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Ruhmeshalle Beck - Odelay

1996 will Christina Wolf so gerne Teil ihrer Generation sein. Aber sie stellt fest: Die ganz große Verzweiflung steht ihr nicht. Beck Hansen befreit sie aus der Misere - mit seinem Album "Odelay". An dieser Stelle: ein Dankeschön.

Von: Christina Wolf

Stand: 02.09.2011 | Archiv

Der US-Musiker Beck zu Zeiten seines Hit-Albums "Mellow Gold" | Bild: Martyn Goodacre

Die Welt ist beschissen Mitte der 90er. Pubertäts-High Noon. Wir tragen geschlossen Schuluniform, zwei Nummern zu große Karohemden aus Flanell und kaputte Chucks. Ebenso Konsens: Wut und Weltschmerz und Kurt Cobain. Ich möchte ja Teil meiner Generation sein, ich versuch's ja, aber auch schon mit Zwölf merke ich: Die ganz große Verzweiflung steht mir nicht. Und dann bringt sich Cobain plötzlich um, und ein neuer Erlöser mit strähnigen Haaren taucht auf. Der findet die Welt zwar auch nicht schöner – aber er bepisst sich lieber drüber als dran kaputt zu gehen: Beck.

Auf dem Schulhof über Pearl Jam reden und daheim heimlich Mixtapes mit Dr. Alban hören: Mit "Loser" ist diese Heuchelei endlich vorbei. Zum ersten Mal kapier ich, was 'Indie' bedeutet. "Loser" ist bis heute Becks kommerziell erfolgreichste Singleauskopplung, und manch ein Dödel nennt ihn deswegen One-Hit-Wonder. Was für ein ausgemachter Blödsinn! 1996, zwei Jahre nach "Loser", veröffentlicht der ulkige Wichtel nämlich sein wichtigstes Album: "Odelay".

Die Zitatschleuder

Beck - Odelay (Cover)

Die erste Single "Where It's At" kriegt jede Menge Airplay. Es ist das erste Video, das beim neuen Indiesender MTV2 läuft – und sollte Pflichtlektüre an der Uni sein, wenn man die Postmoderne verstehen will: ironisch aus dem Zusammenhang gerissene Sprachsamples aus einem Teenie-Aufklärungshörspiel, von den Samplefuchs-Produzenten Dust Brothers zusammengewurschtelt mit unzähligen Zitatschnipseln. Gut, dass Beck nur die alleroffensichtlichsten Samples angibt, ein akribischer Quellennachweis des Albums würde selbst einer Doktorarbeit zur Ehre gereichen. Ein unbekümmerteres Zitieren hat die Welt noch nicht gesehen.

Der Proto-Slacker

"Odelay" ist ein beklopptes Sammelsurium, mit dem Beck schon 1996 seine einzigartige musikalische Bandbreite beweist, die sich in Zukunft noch zeigen wird: vom monoton sprech-gesungenen Hippiekram der frühen Tage über die höchst anzüglichen Prince-Anwandlungen auf der "Midnight Vultures" 1999 bis zur die ironiefreien Zerbrechlichkeit des Proto-Slackers auf "Sea Change" 2002.

Der Klugscheißer

"Odelay" ist das Album eines unfassbaren Klugscheißers. Beck Hansen weiß alles, über HipHop und Funk, über Jazz und Countryblues – und stopft dieses Wissen in poppige Dreiminüter, als ob's das Leichteste der Welt wär. Das macht er mit so viel Euphorie, dass er nie nervig-belehrend wirkt, sondern ansteckend.

Ohne Beck hätte ich mich damals in der Schule wohl irgendwann auf eine Seite schlagen müssen: Musikfaschist oder Totalbanause. Und dann wäre ich heute entweder "Spex"-Redakteur oder hätte schon drei Mal bei "DSDS" vorgesungen mit "I Kissed A Girl". So oder so - ich stehe tief in Beck Hansens Schuld.


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