Internet-Phänomen Seth Vangeldren Warum ein Zwölfjähriger tausende Dollar für seine Tanzvideos bekommt
Der zwölfjährige Seth Vangeldren dreht kurze Tanzvideos zu harten Rap-Songs und kassiert dafür tausende Dollar. Mittlerweile ist der Tanzbär nicht nur im Netz, sondern teils auch auf Bühnen zu sehen - und der Rubel rollt.
Seth Vangeldren hat allen Grund, ein Freudentänzchen aufzuführen: Im Alter von gerade einmal zwölf Jahren erleichtert der Junge aus Port Orange, Florida regelmäßig Rapper und deren Labels um Tausende von Dollars – im Gegenzug tanzt er zu ihren Songs und filmt sich dabei. 20 bis 30 Sekunden lang, eine Einstellung, keine Schnitte, zuhause vor der elterlichen Wanddeko. Dance as if no one is watching. Produktionskosten: null. Aufwand: überschaubar.
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0fficial_.seth
@trillakid777 🔥🔥LOOKIN SO SADDD
Warum die Rapper und ihre Labels dafür so astronomische Honorare zahlen? Nun, Seth Vangeldren verfügt über drei schlagkräftige Argumente bei der Preisverhandlung:
1. Er tanzt wie ein überdrehter Viertklässler nach zuviel Schwip Schwap auf dem Kindergeburtstag: chaotisch und einigermaßen unkoordiniert – aber mit ansteckender Hingabe und liebenswertem Enthusiasmus. (Stichwort: Dance as if no one is watching.)
2. Seth Vangeldren ist rein optisch weiter weg von Rap als Florida von Pforzheim. Seth ist ein kleiner, pummeliger, rothaariger Junge mit Stupsnase. Was es natürlich ganz besonders drollig macht, wenn er seine fantasievollen Schwip-Schwap-Choreographien zu übersteuerten Trap-Songs darbietet, die von Schusswaffengebrauch, harten Drogengeschäften und explizitem Sex handeln.
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0fficial_.seth
@uber @zaehd
3. Seth Vandergren hat knapp 700.000 Follower auf Instagram. Wenn er also tanzt, als würde niemand zuschauen, schauen ihm dabei eigentlich mehrere hunderttausende Menschen zu. Und - logisch - hören gleichzeitig auch den Song, zu dem er tanzt.
Dance-Memes sind die neuen Hitmacher
Und da wird es dann natürlich für die Rapper und ihre Labels interessant. Wer heutzutage einen Song bekannt machen möchte, muss nämlich nicht unbedingt ein aufwendiges Musikvideo drehen oder sich um Radio-Airplay und eine prominente Platzierung in den Playlisten der großen Streaminganbieter bemühen. Man muss es auch nicht in den Soundtrack eines Films, einer Serie, eines Videogames oder in die Werbekampagne eines Mobilfunkanbieters schaffen. Es reicht, wenn man es hinkriegt, den Song in ein virales Meme zu verwandeln.
Als besonders hilfreich erweisen sich dabei aktuell Instagram oder Lip-Sync-Apps wie TikTok, Dubsmash oder Triller, bei denen die User zu kurzen Songschnipseln Playback-Videos aufnehmen und sie dann teilen. Davor waren es Snapchat oder Vine. Die Plattformen wechseln, das Prinzip bleibt das gleiche: Vom kurzen WTF-Moment zum Inside-Joke zum Massenphänomen - durch die Kraft der Community.
Letztes Jahr wurde der Song "Mia Khalifa" des Duos iLOVEFRiDAY zum Hit, als die TikTok-Userin nyannyancosplay zu einem 15-sekündigen Ausschnitt des Stücks in Anime-Kostümierung performte. Der Clip sammelte mehrere zehntausend Likes und inspirierte eine Flut an Nachahmern. Aktuell gibt es über 1,3 Millionen TikTok-Videos zu "Mia Khalifa".
Der bis dato relativ unbekannte Rapper CalBoy aus Chicago konnte wiederum im vergangenen Februar mit seiner Single "Envy Me" aus dem Nichts die Billboard-Charts entern, nachdem die Dubsmash-Userin Nayah ein kurzes Tanzvideo zum Song aufnahm und unter ihren 650.000 Instagram-Followern die #NayahXTweaking Challenge startete.
Viel Promo für wenig Geld
Überhaupt – Dance Challenges! Die "In My Feelings"- Challenge katapultierte den gleichnamigen Track von Drake auf Platz 1 der Billboard-Charts - einfach nur dank der Millionen User, die sich dabei filmen ließen, wie sie aus fahrenden Autos sprangen, um die mittlerweile ikonischen Zeilen "Keke, do you love me, Are you riding (u.s.w., u.s.f.)" zu performen. Kein klassisches Musikvideo, keine klassische Promotion, nichts! Gut, möglicherweise ging ein dicker Scheck an den Instagram-Influencer Schiggy, der den ganzen Hype startete, aber hey, unterm Strich ausgezeichnet investiertes Geld.
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theshiggyshow
#Mood : KEKE Do You Love Me ? 😂😂😂 @champagnepapi #DoTheShiggy #InMyFeelings
Auf einen ähnlichen Effekt hoffen natürlich auch die Rapper, die dem zwölfjährigen Seth Vangeldren Geld geben, damit er Videos zu ihren Songs produziert. Dessen Weg zum HipHop-Tanzbär startete 2017, als er während eines Schulbasketballspiels in der Halbzeitpause bei "Bad and Boujee" zu tanzen begann - was die übrigen Anwesenden dazu brachte, das Smartphone zu zücken und den kuriosen Vorgang für den Rest der Welt festzuhalten: "Hey, da tanzt ein kleiner, dicker, weißer Junge zu Migos!"
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10-year-old dancing phenom Seth Vangeldren shows his moves at Spruce Creek's basketball game with At
Vom Tanzbären zum Influencer mit Management
Diesen ersten Aufmerksamkeits-Boost verwandelte Vangeldren durch stetigen Videonachschub auf Instagram, Tiktok, Dubsmash und Triller in eine Followerschaft im sechsstelligen Bereich. Und mittlerweile hat er auch ein Management, das - laut einem Interview im Rolling Stone - mit Majorlabels über Marketingverträge verhandelt, die Vergütungen ebenfalls im sechsstelligen Bereich vorsehen. Und Rapper wie Rich The Kid holen Vangeldren bei einem Festivalauftritt vor tausenden johlenden Menschen auf die Bühne.
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RICH THE KID BRINGS OUT SETH AT A SPLASHING CONCERT
Sein Management bezeichnet Seth Vangeldren gerne als Promoter oder Influencer - man könnte allerdings auch sagen, er ist ein minderjähriger Meme-Dienstleister. Oder besser: ein dienstleistendes Meme. Es bleibt zu hoffen, dass sein Management ihn nicht über den Tisch zieht, seine Eltern das viele Geld vernünftig anlegen und er selber psychisch einigermaßen unbeschadet aus der Sache rauskommt. Dann wäre auch Zeit für ein Freudentänzchen.
Sendung: PULS am 02.04.2019 - ab 15.00 Uhr