Die Stadt als Grower Baut die Stadt München bald Cannabis an?
Auf Rezept kriegt man als Patient zwar legal Cannabis, in den Apotheken ist es aber oft nicht lieferbar. In Deutschland gibt es immer noch keine Lizenzen für den Anbau. Mit einer Ausnahmeregel könnte sich das aber bald ändern.
Von: Marlene Mengue
Stand: 18.04.2018
| Archiv
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Christoph Neuroth hat ADHS. Was hilft: medizinisches Cannabis. Zwei bis drei Gramm braucht er davon am Tag. Um das zu bekommen, klappert er regelmäßig Apotheken ab. Oft weiß er nicht mal, ob er überhaupt was kaufen kann – und ohne medizinisches Cannabis kommen seine Symptome zurück: Er ist leichter reizbar, nervöser und kann sich nicht konzentrieren. "Viel schlimmer ist aber diese ständige Unsicherheit. Jeden Tag überlegst du dir: Wie lange reichen meine Medikamente noch, wo bekomm ich neue her und wie bezahl ich die“, sagt er.
Medizinisches Cannabis ist in Deutschland seit 2017 legal. Seitdem ist der Bedarf enorm gestiegen – die Apotheken kommen aber kaum hinterher mit der Versorgung. Denn es ist noch nicht erlaubt, medizinisches Cannabis in Deutschland anzubauen. "Die Ware beziehen wir wahlweise aus Kanada oder aus Holland“, erklärt der Apotheker Peter Sandmann, "insofern sind wir darauf angewiesen, was uns jeweils von den Ländern zur Verfügung gestellt wird.“
Der Anbau in Deutschland verzögert sich
Cannabis auf Rezept: Kiffer oder Patienten – wer bekommt ein Rezept?
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PULS Reportage | BR Fernsehen
Das soll natürlich nicht immer so bleiben. Das zuständige Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte, kurz BfArM, hatte deshalb ein Vergabeverfahren ausgeschrieben. Firmen konnten sich für eine Anbaulizenz bewerben. Geplant war, dass die Unternehmen schon 2019 Hanf in Deutschland anbauen – das verzögert sich jetzt aber. Micha Greif vom Deutschen Hanfverband (DHV) dauert das Verfahren zu lange: "Die eine Folge kann sein, dass Patienten andere Medikamente nehmen müssen, die teurer sind und krassere Nebenwirkungen haben. Die andere Folge kann sein, dass die Patienten sich auf dem Schwarzmarkt Cannabis besorgen oder selbst anbauen, womit sie sich dem Risiko aussetzen, dafür in den Knast zu gehen.“
München könnte Vorreiter bei medizinischem Cannabis sein
Micha Greif will, dass Kommunen das Problem lösen. Denn das Betäubungsmittelgesetz besagt: Eine Ausnahmegenehmigung für den Anbau "zu im öffentlichen Interesse liegenden Zwecken“ könnte im Grunde jeder beantragen. Greif glaubt: Wenn eine Landeshauptstadt wie München um so eine Genehmigung bittet, verleiht das dem Antrag mehr Gewicht als einer von Privatleuten. Seine Idee: Die Stadt München baut Cannabis an – streng kontrolliert, in einer Halle mit künstlichem Sonnenlicht – und verkauft es dann über Apotheken an die Patienten. Es wäre das erste Modell dieser Art in Deutschland.
Die Stadt München sagt noch nichts über den Antrag, weil er noch nicht beim zuständigen Referat angekommen ist. Stattdessen wird an das BfArM verwiesen. Dort sagt man, dass andere Städte schon um eine Ausnahmegenehmigung gebeten haben – diese Anträge sind gescheitert, weil es da vor allem um Cannabis als Genussmittel ging.
Jetzt liegt es an der Bürokratie und der Stadtpolitik
Micha Greif ist deshalb zuversichtlich, dass es in München klappen könnte. Und dass auch die Stadt was davon hätte: Mit Anbau und Verkauf könnte sie Gewinne machen, und: "Ich denke, dass es auch ein Imagegewinn ist für die Stadt München, dass deutlich wird, dass man hier beim Thema 'Cannabis als Medizin' durchaus Vorreiter sein kann.“
Für Patienten wie Christoph Neuroth würde das heißen: Keine Angst mehr haben, dass ihnen das medizinische Cannabis ausgeht. Jetzt hoffen er und der Hanfverband, dass die Stadt München bald über den Antrag entscheidet – und es nicht am Ende an der Bürokratie scheitert.