Plattenkritik Schlachthofbronx - Dirty Dancing
BummBumm-Musik für die einen, ganz große Bass-Kunst für die anderen. Am zweiten Schlachthofbronx-Album "Dirty Dancing" werden sich die Geister scheiden. on3 hat es sich angehört und ist begeistert.
Zitternde Böden und wackelnde Wände, Hi-Hat-Gewitter und Donnerbass – welche Floskel wurde eigentlich noch nicht missbraucht, um den Sound von Schlachthofbronx zu umschreiben? Bass ist zwar das zentrale Element ihres Sounds, aber er ist bei Weitem nicht alles. Das Album "Dirty Dancing" macht klar, dass Bass alleine nämlich gar nichts ist – der Groove dagegen alles! Der Opener "Slowine" bollert mit einer markerschütternden Bassline los, die wird aber schnell durch einen knochentrockenen Beat ergänzt, hinter dem auch Kollege Pharrell Williams vom Produzenten-Kollektiv N.E.R.D. stecken könnte.
Langsam beginnt er also, der zweite Schlachthofbronx-Longplayer. Macht Sinn, schließlich heißt der Track ja auch "Slowine" – ein Begriff, den sich die beiden Münchner übrigens aus dem Dancehall-Kosmos geliehen haben. Dort gibt es im Club immer wieder Ansagen, wie man sich zum Sound bewegen soll: "Slowine" meint "Gaaaanz Langsam" – "Fastwine" dementsprechend "Abfahrt". Laut Schlachthofbronxler Jakob ist auf "Dirty Dancing" beides vertreten: "Tracks zum langsam dreckig Tanzen und welche zum schnell dreckig Tanzen."
Spielen mit den Schmuddelkindern
Dreck spielt eine große Rolle in den Tracks von Schlachthofbronx. Da wären zum einen die dreckig stampfenden Beats, wie in "Touch Your Toes" oder "One Hand" und zum anderen natürlich der dreckige Humor von Jakob und Bene. "That G-String Track" gibt zum Beispiel den Befehl sich auch das letzte Schnürchen vom Leib zu reißen und "besingt" außerdem noch "big fat titties". Sex ist neben Bass also die zweite Säule auf der "Dirty Dancing" thront. Egal, ob da Ghettotech-Legende DJ Assault in "Every Day Of The Week" vom "girl in da club with no panties on" erzählt oder Warrior Queen in "Dickie Riddim" stöhnt, als gäbe es kein Morgen und schon gar kein Halten mehr. Ärsche und Titten, G-Strings und ein Hauch von Nichts – ein durchaus handfestes Wertesystem, mit dem die Bronx hier hantiert. Wer aber Sexismus und Frauenverachtendes wittert, hat entweder noch nicht verstanden, worum es auf "Dirty Dancing" geht, oder ist politisch überkorrekt und völlig humorlos noch dazu.
Wer den Sound der Schlachthofbronx wirklich verstehen will, sollte die Hosen besser nicht mit der Kneifzange angezogen haben. Genau wie die Textfetzen wirkt nämlich auch die Musik der beiden Münchner amüsant bis völlig kirre. Selbstverständlich ohne dabei auch nur eine Millisekunde lang lächerlich und peinlich zu klingen. Oder wie Bene es auf den Punkt bringt: "Wir wollten ja nie als die bayerischen Spaß-Rave-Typen gelten und waren das auch nie. Ich persönlich finde aber, dass es nicht funktioniert, wenn man sich zu ernst nimmt. Warum soll ich im Club ernst sein?!" Berechtigte Frage, geht es auf der Tanzfläche doch meistens um die gleichen Dinge: Bass, Sex, laut, heiß und vielleicht noch ein bisschen mehr Bass.
Kunst = Können
Aber Witzigkeit hat bekanntlich auch ihre Grenzen. Bei Jakob und Bene hört der Spaß genau dann auf, wenn es um die technischen Details geht. Auf "Dirty Dancing" klingt nichts hingerotzt oder gar schlampig. Die Basslines sind satt, die Kickdrums haben Druck, die Hi-Hats grooven punktgenau – bei aller Liebe zur Feierei und zum Exzess steckt der Teufel doch im Detail. Schlachthofbronx sind eben echte Sound-Perfektionisten. Letztlich findet "Dirty Dancing" die perfekte Balance zwischen Schenkelklopfern und Ernsthaftigkeit, zwischen Kunst und Handwerk, zwischen fettem Haudrauf-Gebretter und eleganteren schlanken Beats. Mit den zwölf Tracks des Albums machen Schlachthofbronx am Ende so ziemlich alles richtig und festigen damit einmal mehr ihren Stand als zentrale Säule der deutschen Bass-Kultur.