Megaloh im Interiew Der Perfektionist vom Dienst
Drei Jahre sind seit seinem letzten Album vergangen. Jetzt ist Rapper Megaloh aus Berlin zurück - mit einer neuen Platte. Wir haben mit ihm über seine nigerianischen Wurzeln, seine zwei Leben und über Rassismus gesprochen.
Megaloh ist ein deutscher Rapper, hat nirgerianische Wurzeln und heißt eigentlich Uchenna van Capelleveen. Er ist Musiker, Perfektionist und nebenher auch noch Lagerarbeiter. Wie sich das alles vereinbaren lässt, erzählt er uns im Interview.
PULS: Zu allererst: Alles Gute zum Geburtstag! Du hattest letzte Woche Geburtstag. Hast du schön gefeiert?
Megaloh: Geht so. Je älter man wird, desto weniger feier ich.
35, ne?
Das ist das Bergfest – ich werde damit aufgezogen. Ab jetzt geht’s nur noch bergab... Na gut, ich fühle mich wie 18.
Dein neues Album 'Regenmacher' ist da - das ist dein zweite große Album. Ich behaupte jetzt mal, dass bei diesem Album alles zusammenkommt, was dich ausmacht: Das Storytelling vom letzten Album, die Rapskills, die Reime und die Spielfreude von einem jungen, man sagt immer so gerne 'hungrigem' MC.
Voll, ich meinte ja vorhin schon, ich fühle mich wie 18 – und das hört man auch auf der Platte.
Kannst du ein bisschen was von dem Mix auf der Platte erzählen? Es wirkt so, als ob ihr alles reingepackt habt, was es eigentlich gerade so gibt. Ihr habt sehr viel Kühles, 808 Drumsound und Trap sind mit dabei und dann kommen da auf einmal total warme Sounds.
Das mögen wir eigentlich schon lange. Ghanaian Stallion macht meine Beats und ehrlich gesagt, hat dieses Zusammenspiel, dieses hybride Denken eigentlich ganz gut funktioniert. Und zwar dadurch, dass man so viele musikalische Einflüsse über das sampeln reinbekommen hat und dazu andere Sachen, als es dann mit dem Programmieren von Sounds losging. Das ist schon immer so eine Kombination aus Wärme von dem Sample und der Kühle von programmierten Sounds gewesen – von Funk-Einflüssen, Jazz, Soul, afrikanische Musik. HipHop macht gerade generell diese Entwicklung durch – die Sachen, die aus Altanta und Chicago kommen, sind gerade ein bisschen trendsetzend. Ich mag das halt auch im Club. Es ist nicht für jede Stimmung geeignet, aber natürlich spielt man dann auch gerne mit solchen Sachen und lässt so eine Neuerung nicht aus. Wenn das Sample warm ist und die Bläser echt eingespielt sind und im Kontrast dazu dann ein 808 Sound steht, kann das einen ganz guten Mix ergeben.
Deine letzte Platte 'Endlich unendlich' ist drei Jahre her. Drei Jahre ist in der Zeit, in der wir leben, lange.
Ich war mir dessen schon bewusst. Deshalb war meine Strategie über die Zeit viele Features zu machen. Ich bin jetzt nicht komplett in der Versenkung verschwunden, aber ich habe kein eigenes Projekt rausgebracht. Das liegt allein daran, dass ich einfach sehr perfektionistisch bin und das ganze Team, mit dem ich arbeite, leider auch. Und da haben wir uns einfach ziemlich viel Zeit gelassen, um das ganze so zu gestalten, dass alle damit zufrieden sind. Ich denke für's Texte schreiben alleine habe ich eineinhalb, zwei Jahre gebraucht und dann noch mal ein Jahr für das ausproduzieren, also Samples ersetzen und mit Bläsern und anderen Musikern im Studio arbeiten. Und dann diese ganzen Sachen zurechtschieben und in den Mix geben – das hat alles echt lange gedauert. Nach 'Endlich Unendlich' dachte ich: "Jetzt habe ich endlich die Chance. Die Leute wollen was sehen, dann muss ich was liefern." Das war der Anspruch.
