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Philo Tsoungui im Interview "Ich will nicht nur als Frau am Schlagzeug wahrgenommen werden"

Philo Tsoungui spielt Drums für Fatoni, Mine, Tarek K.I.Z. und Chefket. Mit uns hat sie über ihre Rolle in einer männerdominierten Szene, ihr Leben als freiberufliche Musikerin und ihre Erfahrungen mit Sexismus gesprochen.

Von: Jan Limpert

Stand: 24.01.2020 | Archiv

Die Drummerin Philo Tsoungui sitzt lachend hinter ihrem Schlagzeug. | Bild: Mangler

Egal ob im Hip-Hop, Rock oder Jazz – bis heute dominieren Männer die internationale Schlagzeugszene. Wer jedoch in letzter Zeit Mine, Fatoni oder Chefket live gesehen hat, der hat erlebt wie Drummerin Philo Tsoungui den Takt angibt. Um als freiberufliche Musikerin zu arbeiten, hat sie zunächst klassisches Schlagzeug in München studiert und ist dann an die Popakademie nach Mannheim gewechselt. Mittlerweile gehört sie zu den Besten in Deutschland. Doch trotz ihrer Skills wird sie immer noch mit Problemen konfrontiert, die ihren männlichen Kollegen erspart bleiben.

PULS: Wie bist du als Kind zum Schlagzeug gekommen? Für die meisten Eltern ist es ja das Horror-Instrument schlechthin, weil es so laut ist und die Nachbarn nervt...

Philo Tsoungui: Ich habe klassisch mit Klavier angefangen. Aber es war schon wie dieses Klischee, bei dem die Eltern merken, dass eine rhythmische Begabung da ist, weil das Kind auf allem herumtrommelt. Dann habe ich sie mit acht Jahren überredet.

Apropos Kindheit: Wie war es für dich in den 90er-Jahren als Person of Color in Sachsen aufzuwachsen?

Als Kind habe ich immer mal wieder eine latente Abneigung mitbekommen, bin aber nie in brenzlige Situationen geraten. Womit ich aufgewachsen bin, war vor allem die konstante Angst meiner Eltern, weil mein Vater häufiger in gefährliche Situationen geraten ist. Auch deshalb sind wir 1999 nach Hof umgezogen. Es ist schon eklatant: Man fährt nur 30 Kilometer in den Süden und die Stimmung ist komplett anders. Die ganzen Sachen, die seit circa 2015 breiter diskutiert werden, sind für uns schon immer Realität gewesen - und sind es noch, wenn wir zu meinen Großeltern nach Chemnitz fahren. Ich freue mich aber, dass es jetzt ernst genommen wird, weil ich nicht mehr gegen die Ungläubigkeit ankämpfen muss. Bis vor ein paar Jahren haben die Leute nämlich noch gesagt: Ich wusste gar nicht, dass es so etwas in Deutschland noch gibt! 

Nachdem ihr aus Sachsen nach Oberfranken gezogen seid: Wie sahen denn dann deine ersten Gehversuche in Bands aus?

Ich habe mit klassischem Orchester-Schlagwerk angefangen. Schlagzeug in einer Band zu spielen hatte damals keinen großen Stellenwert für mich. Ich habe zwar mit vier Dudes in Hof gespielt, das war aber nur Spaß. Erst als ich nach Mannheim gegangen bin, hat mich Mine als Schlagzeugerin angefragt. Dann ist alles ins Rollen gekommen. Es war aber eine bewusste Entscheidung, mich von der Klassik abzuwenden und Popularmusik zu machen.

Neben Mine spielst du mittlerweile hauptsächlich für HipHop-Acts. Wie bist du denn dann zum HipHop gekommen?

Das war in meinem zweiten Studienjahr in München: Ich war am Üben und als ich aus der Uni kam, waren da ein paar Jazz-Musiker, die eine Karte für Robert Glasper übrighatten. Ich kannte Robert Glasper nicht, wusste aber nach dem Konzert, dass ich HipHop-Drummerin werden muss. Es hat aber noch drei Jahre gedauert, bis ich den Schritt gemacht habe. Mein Herz war trotzdem immer im Rap und R’n’B verhaftet und ich habe das lieber gehört, als zum Beispiel eine Symphonie.

Die Schlagzeugszene ist weltweit extrem männerdominiert. Begegnet dir heutzutage als Schlagzeugerin immer noch Sexismus?

Es ist nicht mehr so krass, wie damals in der Klassik, wo andere Leute Jobs bekommen haben, für die ich möglicherweise qualifizierter gewesen wäre. Ich bin nicht mehr mit Sexismus in dem Ausmaß konfrontiert, dass mir ein Kollege sagt, dass er meinen Arsch geil findet - sondern eher, dass ein Booker mich bucht, weil er findet, dass eine Schlagzeugerin auf der Bühne mehr hermacht. Wenn ich allerdings ankomme, top vorbereitet bin und meinen Job professionell mache, bricht diese Ebene, es sexualisieren zu können. Denn sobald ich Ansprüche als Musikerin stelle, sind die meistens irritiert. Meine männlichen Kollegen kommen nicht in solche Situationen. Die haben in vielen Belangen eine ganz andere, komfortablere Ausgangsposition – vor allem im Gagen-Bereich, der für freischaffende Musikerin extrem wichtig ist. Ich möchte das Gefühl haben, als professionelle Musikerin wahrgenommen zu werden und nicht nur als Frau am Schlagzeug.

Du postest ja auch viele Schlagzeugvideos von dir auf Instagram und Youtube. Wie sehr bestimmt Social Media, ob du als freiberufliche Schlagzeugerin Aufträge bekommst?

Ich habe schon viele Anfragen größerer Künstler*innen auf Instagram bekommen, bei denen ich dachte: "Wow, das ändert jetzt alles!" Aus denen ist aber dann nichts geworden. Damals dachte ich, ich müsste regelmäßig Content machen, mittlerweile ergibt sich vieles durch Mundpropaganda. Mein Profil ist eher eine digitale Visitenkarte, durch die sich die Künstler versichern können, dass ich Referenzen habe.

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Swag Feel with Philo Tsoungui | Bild: OnlineLessons (via YouTube)

Obwohl HipHop-Acts immer mal wieder von Schlagzeuger*Innen unterstützt werden, dominieren die DJs immer noch die Szene. Was würdest du sagen, ist bei Live-Auftritten der Vorteil von Schlagzeuger*innen gegenüber DJs?

Ich glaube, dass eine Ebene dazukommt, die das Publikum als mehr Energie wahrnimmt. Das liegt daran, dass es jemanden gibt, der laute, ausladende Bewegungen macht. Bei Chefket, Fatoni und jetzt ab Februar auch bei Tarek K.I.Z  fange ich immer erstmal an, die Beats, so wie sie programmiert sind, auf dem Schlagzeug nachzuspielen. Dann gebe ich bis zum Ende des Songs immer mehr dazu. Dadurch, dass die Zuschauer echte Instrumente sehen und das selten ist, sind sie noch etwas faszinierter.

Sendung: PULS am 27.01.2020 - ab 13.00 Uhr