Ruhmeshalle // Lil' Kim – Hardcore Die sexuelle Emanzipation im HipHop
Seit den Achtzigern rappen Männer über Pussies und Ärsche. Als Lil' Kim Mitte der Neunziger im selben Ton über Männer spricht, sind viele schockiert. Denn nicht jeder versteht den Gedanken der Gleichberechtigung dahinter.
"I used to be scared of the dick, now I throw lips to the shit… Handle it, like a real bitch!"
Lil Kim - Big Momma Thang
Der erste Satz auf dem Album "Hard Core" ist unmissverständlich: Lil' Kim steht auf Schwänze. Dass männliche Rapper über ihre Liebe zu dicken Hintern und feuchten Pussys sprechen, ist schon seit den 80ern Standard - dass eine Frau mal völlig offen über ihre sexuellen Vorlieben spricht, ist 1996 eine Sensation. Vor Lil' Kim gaben sich weibliche Rap-Stars wie MC Lyte oder Yo-Yo als in Baggy-Klamotten eingepackte, jungenhafte Tomboys. Auf dem Album "Hard Core" gibt es allerhöchstens Toyboys: Lil' Kim gibt sich als glamouröse Diva, die Männer nur dann braucht, wenn es um ihr sexuelles Vergnügen geht:
"Make me cum quicker, rub between your belly like jelly R.Kelly you think. Babyface can pay da rent and cook me five meals, what the deal on that Prince cat, he be lookin kind of fruity but he can still eat the booty. Brian McKnights tight Joe is lookin' kinda slow and oh what about D'Angelo."
Lil Kim - Dreams
Angesehene Musiker wie D’Angelo, Prince, Babyface oder R. Kelly sind für Lil' Kim nichts mehr als Sex-Fantasien. Auf "Hard Core" geht es um sexuelle Emanzipation. Die Message: Ich bin eine Frau, die sagt, wo’s lang geht im Bett. Ich bin sexy - nicht weil ich muss, sondern weil ich Bock darauf habe. Und meine Diamanten, die hab ich mir selbst gekauft. Wenn du mit auf mein Hotelzimmer kommt, kannst du vielleicht auch welche habe.
Als Nymphomanin für die Selbstbestimmung
"Hard Core" wird bei seiner Veröffentlichung heftig diskutiert: Die christliche Community und viele Feministinnen stören sich an Lil' Kims nymphomanischem Auftreten. Andere feiern das Album als weiteren Schritt in der Emanzipations-Bewegung. An den Ladentheken schlägt das Album jedenfalls ein wie eine Bombe, es gibt Doppelplatin für zwei Millionen verkaufte Platten. Der Erfolg liegt jedoch nicht nur an Lil' Kims expliziten Texten und ihrem einnehmenden Flow. Neben Unterstützung von Rap-Giganten wie Jay-Z oder The Notorious B.I.G, sorgt auch einen besonders cleveren Coup für Aufsehen: Puff Daddy, der HipHop Producer der Stunde, bastelt nicht nur die Beats auf dem Album, sondern tritt bei "No Time" auch das erste Mal vors Mikrophon.
Das wirkliche Highlight des Albums ist aber der Female-Only Track "Ladies Night". Für das Musikvideo und den dazugehörigen Remix bringt Lil Kim alle weiblichen Ikonen des 90er-Jahre Hip Hops zusammen: Queen Latifah, Mary J. Blige, Left Eye, Angie Martinez, Da Brat und Missy Elliott. Sie zeigen, dass Zusammenhalt – und Erflog - auch unter Frauen möglich ist.
Auch wenn nach diesem glorreichen Frauenpower-Moment der gegenseitige weibliche Support im Rap eher Mangelware ist, hinterlässt Lil' Kims Debütalbum gravierende Spuren: Nach "Hard Core" wird es beinahe Standard, dass Rapperinnen in ihrer Musik völlig frei über ihre Sexualität sprechen - und damit für mehr Gendergerechtigkeit im HipHop sorgen.
Sendung: Filter, 24.11.2017 - ab 15.00 Uhr