Mein Bandscheibenvorfall, meine Eltern und ich "Bist du mein Sohn, oder habe ich dich zum Weichei erzogen?!“

Eltern drehen am Rad, wenn man krank ist. Meist sind es die Mütter, die in den Krankenschwestermodus schalten und Vätern fällt das mit dem Mitgefühl etwas schwer. Ist man endlich ausgezogen – geht’s auf Whatsapp weiter.

Von: Julian Hutter

Stand: 14.08.2017 | Archiv

Ich hätte es wissen müssen. Ich liebe meine Mutter. Sie hat nur leider die fast schon schizophrene Angst, dass mich jede Sekunde eine Killer-Grippe oder eine andere fiese Krankheit dahinraffen könnte. Früher war das ganz praktisch. Anstelle einer anstehenden Mathe-Klausur, hab ich den selbstgerührten Griesbrei und die wohltemperierte Wärmflasche nur zu gern angenommen – selbst wenn es damals noch kein Netflix gab. Kritisch wurde es nur, wenn Papa von der Arbeit heimkam. Der durchleuchtete mich sofort mit seinem Kennerblick und selbst, wenn die Grippe echt war, glaubte er, mich als Schwindler zu entlarven. Dann grinste er und sagte: "Das wird sich wohl nie ändern!"

Aber irgendwann wird man älter. Dann kann man seine Fake-Entschuldigungen selbst unterschreiben und wenn man wirklich krank ist, gehen einem sowohl die Übervorsorge der Mutter als auch die schlauen Kommentare des Vaters eher auf die Nerven. Zum Glück erledigt sich das Thema, wenn man aus dem Elternhaus auszieht. Denkt man. Stimmt aber nicht. Denn: Die Eltern haben Whatsapp.


Das "mal anrufen" dauerte über eine Stunde. Ich musste ihr alles haarklein erzählen und 80mal sagen, dass ich schon alleine durchkommen werden. Zehn Minuten später schreibt mir mein Vater:

Das Verhalten meiner Eltern wird sich wahrscheinlich nie ändern. Zumindest nicht so schnell. Vielleicht werden sie das irgendwann später einmal auf meine Kinder projizieren. Ich kann es mir schon genau vorstellen, wie mein noch nicht geborener Sohn bei seinem ersten Fußballspiel aufläuft und Oma und Opa vollen Stolzes am Rand stehen. Beim ersten noch so kleinen Foul wird meine Mutter aufs Spielfeld laufen und den Schiedsrichter beschimpfen – wie sie es auch schon zu meiner Zeit gemacht hat – während mein Papa voller Gelassenheit am Rand steht, lacht, den Kopf schüttelt und sagt: "Zu meiner Zeit hätte er da Schwalbe gepfiffen!“   

Sendung: Freundeskreis vom 14.08.2017 ab 10 Uhr