YouTube-Phänomen "Lo-fi study beats" Was steckt hinter dem Lern-Soundtrack-Hype?
Immer mehr Youtube-Nutzer klicken auf Videos mit Titeln wie "Instrumental beats to study". Aber gibt es wirklich so viele Leute im Lernfieber, die zur Eigenmotivation gesangsbefreite Stücke hören? Wir gehen dem Hype auf den Grund.
Seit ein paar Monaten tauchen bei vielen musikbegeisterten YouTube-Usern immer wieder Videos und Live-Streams mit ähnlichen Titeln in den Empfehlungen auf. "Lo fi beats to chill to" oder "24/7 lo fi hiphop radio" heißen sie zum Beispiel. Die Bilder dazu bestehen fast immer aus Motiven oder Gifs im Anime-Style: Mädels, die am Schreibtisch hocken und vor sich hinstarren. Die Musik entspricht der Beschreibung: knisternde Snares, Hi-Hats, jazziges Klavier-Geklimper und hier und da mal eine Gitarre. Kein Gesang, keine Rap-Parts.
Beeindruckend ist - neben der tatsächlich sehr meditativen Wirkung dieser Musik - vor allem deren Beliebtheit: Es gibt unzählbar viele Channels zum selben Thema. Die Followerzahl reicht von ein paar hundert Leuten bis zu mehreren hunderttausend. Der YouTube-Kanal "ChilledCow" hat knapp eine Million Abonnenten, der Kanal "Chillhop Music" sogar fast anderthalb Millionen. Wer hätte gedacht, dass YouTube so voll von fleißigen Lernern ist?
Wie viele Zuschauer diese Kanäle wirklich dafür nutzten, um für Prüfungen zu büffeln, kann natürlich niemand sagen.
Fakt ist: Um die "Lo-fi study beats" hat sich eine enorme Community gebildet - die Chatfenster der Live-Videos sind hochaktiv, die Kommentare reichen von einfachen Statements wie "Ich mag den Song" bis zu super deepen Denkanstößen.
"Glaubt ihr, die Armen werden immer gegen die Reichen kämpfen? Ich meine, das ist ja schon seit Tausenden von Jahren so"
- YouTube-User soulblast10
Die Musik, die in den YouTube-Mixen läuft, kommt größtenteils von Soundcloud-Beatbastlern, die ihre Tracks bei den Betreibern der Kanäle einreichen. Es gibt mittlerweile auch ein Chillhop-Plattenlabel, das aus den Niederlanden heraus den Beatmakern die Möglichkeit gibt, ihre Musik offiziell zu veröffentlichen. Letztes Jahr gab es sogar eine erste eigene Party in Paris, bei der ein paar der "Lo-fi study beats"-Künstler auflegten.
Chillhop-A&R-Scout Simon Leidner (der auch unter dem Namen Philanthrope Beats bastelt) hofft, dass diese IRL-Aktionen erst der Anfang sind - und dass die Leute den Sound bald nicht nur nebenbei laufen lassen.
"Aus der Künstlerperspektive ist es immer erfreulich, wenn die Leute deine Musik aktiv hören, weil ich mir, wenn ich die Musik produziere, nicht denke 'Das könnte jemand gut im Hintergrund hören', sondern ich mache mir schon Gedanken, wo ich eine Hi-Hat rausnehmen oder einen Break einbauen kann. Vielleicht kann man das irgendwie auf das nächste Level bringen, sodass die Hörer sehen, was da alles dahintersteckt."
- Chillhop-Mitarbeiter Simon Leidner im PULS-Interview
Der Hype um die "Lo-fi study beats" passt gut zu der Art, wie Menschen heutzutage Musik hören. Es geht nicht mehr so krass darum, eigene Bands oder Songs für sich zu entdecken - Leute wollen etwas hören, das zu ihrer aktuellen Stimmung passt. Und egal ob die Leute die "Lo-fi study beats" tatsächlich zum lernen hören oder nicht - runterkommen muss jeder mal.
Sendung: Plattenbau vom 07.03.2018 - ab 19.00 Uhr