So klingt Pop 2048 Von Robotermusik, künstlicher Intelligenz und der Auferstehung 2Pacs
Der P0-35, die Spolom-Drum, das VR-Projekt "The Wave", Skygge oder Elvis als Hologram? Wir haben mit Zukunftsforschern gesprochen und Tech-Blogs durchwühlt: Das sind die Trends und Gadgets, die Popmusik in Zukunft prägen werden.
1. Der Pocket-Operator
Bald brauchen Schlafzimmer-Produzenten nicht mal mehr ein ganzes Schlafzimmer: Dieses kleine Gadget könnte elektronische Musik revolutionieren. Der Pocket-Operator ist Synthesizer, Sampler und Drum-Machine in einem - und das in der Größe eines Gameboys. Mit diesem Gerät kann jeder innerhalb von wenigen Übungsminuten eigene Tracks bauen ohne ein Studio zu mieten, Instrumente zu lernen oder mit Plattenfirmen zu arbeiten. Sequencer, Effekte, Sampler und Vocoder passen in jede Hosentasche und machen es in Zukunft für fast jeden möglich, seine eigenen Tracks zu produzieren. Pop 2048 könnte mit dem "Pocket Operator" demokratischer werden.
2. Das VR-Projekt "TheWave"
Ein Konzert der Lieblingsband vom anderen Ende der Welt sehen und sogar mittanzen? Bald kein Problem mehr: Mit dem VR-Projekt "TheWave" wird das Konzept von "Raum" überflüssig, geographische Distanz löst sich im Digitalen auf. "TheWave" bietet einen virtuellen Raum für Konzerte, indem User mit einer VR-Brille von ihrem Sofa aus teilnehmen können. Das von den großen Playern des Silicon Valley geförderte Start-Up um CEO Adam Arrigo baut für die wöchentlichen DJ-Sets virtuelle Konzerthallen, in denen der DJ selbst entscheiden kann, welche Ästhetik vorherrschen soll. "The Wave", die übrigens auch das Musik-Game "Rock Band" entwickelt haben, arbeiten an der Zukunft des klassischen Konzerts:
"Basically it's a virtual venue in the cloud where someone can go into this venue and DJ. The audience can be networked in from anywhere in the world and actually be virtually represented in this venue and interact with each other, dance and watch this concert. The goal is to bring people together but also create this new type of experience."
TheWave-CEO Adam Arrigo in einem Interview mit der VICE
3. Die Auferstehung 2Pacs
Gibt es ein Leben nach dem Tod? Die Popstars der Zukunft können über solche Fragen nur müde lächeln. Ob 2Pac beim Coachella, Elvis in "Blade Runner 2049" oder Michael Jackson bei den Billboard Music Awards - Hologramme toter Musiker könnten bald fester Bestandteil von Festival-Line-Ups werden. Je genauer und effektiver die Beamer und Projektoren werden, desto schöner die Auferstehung. Die Popmusik der Zukunft hat den Tod überwunden.
4. Der "Clone 101 Reality Player"
Techno-Visionär Jeff Mills hat etwas erfunden, das die Art, wie wir Musik in Zukunft wahrnehmen werden, verändert: den "Clone 101 Reality Player". Ein Ganzkörper-Anzug aus sehr dünnem, fließenden Material soll - ausgerüstet mit tausenden Sensoren - Musik am ganzen Körper spürbar machen. Jede Vibration, jeder Trommelschlag geht so von Kopf bis Fuß. Ironischerweise geplant "für das Jahr 2214" träumt Mills davon, durch den Anzug auch die Gedanken des Musikers auf sein Publikum übertragen zu können. Bisher exisitiert der "Clone 101" aber nur als Idee.
5. Wearables
In der Zukunft können auch Kleidungsstücke zu Instrumenten werden. Das funktioniert so: Computersysteme werden in die Kleidung integriert, mit Hilfe von Sensoren und Schnittstellen können die Programme des Systems mit der Umwelt interagieren. Ein Beispiel ist der "Remidi T8", ein Handschuh, mit dem man über die Bewegung der Finger Musikproduktionssoftware steuern kann. Man kann als Musiker also mit den eigenen Fingerbewegungen Sounds starten, wieder beenden, Filter einsetzen und Musik live erzeugen ohne irgendein Instrument auch nur zu berühren. Kurzum: Man dirigiert selbst ein Orchester und ist gleichzeitig die Besetzung. Das ist natürlich in tausend verschiedenen Formen und Ausprägungen möglich. Vielleicht können Socken bald singen oder Hüte rappen.
