Troye Sivan Endlich explizit queerer Mainstream-Pop

Mit dem Film "Boy Erased - Der verlorene Sohn" wird Troye Sivan bei uns als Schauspieler bekannter. Als Musiker ist er schon blendender Posterboy für LGBTQI-Themen - und ist die Art von Vorbild, das es viel zu selten gibt.

Von: Katja Engelhardt

Stand: 04.02.2019 | Archiv

Pressebild von Troye Sivan 2018 | Bild: Heidi Slimane

Der Song "Bloom" von Troye Sivan fängt so harmlos an. Troye will jemandem "seinen Garten“ zeigen. Na klaro. Aber dann zündet der große Pop-Refrain mit der Zeile "I bloom just for you" - "Ich blühe nur für dich". Erblühen kann eine Menge bedeuten, etwa reifer werden, verliebt sein, aus sich herauskommen. Wie Troye Sivan aber schon selbst verraten hat: Es geht vor allem um eins: Analsex. Und mit "erblühen" meint er das physische "Sich-Öffnen", das dazu notwendig ist, wenn man die empfangende Person ist. Man denke an: Rosette und Blüte.

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Troye Sivan - Bloom | Bild: TroyeSivanVEVO (via YouTube)

Troye Sivan - Bloom

Weil "Bloom" mit viel Popdrama und Melodie ummantelt ist, checkt man nicht so schnell, dass es um Analsex geht. Was natürlich gewollt ist: Es ist nicht nur tausendmal romantischer, als wenn Eminem in "Fast Lane" Nicki Minaj mit einem fröhlichen "I want to stick my penis in your anus" anhaut, sondern erhöht auch die Chance, dass Troye Sivans Songs im Mainstream-Radio gespielt werden. Dort laufen zwar auch andere offen homosexuelle Künstler wie zum Beispiel George Michael und Elton John, der Unterschied ist aber: Die Liebeslieder der beiden drehen sich um Frauen.

Männer lieben, Männer besingen

Troye Sivan ist da ein bisschen mutiger. Er verleugnet seine Homosexualität nicht in seinen Songs, sondern streut sehr gezielt immer wieder männliche Pronomen in seine Texte ein. Auf seinem Album "Bloom" singt er über ältere Männer ("Seventeen"), seine glückliche Beziehung ("Lucky Strike") und lässt uns wirklich nie daran zweifeln, dass er auf Männer steht. Den Song "Animal" nennt er sogar selbst eine Ode "to the boy I love".

Klar, Troye Sivan profitiert vom Zeitgeist. Unsere Popkultur wird immer offener. Kaum eine neue Serie kommt ohne queeren Charakter aus. Und sogar Popstar Taylor Swift, die sich vorher nie zur LGBTQI-Community geäußert hatte, zeigt mittlerweile Regenbogenflagge und holt Troye Sivan während ihrer "Reputation"-Tour auf die Bühne.

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Taylor Swift & Troye Sivan - My My My! (Live) [Full] | Bild: Cabrit (via YouTube)

Taylor Swift & Troye Sivan - My My My! (Live) [Full]

Der beste Popstar, der dem Mainstream passieren konnte

Das alles schmälert aber nicht die Wichtigkeit von Troye Sivan als queerer Posterboy. Wie gesagt - auch andere Künstler der LGBTQI-Community singen darüber, wen sie lieben. Die finden aber in der Regel nicht im Mainstream statt. Troye Sivan weiß um seine Vorbildfunktion und will auch für andere mutig sein. Denn einerseits ist ein Coming Out für viele immer noch eine Hürde, andererseits ist es auch für den heute 23-Jährigen merkwürdig gewesen, überhaupt offiziell so ein Coming Out haben zu müssen. Das zumindest sagte er 2013 in einem YouTube-Video, denn - ja - Troye Sivan war als Teenie schon YouTube-Star.

Auch als Schauspieler verfolgt Troye Sivan seine Agenda. Im Drama "Boy Erased - Der verlorene Sohn" spielt Sivan eine Nebenrolle, es geht darin um junge Homosexuelle, die von ihren Angehörigen in ein Programm gezwungen werden, das sie von der gleichgeschlechtlichen Liebe "heilen" soll. Die Botschaft von "Boy Erased" ist unter anderem, dass es sehr schwierig sein kann, sich selbst zu akzeptieren - wenn alle anderen finden, man wäre nicht richtig, so wie man ist. Um dieses sehr tiefgehende Problem dreht sich auch immer wieder seine Musik.

Troye Sivan will nicht schockieren. Er tut einfach nur das, was komischerweise oft viel radikaler ist: Er ist ehrlich. Und beschreibt Sex aus der Sicht eines Mannes, der eben mit Männern Sex hat. Aber wenn die Texte intim sind, wenn er das Objekt seiner Begierde direkt ansingt und es um pure Gefühle geht, ist der Text so universell wie die Liebe selbst. Und so muss es doch sein. Oder nicht?

Sendung: Filter, 04.02.2019 - ab 15 Uhr.