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Auf der Suche nach WU LYF Das Geheimnis im Pop 2.0

Immer wieder entdeckte on3-Reporterin Amy Zayed schräge Flyer auf Manchesters Straßen. Mal schwarz-weiß, mal in Farbe. Das Motto war immer dasselbe: "LYF for life!" Sie begab sich auf die Suche nach dem Hype schlechthin: WU LYF.

Von: Amy Zayed

Stand: 16.06.2011 | Archiv

An jeder Ecke, im Club ausgelegt, als Sticker auf der Straßenlaterne - überall in Manchester fand man 2010 diesen seltsame Sermon. Neugierig machte ich mich auf die Suche nach dem Ursprung dieser Plakate und Flyer. Ich fand eine Homepage, die mich erst unglaublich verwirrte. Da stand was von einer World Unite Lucifer Youth Foundation, abgekürzt WU LYF. Wenn nicht irgendwann zwischen den verschlüsselten Bildmitteilungen, Botschaften und schrägen philosophisch angehauchten Ergüssen, die irgendwo zwischen Dadaismus, Peter-Pan-Romantik und Metaljargon hin und herpendeln, die Worte "Gigs" oder "Music" aufgeploppt wären, ich hätte WU LYF für eine neue Sekte gehalten.

Sonst gab es nichts im Netz. Kein Video, keinen Eintrag in sozialen Netzwerken. Also wieder zurück auf die schräge Homepage. Für umgerechnet 17 Euro konnte ich dort etwas bestellen. "Etwas." Ich ließ mich drauf ein und wartete gespannt auf die Post. Ein paar Tage später fand ich in meinem Briefkasten in Köln ein Päckchen mit einer Vinyl-EP, einer weißen Stoff-Flagge mit dem WU LYF-Logo und einem Brief, der mir mitteilte, dass ich nun offizielles Mitglied der World Unite Lucifer Youth Foundation war. Die Flagge sei meine Mitgliedskarte, die ich auf jedem Konzert nur vorzeigen müsse, um ermäßigten oder freien Eintritt zu bekommen.

Ich freute mich über die EP. Denn irgendwie fand ich die mit viel Hall aufgenommene Musik samt dem krächzenden Gesang und den unverständlichen Texten ziemlich spannend, vergaß dann die ganze Angelegenheit aber schnell wieder. Bis mich obskure Botschaften erreichten. E-Mails mit verschlüsselten Codes und Passwörtern, die ich knacken musste, um herauszufinden, wo das nächste Konzert dieser ominösen Band stattfinden sollte. Wer waren diese WU LYF? Immer mehr Zeitungsartikel erschienen in britischen Musikmagazinen und vor allem wilde Gerüchte:

"Die sind immer maskiert."
"Die treten unter von Ratten bevölkerten Brücken auf."
"Eigentlich gibt es diese Band gar nicht."

Auf der EP stand Fourtwentythree Records. Ich forschte nach und fand heraus, dass diese Design- und Künstleragentur einem gewissen Warren Bramley gehört. Doch den bekam man weder am Telefon noch per E-Mail zu fassen. Ich hinterließ Nachrichten, die niemand beantwortete. Plötzlich wieder eine geheime Mitteilung. Eine E-Mail mit einem Passwort im Anhang, das ich auf einer Seite eingeben musste. Dann erschien ein Link, mit dem ich mir eine Nachricht runterladen konnte. "Du willst WU LYF erfahren, dann melde dich zurück!"

Auszüge der Mail-Konversation unserer Autorin mit WU LYF

FRAGE: "Wer genau ist WU LYF?"

ANTWORT: "WU LYF ist nicht jemand, sondern eine Lebenseinstellung! Erwecke das Kind in Dir, und Du verstehst. Erst wenn Du spielst, erkennst Du die Wahrheit. Du musst dich im Schmutz suhlen!"

FRAGE: "Kann ich die Band live sehen, denn es geht doch um eine Band, oder?"

ANTWORT: "Im Moment geht es um eine Band, unsere Musik bezeichnen wir als 'heavy pop'. Aber WU LYF kann alles sein, Kunst, Band, Philosophie! Komm zum Venue 'An Outlet' in Manchester, dann erfährst Du mehr!"

Ich bin gespannt und fast besessen von dieser Schnitzeljagd. Ich fühle mich tatsächlich wie ein spielendes Kind, das nach einem versteckten Schatz sucht und nicht aufgibt, bis es ihn gefunden hat. Ich buche einen Flug nach Manchester und stehe pünktlich zur Verabredung in einer vollen Bar mit Bühne, 'An Outlet'.

WU LYFs Brüder im Geiste: Joy Division und deren Nachfolger New Order wurden beide von Factory-Chef Tony Wilson entdeckt.

Ein netter rundlicher Mann Anfang 50 kommt lächelnd auf mich zu und stellt sich mir als Warren Bramley vor. Er ist Besitzer dieser Bar und Schüler des legendären Tony Wilson, seines Zeichens Chef des Labels Factory und Entdecker von Bands wie Joy Division, Happy Mondays und New Order. Seine Mission: Musik und Kunst zu einem popkulturellen Konzept vermengen. Punk als Lebenseinstellung, eine Lebensphilosophie im Pop. Jedes Poster, jede Platte, jedes Bild ein Unikat, entworfen von Mitgliedern des Kollektivs, das sich damals um Factory rankte.

Hier stand also jemand vor mir, der dieses Konzept im Zeitalter von sozialen Netzwerken, YouTube und illegalen Downloads weiterentwickeln wollte. "Mir geht's nicht um Ruhm", erklärt mir Warren Bramley bei einer Schorle. "Diese vier 19-jährigen Jungs sollen sich frei ausdrücken können. Die Philosophie und die Ideen sind von ihnen. Ich gebe ihnen nur die Möglichkeit, sich auszutoben." - "Kann ich die Jungs irgendwann mal sprechen?", frage ich, bevor ich die Bar verlasse. Bramley grinst verschmitzt: "Irgendwann vielleicht."


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