Conchita Wurst ist kein Einzelfall Warum HIV immer noch erpressbar macht
Früher war es ein Todesurteil, heute ist eine Ansteckung mit HIV gut behandelbar. Aber immer noch werden HIV-positive Menschen krass abgelehnt.
Sie hat es getan – und offenbar war es doch ein sehr heikler Schritt. Conchita Wurst hat sich geoutet: Sie ist nämlich HIV-positiv. Conchita Wurst heißt eigentlich Tom Neuwirth: Sie ist die Drag Queen aus Österreich, die 2014 den Eurovision Song Contest gewonnen hat. Und dass Conchita mit dem HIV-Virus lebt, war bisher ihr Geheimnis. Jetzt hat einer ihrer Exfreunde gedroht, sie öffentlich zu outen. Ihm ist sie jetzt zuvorgekommen.
Für Björn Beck, den Vorstand der Deutschen Aidshilfe, ist der Fall ein Beweis dafür, wie schwierig das Thema heute noch ist.
"Für mich ist es immer noch bemerkenswert, dass eine HIV-Diagnose, die in diesem Fall ja sogar behandelt ist, immer noch ein Anlass ist, Menschen zu erpressen. Und damit einen solchen Druck aufzubauen, dass Conchita sich in einer solchen Situation sah, sich öffentlich äußern zu müssen, um diesem Angriff zuvorzukommen."
Björn Beck, Vorstand der Deutschen Aidshilfe
Fakt ist: Seit ungefähr zehn Jahren können HIV-positive Menschen behandelt werden – und sind so nicht mehr ansteckend. Nicht einmal beim Sex.
Doch offenbar ist der medizinische Fortschritt bei vielen in der Gesellschaft noch nicht angekommen. Auch Ärzte haben so ihre Probleme mit HIV-Infizierten, Björn Beck weiß das aus eigener Erfahrung.
"Ich war kurz nach meiner Diagnose lange Zeit auf der Suche nach einem Zahnarzt, der mich nicht erst ganz am Ende der Sprechstunde behandeln wollte, oder der mir nicht erklärte, er müsse vor und nach der Sprechstunde alles dreimal desinfizieren. Das hat ein bisschen gedauert, bis ich einen Behandler gefunden habe."
Björn Beck, Vorstand der Deutschen Aidshilfe
Für die Diskriminierung in unserer Gesellschaft sieht er aber noch andere Gründe.
"Viele haben Angst vor dieser Infektion, weil sie mit Menschen in Verbindung gebracht wird, die ein Stück weit am Rande der Gesellschaft stehen. Hauptbetroffene Gruppen sind ja schwule Männer, Prostituierte und Menschen, die Drogen gebrauchen. Und das alleine ist schon ein Klientel, mit dem man nicht so gerne in Kontakt kommen will."
Björn Beck
Was man tun kann gegen die Diskriminierung
Aus Angst, Freunde oder den Job zu verlieren, verheimlichen viele HIV-Positive ihr Virus. Damit das in Zukunft anders wird, rät die Aidshilfe zu sachlichen Argumenten und Gelassenheit.
"Die Kommentare, die zu dem geschrieben wurden, was Conchita da gemacht – das sind Vorurteile. Zum Beispiel: ‚Jeder Schwule hat das.‘ Da ist es an uns allen, dagegen zu halten und zu sagen: Nein. Das ist eine Infektion, die jeden treffen kann, der Sex hat. Und es geht darum, sich zu schützen, aber auch Möglichkeiten zu schaffen, über seine Infektion zu sprechen."
Björn Beck
Denn nur, wer auch darüber spricht, sucht sich auch professionelle Hilfe. Und verhindert damit, dass HIV sein Leben zerstört.
Sendung: Filter vom 16.4.2018, ab 15 Uhr