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Ruhmeshalle New Order - Power, Corruption & Lies

New Order stehen für den Neuanfang: Nach dem Selbstmord des Joy-Division-Sängers Ian Curtis 1980 dauerte es zwei Alben und drei Jahre, bis die Nachfolgeband zu ihrer eigenen Sprache fand und damit den Pop revolutionierte.

Von: Philipp Laier

Stand: 21.07.2011 | Archiv

New Order | Bild: Warner Music Group

Sonnenaufgang, das letzte Bier in einem Garten aus Beton und eine wahnsinnig laute Anlage: Es ist ein denkbar kitschiger und trotzdem stimmiger Moment, in dem ich New Order zum ersten Mal wirklich verstehe. Zwischen elegant verschnörkelten Minimal-Techno schiebt sich plötzlich ihr Track "Your Silent Face". Als über dessen Beat plötzlich diese massive Synthie-Fläche dröhnt, habe ich schließlich fast wässrige Augen. Und spätestens als Bernard Sumners unterkühlter Gesang einsetzt, verstehe ich plötzlich, wie sich jemand gefühlt haben muss, der 1983 zum ersten Mal diese Musik hört.

Mysteriöse Soundmaschinchen

Der Sound von "Power, Corruption & Lies" ist noch stärker als zuvor schon bei New Order üblich von Synthesizern geprägt, diesen noch geheimnisvollen Soundmaschinchen. Gleichzeitig öffnet sich die Band aus Manchester vollends dem Pop. Mit den acht Songs ihres zweiten Albums legen die Vier den Grundstein für modernen Pop - Synthie-Pop, um genau zu sein. Nur dass heute kein Hahn mehr danach kräht, wenn bei Arcade Fire die Elektronik fiepst oder Cut Copy New Order zitieren. 1983 muss sich dieser Sound allerdings wahnsinnig revolutionär angehört haben! Auch für die Band selbst: "Power, Corruption & Lies" markiert genau den Punkt in der Geschichte von New Order, an dem die Band zum ersten Mal ihre eigene Sprache findet, an dem sie endgültig aus dem riesigen Schatten ihrer Vorgänger-Band Joy Division tritt.

Das ABC der Farben

New Order - Power, Corruption & Lies (Cover)

Für "Power, Corruption & Lies" gestaltet Peter Saville, der legendäre Grafik-Designer des Manchester-Labels Factory Records, ein Cover, auf dem weder Bandname noch Titel zu lesen sind. Auf der Rückseite der Platte gibt es allerdings einen Farbbaukasten, mit dem man sich beides selbst zusammensetzen kann. Diese Ästhetik prägt alle New-Order-Platten aus dieser Zeit und macht aus Singles und Album ein großes Ganzes, eine Art Sammlung. Deswegen gehört auch der größte New-Order-Hit, die Single "Blue Monday", die eigentlich gar nicht auf "Power, Corruption & Lies" zu finden ist, irgendwie doch dazu.

In "Power, Corruption & Lies" kann man also einiges sehen: den Grundstein für moderne Pop-Musik, das Monument einer Schaffensphase oder einfach nur ein fantastisch gutes Album. Mir stellen sich jedenfalls immer noch die Härchen am Arm auf, wenn sich "Power, Corruption & Lies" auf dem Plattenteller dreht. Ganz großer (Synthie-) Pop eben!


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