Ruhmeshalle Gorillaz - Gorillaz
Vier rotzige Comic-Dudes, ein eingängiger Genremix und ein kleines Geheimnis. Auf die Gorillaz können sich im Jahr 2001 schnell alle einigen. Trotzdem rätselt die Popwelt zumindest kurz: Wer, bitteschön, sind diese Typen?
Es war ein Angriff. Eine Attacke. Und sie war gut geplant. Die Gorillaz sind ausgesandt worden, um der Popwelt zu zeigen, was eine Harke ist. Und: Sie hatten Erfolg damit. Mit ihrem ersten, selbstbetitelten Album sind die vier blassblauen Comic-Helden zu einem Phänomen, zu weltweiten Superstars geworden. Sehr zur Freude ihrer Schöpfer natürlich. "Wir haben viel MTV geguckt, diesen ganzen Fließbandquatsch", sagt Mastermind Damon Albarn in der Gorillaz-Dokumentation "Bananaz". "Und wir haben gedacht: Das können wir besser."
Von der Schnapsidee zum Erfolgskonzept
Gorillaz - Gorillaz (Cover)
Blur-Frontmann Albarn und sein WG-Kumpan, der Comiczeichner und "Tank Girl"-Erfinder Jamie Hewlett, sind Ende der 90er angeödet von der schnöden Chartsposse aus Boybands und Castingshow-Gewinnern. Wenn schon künstlich, dann aber richtig, sagen sie sich, und erwecken mit viel Liebe zum Detail die Gorillaz zum Leben, eine komplett virtuelle Band. Die vier Gorillaz-Charaktere tragen Namen wie 2D und Murdoc Niccals, sie sind umgeben von einem ganzen Comic-Universum, zu bestaunen in genreprägenden Videos und auf der Band-Homepage. Albarn flüstert ihnen einen Sound ein, den man so noch nicht gehört hat: Er mixt HipHop, Elektronik, Indie, Dub und Weltmusik zu unwiderstehlich entspanntem ganz, ganz großem Pop, der bald die Tanzflächen der ganzen Welt beschallt.
Unterwandern der Popwelt
Albarn und Hewlett ziehen die Sache durch und sich ganz hinter ihre Figuren zurück. Interviews mit den Gorillaz gibt es nur am Telefon - und "in character". Wer alles mitgewirkt hat auf "Gorillaz" (etwa Dan The Automator, Del Tha Funkee Homosapien und Tina Weymouth von den Talking Heads) erfährt man erst viel später. Die Gorillaz sind eben keine Allstarband à la SuperHeavy, die mit großen Namen protzt. Sie sind vielmehr ein Punkding: eine fixe Idee unter Freunden, viel subversive Energie, Fuchserei und Herzblut - und dann entsteht was richtig Großes. Weltweite Chartsplatzierung, ein Haufen Preise... die anarchistischen Gorillaz unterwandern tatsächlich die Popwelt, die sich, so Albarn, „viel zu ernst nimmt“ und werden auch kommerziell ein Riesenerfolg.
Konsequent und einzigartig
Zwar war das Konzept "Comic-Band" im Jahr 2000 nicht neu (man denke zum Beispiel an The Archies in den 60ern oder die Streifenhörnchen Alvin & The Chipmunks) und das "Gorillaz"-Geheimnis auch bald ein offenes, trotzdem ist das Gorillaz-Projekt in seinem radikalen Ansatz von Anfang an konsequent und einzigartig. Vom Charts-Spoof zum Grammy-Gewinner und zur wohl kommerziell erfolgreichsten Karriere post Britpop: Man kann sich vorstellen, wie diebisch sich die beiden WG-Buddys heute noch über ihren gelungenen Coup amüsieren.
"The End is Nigh"
Ende November kommt nun ein Best-Of in die Läden "The Singles Collection 2001-2011" und das könnte die letzte Veröffentlichung der Gorillaz sein: "The End Is Nigh!" hat zumindest Murdoc Niccals zum zehnjährigen Bandjubiläum kürzlich ein wenig kryptisch getwittert.
Wer tiefer in das Gorillaz-Universum eintauchen will, der sollte sich den Dokumentarfim "Bananaz" von 2009 anschauen. Über sieben Jahre hat Regisseur Carl Levy die Jamie Hewlett und Damon Albarn bei ihrer kreativen Arbeit an den Gorillaz beobachtet.