6. Herzfrequenz-Streaming
"Das Prinzip, wie wir in Zukunft Musik hören werden, ist Streaming", sagt Zukunftsforscherin Lena Papasabbas. Aber Streaming, wie wir es heute kennen, wird sich verändern. Auch wenn Playlisten von Spotify, iTunes oder Deezer heute unseren Musikgeschmack schon ganz gut treffen, werden die Algorithmen im Jahr 2048 noch weitaus präziser sein. Außerdem plant Spotify über Sensoren in den Smartphones, uns in der Zukunft Musik bereitzustellen, die zu unseren Aktivitäten passt. Der Streamingdienst versucht sich mehr als Begleiter, denn als Bibliothek für den User zu etablieren. Mit der Herzfrequenz und einem Bewegungssensor kann das Gerät erkennen, ob wir beispielsweise gerade joggen. Passend dazu schlägt die Playlist Musik vor, die im selben Tempo geschrieben ist. Gestreamte Musik und Herzschlag werden synchronisiert.
7. Global Pop
Neben technischen Neuerungen werden auch gesellschaftliche Umwälzungen die Musikindustrie verändern: Im Jahr 2048 ist Popmusik gloablisiert. Schwellenländer und aufstrebende Volkswirtschaften aller Kontinente werden die Unterhaltungsindustrie bestimmen und das westliche Monopol brechen. Den Beginn dieser Entwicklung kann man heute schon in Nigeria sehen. Der Musikmarkt des afrikanischen Staates ist einer der am schnellsten wachsenden der Welt. Das macht das Land Fela Kutis für die Industrie interessant. So entstehen Kollaborationen von amerikanischen Rappern und nigerianischen Künstlern - beide Seiten öffnen sich gegenseitig die Türen in einen neuen Markt, der "Imbib"-Afrobeat drängt in europäische Formatradios. Das führt dazu, dass sich Genres mischen. Die Popmusik 2048 wird Genres kennen, die heute noch nicht vorstellbar sind. Gerade westliche Popmusik und asiatische oder afrikanische Genres werden fusionieren.
8. Slow Raves / Downbeat
Eine der Entwicklungen der modernen Welt ist die Beschleunigung. Immer schnellerer Austausch von Daten und die Vernetzung von Räumen und Informationen erhöhen die Geschwindigkeit und Dichte von Ereignissen. "Slow Food", "Slow Architecture" und generell "Entschleunigung" sind die großen Gegenbewegungen im Turbo-Kapitalismus. Auch in der Popmusik entwickelt sich gerade ein Trend zur Verlangsamung, wie zum Beispiel das Comeback des 90ies-Electronica-Genres Downbeat zeigt - also sehr langsamer Rave und House, der nicht schneller als 100 BPM vor sich hin mäandert. Ort und Raum für diesen Zeitlupen-Techno sind "Slow Raves", die langsamer und ohne Strobo-Stakkato ablaufen. Ist die Zukunft der Popmusik vielleicht die Abkehr von 130-BPM-Geboller?
9. Hatsune Miku
In Japan singt Hatsune Miku in ausverkauften Stadien, wirbt für Toyota und Google und hat Millionen Fans. Dabei gibt es sie gar nicht wirklich - Hatsune Miku ist der erste virtuelle Popstar der Welt. Bei ihr kommt sogar der Gesang komplett aus dem Computer: Bevor sie nämlich ein Hologramm und ein Star wurde, war Hatsune Miku lediglich ein Vocal-Synthesizer-Preset. Im Jahr 2003 präsentierte die Firma Yamaha den Vocaloid: einen Software-Synthesizer, der menschlichen Gesang imitiert. Man füttert das Programm mit Text und Melodie und der PC singt einem das Ergebnis vor. Entwicklerstudios veröffentlichen in der Folge eigens modellierte Stimmen, die auf dem Vocaloid-Programm aufbauen. Die Firma Crypton Future Media hatte dann die Idee, die von ihnen entwickelte Stimme namens Hatsune Miku als blauhaariges Animemädchen zu bewerben. Einen Hit hatte Hatsune Miku übrigens bereits im Westen - allerdings inkognito, als Nyan Cat. Der hypnotisch gut gelaunte Gesang der fliegenden Regenbogen-Katze - das ist Hatsune Mikus Stimme.
10. Das erste K.I.-Album der Welt
Braucht ein Pophit in Zukunft überhaupt noch einen Menschen, der ihn schreibt? Unter dem Pseudonym "Skygge" hat der Franzose Benoit Carré zusammen mit der Künstlichen Intelligenz "Flow Machines" das erste Album produziert, das komplett von einer K.I. komponiert wurde. Entwickelt im Rahmen eines EU-Forschungsprojekts, warf das Computerprogramm "Hello World" Millionen von Sounds und Melodien aus, die Carré und sein Team zu 15 Songs angeordnet haben. Gefüttert mit französischem Chanson, stellt die K.I. Melodien und Pentatoniken bereit, die typisch für dieses Genre sind. Der Mensch hat hier nur noch die Aufgabe die Sounds und Ideen des Computers zu ordnen und zu kuratieren.
Sendung: Filter, 28.02.2018 - ab 15.00 Uhr