen Partei fordern: Frauen mit starken Regelschmerzen sollen die Möglichkeit bekommen, bis zu drei Tagen im Monat zu Hause zu bleiben - bei Lohnfortzahlung. Heißt: Die Kohle kommt weiter aufs Konto. Ein entsprechendes Attest müssten sie sich dafür ein Mal im Jahr ausstellen und erneuern lassen.

Menstruationsschmerzen sind kein Urlaub auf Balkonien

Klar, Menstruationsurlaub klingt erst mal nach sonnigem Balkon, kühlem Bierchen und Füße hochlegen. Nicht nur deshalb bietet die Idee reichlich Angriffsfläche: Wer soll denn das bezahlen? Was ist mit der Gleichberechtigung? Wieso müssen Frauen eigentlich immer so rumflennen?

Der Begriff Urlaub führt komplett in die Irre. Für 90 Prozent der Frauen ist die Menstruation mit ernsthaften Schmerzen verbunden und nicht bloß eine Ausrede dafür, mal gepflegt abzugammeln. Etwa 10 bis 15 Prozent aller Frauen leiden sogar nachweislich unter Endometriose. Das ist eine chronische Krankheit, die sehr starke Schmerzen während der Periode verursacht. Ausgelöst wird sie durch Gewebe, das sich im Unterleib ansiedelt – außerhalb der Gebärmutter, wo es nicht hingehört.

Aber auch für die meisten anderen Frauen ist die Menstruation kein Spaziergang. Man bläht, blutet, hat Krämpfe, Rücken- oder Kopfschmerzen. Würden diese Symptome nicht unter dem Label Menstruation laufen, würde jeder zu Hause bleiben.

Frauen belasten das System

Ein paar flennige Weiber, die sich wegen Bauchschmerzen nicht in die Arbeit schleppen wollen? Wer soll das bezahlen? Wir sind ja hier kein Sozialstaat! Doch sind wir. Und wer krank ist, bleibt zu Hause. Würde man sehr starke Menstruationsbeschwerden und Endometriose als Krankheit ernst nehmen, wäre das nämlich kein Problem. Dann müssten die betroffenen Frauen nur ein einziges Mal im Jahr zum Arzt gehen. Keine Ausreden mehr, keine Entschuldigungen. Sie hätten einfach ein gültiges Jahresattest.

Fehltage kosten immer – aber sie werden nicht teurer durch eine offizielle Bescheinigung. Im Gegenteil: Dieses Modell wäre für Krankenkassen sogar billiger. Denn ein Jahresattest ist günstiger als zwölf Arztbesuche im Jahr. Man muss zwar in vielen Berufen erst am dritten Tag mit einer Krankmeldung kommen, aber längst nicht in allen.

Geht’s noch? Frauen gegen Frauen.

Beim Thema Menstruation gilt: Hat jede, kennt jede. Trotzdem in diversen Artikeln zu dem Thema Frauen anderen Frauen plötzlich die fadenscheinigsten Gegenargumente an den Kopf. Der "Menstruationsurlaub" würde weibliche Stereotype stärken, wäre antifeministisch und würde die Menstruation tabuisieren. Frauen würden dann nur noch mehr unter Sexismus leiden, weil man ihnen den Zusatzurlaub als Schwäche auslegen würde.

Müssen sich also Frauen mit extremen Schmerzen braveheartmäßig zur Arbeit schleppen, nur um Sexisten ein Argument weniger zu liefern?

Feminismus heißt, dass man selbstbewusst vertritt, wer man ist. Und wenn es bereits am weiblichen Selbstbewusstsein rüttelt, dass man wegen starker Schmerzen nicht aus dem Haus gehen will, dann ist das ziemlich antifeministisch.

Andere geben noch zu bedenken, dass die Tabuisierung der Menstruation mit solchen Extrawurst-Regelungen ja nie ein Ende fände. Möglich, aber das Tabu geht ja nicht weg, indem man es ignoriert.

Menstruationsurlaub: die perfekte Ausrede für ungleichen Lohn.

Zur Angst vor Sexismus gesellt sich auch noch die Angst vor mehr Ungleichbehandlung im Arbeitsleben. Chefs würden dann seltener Frauen einstellen, weil sie – neben einer möglichen Schwangerschaft – auch noch während der Menstruation fehlen würden. Und bei Gehaltsverhandlungen wäre der zusätzliche Urlaub ein weiteres Argument für ungleiche Bezahlung.

Vielleicht sollten wir zur Sicherheit nur noch den halben Lohn verlangen, keine Kinder bekommen und nie krank sein. Dann würde Sexismus sicher sofort aufhören. Nicht.

Dass Frauen als Arbeitnehmerinnen immernoch benachteiligt sind liegt nicht am Fehlverhalten der Frauen. Sondern daran, dass Unternehmen sich das ungestraft leisten können - und Frauen sich das gefallen lassen. Das Problem ist nicht, eine Frau zu sein, die ihre Tage hat und schwanger werden könnte. Für Fehlzeiten kann man andere Lösungen finden, wenn man will. Das Problem ist, dass das Frausein als fadenscheinige Ausrede für Ungleichheiten hergenommen wird.

Es ist nicht die Aufgabe von Frauen durch besonders starkes oder unauffälliges Verhalten Sexismus zu beenden. Sexismus ist im Grundsatz falsch. Und es hilft sicher nicht, wenn sich Frauen aus Angst vor noch mehr Sexismus wegducken und damit andere Frauen belasten. Noch dazu solche, die jeden Monat leiden. Wenn ein Sonderurlaub für einige Frauen Entlastung bedeutet, sollten wir Frauen gesammelt dahinter stehen.

Sendung: Filter, 28.01.2019 ab 15 Uhr