Vom Kinderfoto zur Königspose Vier beliebte Blaupausen für Rap-Alben-Cover
Alben-Cover sind Kunst. Doch es gibt einige Blaupausen, die sich auffällig oft wiederholen. Wir haben die vier häufigsten im Rap-Game ausgemacht – und darüber auch mit dem Haus und Hof-Designer von Deichkind gesprochen.
Auch in Zeiten von Musikstreaming ist das Album-Cover immer noch extrem wichtig. Denn wenn der nächste Track nur einen Klick entfernt ist, muss sich ein Cover sofort ins Gedächtnis brennen, um hängen zu bleiben. Das stellt Cover-Designer vor neue Herausforderungen: "Die Frage heute ist: Ist das auf zwei mal zwei Zentimeter erkennbar?", sagt Björn Beneditz, Cover-und Bühnendesigner von Deichkind. Die einfachste Variante dafür sei die Methode der "Ikonografie": Ein zentrales Foto des Acts vor einem Hintergrund, der links und rechts verschwimmt. Ein so simples Cover erkennt man auch auf dem kleinen Handy-Bildschirm noch gut. Neben dem absoluten No Brainer gibt es aber auch noch andere Designs, die man immer wieder in Abwandlungen im HipHop findet. Das sind die vier beliebtesten Blaupausen:
I. Kindheitserinnerungen
Eines der beliebtesten Albencover im Rap-Game ist das Kinderfoto. Warum? Weil hier der maximale Kontrast zum Jetzt erzielt wird: heute Straßenleben, früher Mamas Liebling. Je härter das Image des Rappers oder der Rapperin, umso besser funktioniert der Stilbruch. Außerdem gewähren die Rapper*innen damit einen besonders intimen Einblick in ihr Leben. Kinderfotos wirken authentisch, weil sie noch ohne PR-Berater*in aufgenommen wurden und zeigen, wo man herkommt und wer man vor dem Durchbruch war.
Fatoni hat zum Beispiel ein Kinderfoto im Clownskostüm auf sein Cover zu "Im Modus" gepackt, ein richtig süßes Schmollmundfoto vom kleinen Chefket ziert das Cover von "Guter Tag" und Afrob trägt auf dem Cover zu "Abschied von Gestern" einen Strampler mit Kirschen drauf. Auch Tarek von K.I.Z. hat für sein Solo-Debüt "Golem" eine Kindheitserinnerung ausgewählt: Der junge Tarek blickt darauf grimmig, aber entschlossen in die Kamera – was ja auch zu den Themen des Albums passt.
Der Beginn dieser Entwicklung geht übrigens bis in die 90er-Jahre zurück. 1994 entschied sich der New Yorker Rapper Nas für ein Kinderfoto auf seinem Debüt-Album "Illmatic". Nas wollte damals explizit zum Ausdruck bringen, dass er nur ein kleiner Junge wie jeder andere war, der im harten Queensbridge Ghetto groß geworden ist. Heute gilt "Illmatic" als eines der besten HipHop-Alben aller Zeiten – nicht zuletzt auch wegen seines einprägsamen Covers, das seitdem als Blaupause für viele andere dient.
II. Minimalismus
Einfarbiger Hintergrund, einprägsamer Schriftzug, gerne in Krakelschrift – fertig ist das minimalistische Cover. Letztes Jahr gab es etliche Artists, die mit dieser Ästhetik gepunktet haben. Zum Beispiel das Cover von Deichkinds "Wer Sagt Denn Das", entworfen von Björn Beneditz.
Dabei war der Prozess damals gar nicht so leicht, wie das zweifarbige Cover vermuten lässt. "Ich hab bestimmt um die 500 bis 800 Entwürfe gemacht", sagt Beneditz. Letztendlich hätte er sich mit Deichkind dann aber auf den simplen weißen Hintergrund mit der krakeligen Aufschrift "Wer sagt denn das" einigen können.
"Wir leben in einer überfluteten Bilderwelt. Da war der Reiz da, sich wieder zurückzunehmen."
Designer Björn Beneditz
Ähnliche Trends lassen sich auch bei anderen Acts beobachten: Das Cover des Debüts-Albums von Felix Kummer sieht zum Beispiel so aus, als hätte ein Fünftklässler das Wort "Kiox" auf eine blaue Tapete geschrieben.
Unglaublich banal, aber auch total eingängig. Auch Platten aus dem englischsprachigen Raum haben sich im letzten Jahr verstärkt an so einer simplen Ästhetik bedient: Das Albumcover von Futures "Save Me" zum Beispiel zeigt eine schwarze Unterlage, auf der ein bisschen rumgekritzelt und collagenartig was draufgeklebt wurde.