Du bist schon lange dabei, warst lange im Untergrund. Immer hoch geschätzt von der Fachpresse, aber kommerziell war es nie ein ganz großes Ding - bis 'Endlich Unendlich'. Wie oft denkst du dir: "Jetzt bloß nichts falsch machen?"
Es ist weniger die Angst, einen falschen Schritt zu machen, als einfach zu gucken, dass die Schritte, die man macht, wirklich hundertprozentig durchdacht sind. Dass man da nichts dem Zufall überlässt. Am Ende kommt auch vieles zu einen zurück, zum Beispiel haben wir jetzt ins Album gefühlt alles reingesteckt und aus unserer Warte versucht, alles abzudecken. Aber am Ende des Tages kann man nie wissen, wie die Leute darauf reagieren. Und seitdem wir das Album vollendet haben ist schon so viel Gutes auf uns zurück gekommen – auch von den Medien und außerhalb vom HipHop. Hier bei PULS zu sein zum Beispiel. Das waren wir beim letzten Album noch nicht. Ich will damit sagen, dass man echt das Gefühl hat, dass die lange Arbeit langsam Früchte trägt und das ist echt ein gutes Gefühl.
Bei deinem Song 'Regenmacher' hat jemand unter das Youtube-Video geschrieben: „Der arbeitet Rap.“ Kannst du verstehen, was er damit meint?
Ja, ich versuche mich immer weiter zu verbessern. Ich arbeite auch an mir und versuche, mich nicht einfach auszuruhen. Ich habe einen sehr hohen Anspruch an mich und ich denke, dass man sich immer weiterentwickeln kann und ich hoffe, dass das in meinem Fall auch so sein wird.
Du hast zwei Leben: Tagsüber schleppst du Pakete und ansonsten machst du Musik. Ist das förderlich, dass es dieses zweite Leben auch gibt? Dieses harte Leben, bei dem du arbeiten und früh raus musst.
Mittlerweile würde ich eher sagen, dass es zeitraubend ist. Ich glaube, ich habe meine Lektion schon gelernt und die Erdung bekommen. Aber am Anfang war das so, dass mir das auch eine Tagestruktur gegeben hat. Bevor ich Verantwortung für eine Familie hatte, habe ich eigentlich von Tag zu Tag und von der Hand in den Mund gelebt. Und ich habe gelernt, mich nicht zu ernst zu nehmen. Man kann es in den falschen Hals kriegen, wenn man als Künstler auf der Bühne steht und einem viele Leute zujubeln. So nach dem Motto "Ich bin jetzt super besonders." Da ist so ein Job ganz gut, wenn man sofort knallhart zu spüren bekommt, dass man nur einer von Vielen ist. Jetzt würde mir das auf er Bühne auch nicht mehr zu Kopf steigen, aber am Anfang war das ganz gut, dass ich diese Transition bemerkt habe, dass endlich der Erfolg mit 'Endlich Unendlich' losging und dass ich noch den Job hatte. Es war gut, dass ich da so eine Art Gleichgewicht hatte.
Es könnte ein Rolle spielen, dass bei dir nicht eingetreten ist, was zum Bespiel Fatoni in seinem Song 'Benjamin Button' gesagt hat: Wenn Rapper so selbstgefällig werden, was passieren kann, wenn man über 30 ist und viel Erfolg hat und der Hunger weg ist.
Ich weiß nicht, ob es mit dem Alter zu tun hat, aber ich glaube generell, dass der Hunger eine große Rolle spielt. Da habe ich auch schon viele kommen und gehen sehen. Das ist auch schade. Ich hoffe, mir passiert das nicht und ich kann mir ehrlich gesagt auch an diesem Punkt nicht vorstellen, dass dieser Hunger irgendwie weggeht. Da würde ich sagen: "Jetzt erst Recht!" Und mit jeder Reaktion, die zurückkommt und je mehr das wächst und die Hörer mehr werden, desto mehr habe ich Bock.
