Interview mit Trettmann beim PULS Open Air 2018 "Man merkt, wie alles immer größer wird!"
Fette Tour oder Chillung auf Jamaika. Nicht nur in Sachen Freizeitgestaltung ist Trettmann wandlungsfähig. Auf dem PULS Open Air 2018 spricht er über seine Metamorphose, späten Erfolg und Diskussionen über Deutschrap.
"D.I.Y." war DAS deutsche HipHop-Album 2017. Wir trafen Trettmann vor seinem Auftritt beim PULS Open Air 2018, um mit ihm mal zu klären, wie es nach dem Wahnsinnsalbum weitergeht und was er so auf Jamaika getrieben hat.
PULS: Du bist seit dem Release von "D.I.Y." letzten Herbst viel auf Tour, die Clubshows waren fast alle ausverkauft. Dein Sommer ist jetzt voll mit Open Airs: Hast du ein bisschen Bammel vor den nächsten Wochen? Viel Stress, oder?
Nö, gar nicht, es macht ja Spaß! Ich singe gern! (lacht) Ich hatte letztes Wochenende schon die ersten drei Gigs und es war richtig angenehm. Und überhaupt: Ich habe nicht das Gefühl, dass das Album jetzt schon vorbei ist oder mich langweilt. Ich singe die Songs noch gern.
Was geht in deinem Kopf vor, wenn du auf der Bühne stehst und siehst, wie krass die Leute abgehen?
Was geht in meinem Kopf vor … es ist schön! Wenn die Leute abgehen, fühlt sich das heimisch und sicher an. Ich meine, es war ja auch nicht immer so. Ich habe zehn Jahre gespielt und gute, aber auch schlechte Gigs gehabt. Aber dadurch, dass das letzte Album jetzt so breiten Anklang gefunden hat, merkt man eben, wie alles immer größer wird. Es war schon bei der Tour so, dass wir von Tag zu Tag gemerkt haben, wie das Feeling immer mehr durchsickert und die Leute immer mehr mitsingen. Ich liebe das!
Was ist denn eigentlich geiler: Sommerfestivals in Europa spielen - oder den Sommer auf Jamaika zu verbringen?
Das sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Sommer auf Jamaika ist gar nicht sooo cool - hier ist im Sommer ja auch alles grün und die Sonne scheint. Lässt sich schon auch aushalten bei uns. Das eine ist Urlaub und/oder maximal kreativ sein und das andere ist das Feiern mit den Fans, mit der Masse, der Meute. Beides finde ich nice.
Aber du bist oft in Jamaika, oder? Könnte man sagen, dass Jamaika so etwas wie eine zweite Heimat für dich ist?
Nicht wirklich. Ich war elf Jahre nicht dort, bevor ich dieses Jahr das erste Mal wieder hin bin, ich habe auch nie wirklich dort gelebt. Ich finde, um etwas als die zweite Heimat bezeichnen zu können, muss man schon mal ein Jahr dort verbracht haben. Das ist mir nie gelungen. Insofern: Köln ist meine zweite Heimat, da hab ich vier Konzerte ausverkauft hintereinander. Shout Out, Köln!
Du veröffentlichst Musik, seit du Anfang 20 bist. Das hat zwar funktioniert, aber der große Durchbruch kam erst mit Anfang 40. Was ist das Coole am späten Erfolg und was nervt?
Den späten Durchbruch finde ich so grundsätzlich überhaupt nicht schlimm. Ich bin zufrieden mit allen Stationen und wie es sich ergeben hat. Alles passiert aus einem Grund. Ich habe mich auch früher nicht wirklich als reif genug erachtet. Und es liegt auch einfach an Kitschkrieg, an diesem ganzen Team. Da hat sich was gefunden, das funktioniert. Das kannst du nicht erzwingen, das war ein Glückstreffer und auch bedingt durch eine lange Suche und viel Erfahrung. Alles cool, lieber jetzt als zu früh. Oder gar nicht.
Du hattest auch coole Nebenjobs, zum Beispiel hast du in dem Plattenladen gearbeitet, den der Papa der Kraftklubjungs hatte. Könntest du dir sowas nochmal vorstellen, als Plan B?
Die Plattenläden, wie man sie kennt, verschwinden ja alle. Insofern ist das keine Option. Ist eher so ein Running-Gag, dass ich einen leeren Laden sehe und sage, dass ich da einen Dub-Reggae-Store mache. Aber nur Dub, nur Instrumentalversions. Was ich mir vorstellen könnte ist, aufzulegen, da hab ich immer noch Bock drauf und mache ja auch ganz viele Spotifylisten.
Sind deine Spotifylisten öffentlich?
Ja, klar. Auf dem Trettmann Künstlerprofil - lohnt sich! (lacht) Jetzt habe ich eine neue Liste, „Afrika Favs“ habe ich die genannt. Ich habe auch Übersee und UK in einer Liste, oder auch ne Dancehall-Liste, die richtig aktuell ist. Dann so’n bisschen Funk und Soul … da ist einiges dabei.
Du bist auch auf dem aktuellen Nummer-1-Album in den deutschen Charts zu hören: "Wolke 7" von GZUZ, der Song heißt „Mit den Echten“. Ist das so ne Art Geschwistertrack mit „Knöcheltief“ von deinem Album? Da kommt ja auch die Zeile „nur mit den Echten“ vor...
Ja, das war ne Kitschkrieg-Idee, die hatten einen Beat gebaut mit diesem Sample. Und dann war klar: GZUZ und ich müssen da nochmal zusammen ran. Das war auch cool, ist ein schöner Track! Big Up, GZUZ!
Ist GZUZ ein richtiger Freund?
Er ist jetzt vielleicht nicht DER Freund. Ich glaube, man hat im Leben zwei, drei Freunde, die für immer bleiben und alles für einen tun. Aber GZUZ ist ein guter Freund geworden! Ich freue mich immer ihn zu sehen, mit ihm zu kommunizieren und mit ihm Musik zu machen. Er ist ein Guter!
Gzuz hat mit diesem Album so ne kleine Debatte losgetreten über Frauenverachtung und Gewalt im Deutschrap – verfolgst du das?
Es ist eine Facette von HipHop und ich mag die. Man darf halt nie vergessen, wo die Leute herkommen. Fake wäre es ja, wenn er einen auf Gutbürger machen würde. Ich fand es sehr interessant, mit ihm Kollabos zu machen, weil wir so unterschiedlich sind. Wir haben eine ganz andere Herkunft und ich bin älter. Deshalb kann ich nur sagen: gebt den Leuten noch ein bisschen Zeit. Ich hab schon die härtesten Rude Boys gesehen, die sich irgendwann Dreadlocks machen und von Liebe singen. Das macht GZUZ ja auch – also von Liebe singen. Aber nichtsdestotrotz kann ich sicher nicht hinter jeder Zeile von ihm stehen.
Aber findest du es gut, wenn es da so Diskussionen gibt? Oder denkst du, die Leute, die sich in dem Genre nicht auskennen, sollen lieber mal die Klappe halten?
Ne, ich finde jeder kann seine Meinung äußern. Aber wenn jetzt der sächsische Ministerpräsident Kraftklub disst … ich meine, die stufen ja sogar Die Toten Hosen als linksextrem ein. Im Grunde ist das ja sogar gut, weil da auffällt, wie peinlich und dumm manche Leute sind. Insofern: ja, macht die Schnauze auf und zeigt, wie blöd ihr seid. Es gibt kein Redeverbot.