Der Sinn dahinter: Nicht nur kann ein minimalistisches Cover in Zeiten der permanenten Reizüberflutung eine willkommene Abwechslung sein, auch hat das Ganze den berühmten DIY-Charakter, der zu einer Art Gütesiegel geworden ist.
III. Kniet nieder!
Im HipHop ging es schon immer darum, wer der King, die Queen oder im Optimalfall auch der God of Rap ist. Das schlägt sich in den Lyrics nieder, aber auch in den Plattencovern: Reihenweise Artists hocken auf einem Thron oder setzen sich wenigstens eine Krone aufs Haupt. Bei durchtrainiertem Körper gerne auch weniger bis kaum bekleidet. Nicki Minaj zum Beispiel mimt auf ihrem Cover zu "Queen" die moderne Kleopatra.
Ein bisschen subtiler verarbeitet Stormzy die Königs-Idee auf "Heavy Is The Head". Die Krone ist nur angedeutet und besteht aus den Anfangsbuchstaben des Albumtitels, sein Blick senkt sich unter der Last der Verantwortung nach unten auf die kugelsichere Weste mit UK-Flagge.
Stormzy zeigt mit seinen Texten, dass er es in der Grime-Welt zwar ganz nach oben geschafft hat, aber irgendwie auch nicht weiß, wie er mit dem ganzen Erfolg umgehen soll. Und so stellt er sich dann eben auch auf dem Cover dar.
Weniger bedacht wirkt da zum Beispiel Kollegah, der seine Alben "King" oder "Imperator" nennt und auf "Alphagene 2" mit großem Hund auf einem Kanada-Thron chillt. Viel Protz, wenig Bescheidenheit. Noch krasser wird’s bei SSIO, der sich auf dem Cover von "MESSIOS" als Jesus-Figur inszeniert. Schwer zu sagen, wo da die Ironie aufhört und der Gottkomplex anfängt.
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👑 21 May 1972 ~ The Birth Date of a King ~ Notorious B.I.G 👑 #R.I.P #46
Die wohl bekannteste Vorlage lieferte sicherlich Notorious B.I.G. mit seinem ikonischen Foto mit Krone. Zwar kein Albumcover an sich, aber trotzdem Inspiration für viele. Und sehr wahrscheinlich auch der Grund, warum Loredanas Krone auf ihrem Albumcover zu "King LORI" schief hängt.
IV. Rolle mit meim Besten
Klar, die meisten Rapper*innen legen großen Wert auf ihr Auto. Bei vielen gilt das Motto: Scheiß auf den CO2-Ausstoß – je dicker, desto besser! Capital Bra zum Beispiel gibt sich auf dem Cover von "Berlin lebt" lässig mit rotem Sportwagen. Was für eine sichere Bank das Auto-Cover ist, zeigt auch die Story um Flers neues Albumcover. Denn der ursprüngliche Plan des Rappers war es, mit einem 12.000 Euro teuren Unterwassershooting das teuerste Deutschrapcover aller Zeiten zu schießen. Am Ende entschied er sich aber doch gegen ein Unterwasserfoto und für ein Bild im Sportwagen.
Auch im englischsprachigen Bereich sind Autos auf HipHop-Covern Standard – sowohl in älteren Releases wie in neueren. Einige Beispiele: Snoop Doggs "Ego Trippin", Tupacs "Still I Rise", Denzel Currys "ZUU" oder "You're Gonna Get Yours" von Public Enemy.
Bei den Auto-Covern sind übrigens alle Preisklassen vertreten. Ob Familien-Minivan wie auf "Good Kid, m.a.a.d. City" von Kendrick Lamar, nicer Retro-Schlitten wie bei Macklemores "Gemini" oder eben klassischer fetter Luxusneuwagen wie bei Fler auf "Flizzy".
Aber selbst wenn am Ende "nur" ein Auto-Bild oder eine Neuinterpretation der anderen Schablonen dabei rausspringt, der Coverfindungsprozess ist nicht zu unterschätzen. Das sagt auch Deichkind-Designer Björn Beneditz: "Das ist schon eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, weil da sehr viele Interessen aufeinander kommen", erzählt er. Das auf ein Bild, wohlmöglich noch auf zwei mal zwei Zentimeter, zu packen, sei "irre". Kein Wunder also, dass so gerne auf Bewährtes zurückgegriffen wird.
Sendung: PULS am 06.02.2020 – ab 19.00 Uhr