Lass uns mal über ein großes Thema sprechen: Identität. Im Laufe deiner Karriere war deine Identität als nicht weiß, aber dann auch nicht richtig schwarz immer wieder ein Thema. Du hast das klischeehaft und überspitzt behandelt und dich darüber lustig gemacht, welche Vorurteile es in der Gesellschaft gibt. 2012 warst du in Nigeria, dem Heimatland deiner Mutter. Hat das was mit der Identität gemacht?
Auf jeden Fall! Ich war als Kind ganz oft da. Die erste Sprache, die ich sprechen konnte, war Pidgin-Englisch, das ist eine Abwandlung des Englischen, die in Westafrika gesprochen wird. Hier wurde ich dann komplett Deutsch sozialisiert und ich glaube, ich war mit 10 Jahren das letzte Mal in Nigeria. Ich bin dann nach 20 Jahren wieder in Nigeria gewesen, was halt krass war. Die Gerüche und die Geräusche, die ich da erlebt habe - Da hat sich irgendwie ein Kreis geschlossen. Das war wirklich ein Gefühl, als ob ich nach Hause gekommen wäre. Auch wenn manche Sachen ein Schock waren. Ich wurde von Typen mit Maschinengewehren abgeholt, die auf uns aufgepasst haben. In Nigeria herrscht einfach Chaos. Ich denke gerade, als ich das so erzähle, dass manche jetzt bestimmt sagen: "Ja, die Afrikaner sind einfach so wild und kommen nicht klar." Aber nein! Da sind westliche Firmen, die da das Land plündern, vor allem das Öl. Und das Land bewusst kurz zu halten. Insofern also bitte nicht zu schnell urteilen. Trotzdem war die Reise eine echt positive Erfahrung. Ich habe früher echt viel gehadert, warum ich anders aussehe und wo ich dazu gehöre, und das hat jetzt aufgehört.
Ist deswegen auch der afrikanische Einflusss auf 'Regenmacher' so stark?
Ja. Es war einfach mal an der Zeit dafür. Das ist einfach ein Teil von mir und der sollte auch in meiner Musik stattfinden.
In deiner Musik sagst du ja nicht, was die Politiker machen sollen, sondern wählst die Persepktive eines Geflüchteten.
Genau. Ich dachte, das könnte der einzige Weg sein, wie man Verständnis bekommen kann.
Erschreckt es dich eigentlich, welcher lupenreine Rassismus bei der ganzen Fluchtdebatte immer wieder rauskommt?
Ja, es erschreckt mich, aber letztendlich musste es passieren. Wenn ich vor fünf, sechs Jahren mit manchen Leuten über Rassismus in Deutschland geredet habe, da ist mir so eine Ablehnung entegegen geschlagen. Da haben alle gesagt, Deutschland habe kein Problem mit Rassismus. Ja, und dann wird man geprüft. Dann zeigen sich die Probleme. Deswegen finde ich es eigentlich gut, dass das jetzt ans Tageslicht kommt. Es kann nur eine Entwicklung geben, wenn das auch verarbeitet wird. Ich denke, jetzt ist es ganz wichtig, dass sich die Lager nicht spalten und keine Kommunikation mehr stattfindent. Im Gegenteil. Die "Gutmenschen" müssen auf die "Ich-bin-zwar-kein-Nazi-aber"-Menschen zugehen und umgekehrt. Nur Kommunikation und Diskurs, wenn man sich die Argumente an den Kopf schmeißt, kann das Ganze voran bringen und man muss eben Verständnis schaffen. Da muss man auch in die Geschichte zurückgehen, die Kolonialzeit zum Beispiel. Europa profitiert schon seit langer Zeit von der Armut und der fehlenden Stabilität auf der Welt und das müssen die Leute wissen, bevor sie sich ihr Urteil bilden. Ich beschäftige mich mehr mit Afrika. Und wer "Wirtschaftsflüchtling" abwertend sagt, der weiß offensichtlich nicht über die ZUsammenhänge Bescheid.