Pop-Exporte aus Albanien & dem Kosovo Darum wird der Kosovo R'n'B-Hotspot in Europa
Turbo-Folk trifft auf Balkanmusik, dazu ordentlich Dancehall, Arabesk und R'n'B - fertig ist Shqip-Pop, eins der schrägsten europäischen Musikphänomene derzeit. Wir sagen euch, warum R'n'B made in Kosovo gerade steil geht.
Ein aufwändig produziertes Video, blonde Frau im Mantel, R'n'B-Beat. Das könnte locker der neueste USA-Import aus Los Angeles sein - bis der Gesang einsetzt und man merkt: Englisch ist das nicht. Mit dem Song "BonBon" hat die kosovarische Sängerin Era Istrefi die internationalen Charts gestürmt. Ob Italien, Frankreich oder Australien - der komplett auf Albanisch gesungene Song "BonBon" erreichte immer die Top 10.
Shqip-Pop (shqip=Albanisch) ist der moderne Sound von Kosovaren und Albanern. Er ist absolut nicht das, was man sich unter Balkanmusik vorstellt - und er geht gerade steil. Manche der Interpreten verbuchen auf Streamingportalen locker über 30 Millionen Klicks. Künstler wie Istrefi oder auch Enca Samanta sind inzwischen international bekannt. Bedingt durch den besonderen kulturellen Hintergrund setzt sich die Musik vom Rest des Balkan-Pops komplett ab.
Mix aus Balkan, Orient und Tropical
Zu den Einflüssen, die den Sound so einzigartig machen, gehören nicht nur Rap und R'n'B - wegen der Nähe zum Mittelmeer ist oft auch ein gewisses Strandfeeling hörbar.
Die große Mehrheit in der Region ist muslimisch. Viele der Songs klingen deshalb wie türkische Arabesk-Musik, manchmal gar wie nordafrikanischer Rai. Hinzu kommen arabische Samples, die im Chorus verwendet werden.
Der Kosovo ist jung - und kulturell in Aufbruchsstimmung
Es ist kein Zufall, dass dieser neue Sound gerade in dieser Region so beliebt ist. Kosovo ist das Land mit der jüngsten Bevölkerung in Europa. Den Staat gibt es offiziell erst seit weniger als zehn Jahren, die Bevölkerung ist - trotz sozialer Probleme - in Aufbruchsstimmung. Über 70 Prozent der Jugendlichen sind arbeitslos. Das große Geld mit cooler Musik zu machen, ist für viele zum Traum schlechthin geworden. Ardian Bujupi, deutsch-kosovarischer Sänger und heute einer der Stars der Szene, erklärt den Hype: "R'n'B, HipHop und Dancehall hört im Kosovo jeder, egal wie alt." Bujupi ist auch vielen hierzulande bekannt: 2011 war er recht erfolgreich bei 'Deutschland sucht den Superstar' unterwegs.
Auf kultureller Ebene beschreibt Bujupi den Kosovo als Mini-Hollywood: "Jeder Zweite dort ist irgendwie im Business, egal ob als Sänger, Videoregisseurin oder Produzent. Fast alle dort wollen gerade was vom Popmusik-Kuchen." Indiz dafür ist auch die unglaubliche Produktivität der einheimischen Youtube-Channels, die in hoher Frequenz ein Hochglanzvideo nach dem anderen raushauen.
Durch diese Musikbegeisterung schaffen es immer mehr Künstler aus der Region, über die Landesgrenzen hinweg bekannt zu werden und ihren einmaligen Mix aus R'n'B und Dancehall, Balkan und Orient in die Welt zu tragen. Vielleicht kommt er euch auch in einer der nächsten Partynächte unter. Wer dann verstehen will, wozu er gerade tanzt, sollte einfach schon mal Albanisch pauken.