Fechtrituale & Trinktraditionen Warum tritt man einer Studentenverbindung bei?
Homophob, sexistisch, rechts - egal, ob diese Vorurteile stimmen, eins ist sicher: Als besonders modern gelten Studentenverbindungen nicht. Warum treten immer noch so viele Studenten ein? Wir haben drei gefragt.
"Das blau-gold-rote Burschenband, das unsere Brust umschlinget. Die schneid'ge Waffe in der Hand, das Lied, das froh erklinget." Mit diesem Lied beginn ein Dokumentarfilm über die Münchner Studentenverbindung "Germania". Fünf Studenten in Anzug mit Mützen und Scherpen singen gemeinsam in einem herrschaftlich vertäfelten Raum. Am Ende prosten sie sich zu - mit einem stolzen "Heil Germania!". Die Szene bringt auf den Punkt, was wohl vielen einfällt, wenn sie an Studentenverbindungen denken: komische Mützen, altertümliche Traditionen, konservativ, nationalisistisch, keine Frauen und Alkohol.
Trotz des negativen Rufs, den sie haben, mangelt es den Studentenverbindungen nicht an neuen Mitgliedern. Ihren eigenen Angaben nach steigen die Mitgliederzahlen und in Deutschland gibt es etwa 1000 Studentenverbindungen - ohne Nachwuchs würden die sicher nicht bestehen bleiben. Untereinander unterscheiden sie sich oft in ihren Zielen, ihrem politischen Selbstverständnis und in den Anforderungen an ihre Mitglieder. Im Gespräch mit drei Verbindungsstudenten wird aber klar: Es gibt im Wesentlichen drei Sachen, die Verbindungen attraktiv machen.
1. Freundschaft und Zusammenhalt
Student Philipp Manderla schätzt in seiner Verbindung die Loyalität. "Manche Leute mag man mehr, manche weniger, aber man kann sich jeden Tag die Hand schütteln, sich in die Augen schauen und sagen, man steht zueinander." Lucius Teidelbaum ist Historiker und beschäftigt sich schon länger mit Studentenverbindungen. Auch wenn dieser Zusammenhalt und die Loyalität ganz schön klingen, kann man seiner Meinung nach nicht alles erklären, was zum Verbindungsleben gehört: "Es geht sicherlich auch um Freundschaft, aber die ist auch so ein bisschen verordnet. Ich kaufe ja ein Komplettpaket von allen, die aktiv sind und an die bin ich dann gebunden. Natürlich entstehen da enge Freundschaften. Was die Rituale mit Freundschaft zu tun haben, dass verstehe ich aber nicht. Also wenn man sich zum Beispiel gegenseitig Wunden zufügt bei den Fechtritualen oder sich auf Kommando unter den Tisch säuft."
Die Mensur, wie das Fechten auch genannt wird, gehört bei vielen Verbindungen dazu. Für den Studenten Niklas Dilk war es eine unglaubliche Überwindung, aber es schweiße einfach zusammen, dass sich da alle durchgeschlagen haben. Die Mensur als Mutprobe für den Gruppenzusammenhalt. Es gibt aber auch andere, die das Fechten weniger romantisch sehen, sondern eher als etwas, das man eben erledigen muss. Sie fechten ihre vorgeschriebenen Partien und nehmen dann nie wieder einen Säbel in die Hand. Für Niklas aber ist es sogar mehr als Pflicht, es ist "ein super schöner Sport".
2. Feiern und Spaß haben
Student Maximilian Kummer hat seine Verbindung bei einem Abend im Verbindungshaus kennengelernt: "Das war alles Zufall. Mich hat ein jetziger Bundesbruder angesprochen und ins Haus eingeladen. Ich war völlig verschnupft, mir gings richtig scheiße - aber nach dem achten Pils ging‘s dann auch. Dann haben wir gegrillt und dann war das in trockenen Tüchern, dass ich da eintrete."
Verbindungen sind wie ein nie endender Männerabend - vor allem durch das Verbot von weiblichen Mitgliedern. Für ihre Feier- und Trinkkultur stehen sie ziemlich oft in der Kritik. Aber wenn man ehrlich ist: Getrunken wird unter Studenten auch sonst. Der Unterschied ist, dass es in Verbindungen ritualisiert und mit Traditionen verknüpft ist. Nicht umsonst gibt es feststehende Begriffe, die sich alle ums Trinken drehen: Bierjunge, Stafette und so weiter. Auf vielen Verbindungshäusern gibt es sogar einen sogenannten Pabster: ein extra Kotzbecken. Für den Historiker Lucius Teidelbaum ist das nicht nur ein kleiner Unterschied, sondern ein entscheidender Unterschied. Er sagt, viele junge Leute seien vor allem wegen den populären Partys, die von den Verbindungen veranstaltet werden, unkritisch gegenüber dem, wofür Verbindungen sonst noch stehen - zum Beispiel Konservativismus und Nationalismus.
3. Netzwerk
"Mich reizt auch der Austausch mit den alten Herren. Die haben natürlich Kontakte, die wir nutzen können. Und das kann ich dann, wenn ich selbst mal alter Herr bin, vielleicht zurückgeben", sagt Philipp. Das Netzwerken mit den alten Herren, wie die Mitglieder nach ihrer Studien- und Aktivenzeit genannt werden, scheint zwar für viele nicht der wesentliche Grund zu sein, beizutreten, aber klar ist das nice to have. Denn, wie sie selbst sagen: Die Verbindungsleute stehen zueinander - auch wenn es zum Beispiel um Jobs geht.
Das Thema Netzwerk und Elite wird heute weniger kritisch betrachtet als früher. Netzwerken zu können wird vielmehr als positive Kompetenz gesehen, denn mit Vitamin B kommt man beruflich einfach weiter. Trotzdem dürfe man nicht vergessen, sagt Historiker Teidelbaum, dass dabei eben die verlieren und Nachteile haben, die nicht zur Elite und dieser geschlossenen Gruppe gehören, wie zum Beispiel Frauen, die kategorisch ausgeschlossen werden.
Zusammenfassend kann man sagen: Viele treten wahrscheinlich nicht deswegen einer Verbindung bei, WEIL sie als konservativ, nationalistisch und rechtsorientiert gelten, Frauen ausschließen oder fragwürdige Traditionen wie die Mensur pflegen. Es gibt zwar sicherlich Mitglieder, die das gut finden, aber es gibt wohl genauso viele, die TROTZ all dem beitreten. Die all das hinnehmen, wie es ist, mitmachen und vielleicht auch nicht zu viel hinterfragen, solange sie zu denen gehören, die davon profitieren und das bekommen, was sie wollen: Freunde, Kontakte, Spaß und jede Menge Partys.
Sendung: Filter vom 24.05.2018 - ab 15 Uhr