15

Interview mit Frida Ottesen Wie aus einer Fashionbloggerin eine Mode-Aktivistin wurde

Für die Webdoku "Sweatshop - Deadly Fashion" arbeitete die Norwegerin Frida Ottesen in einer Textilfabrik. Das machte sie nicht nur berühmt, sondern veränderte auch ihr Leben nachhaltig - im wahrsten Sinne des Wortes. Jetzt geht die Serie weiter.

Von: Juliane Neubauer

Stand: 21.04.2017 | Archiv

Frida Ottesen mit Textilarbeiterin in "Sweatshop - Deadly Fashion" | Bild: Screenshot / "Sweatshop - Deadly Fashion"

Es war die wohl härteste Zeit ihres Lebens: Frida Ottesen, eine norwegische Modebloggerin, lernte in Kambodscha den Alltag von Textilarbeiterinnen kennen. Sie lebte und arbeitete mit ihnen und wurde dabei 2015 für eine Webdoku von einer Kamera begleitet. Wir haben Frida danach getroffen und mit der heute 21-Jährigen über ihre Erfahrungen und die zweite Staffel der erfolgreichen Serie gesprochen.

PULS: Was hattest du von deiner ersten Reise nach Kambodscha erwartet?

Frida Ottesen: Ich hatte, ehrlich gesagt, gar nichts erwartet. Uns wurde vorher nicht gesagt, was wir sehen oder erleben werden. Wir haben immer erst am Anfang jeden Tages erfahren, was wir machen. Das war für mich ein Riesenschock. Wow. So ist es, eine Textilarbeiterin zu sein. So ist es, auf dem Boden schlafen und in einer Fabrik arbeiten zu müssen. Vorher habe ich davon nichts gewusst. Das war erst mal viel Holz, das ich für mich verarbeiten musste in sehr kurzer Zeit. Das war wirklich, als wäre eine Bombe in meinem Kopf explodiert: So sieht also die Wahrheit aus. Und dann habe ich mich gefragt, was ich als einzelne Person daran ändern kann.

Was unterscheidet dich heute von der damaligen Frida?

Davor habe ich nicht wirklich viel über die Bekleidungsindustrie gewusst. Und auch nicht über Politik, Solidarität und das Klima. Aber nachdem ich aus Kambodscha zurückgekehrt bin und das alles erlebt habe, hat es aus mir einen anderen Menschen gemacht. Ich habe jetzt das Gefühl, dass ich mit meinem alltäglichen Verhalten etwas verändern kann. Wenn ich etwas kaufe, ist mir bewusst, dass jemand es hergestellt hat. Meine Entscheidungen sind heute anders als vorher. Ich sorge mich heute auch mehr um unser Klima, auch das habe ich vorher nicht wirklich getan. Ich glaube, dass sich alles gegenseitig bedingt: Die Bekleidungsindustrie nimmt Einfluss auf die Umwelt und so auch auf das Klima.

Jetzt bist du ziemlich bekannt, wie nutzt du das?

Es fühlt sich gut an, für eine gute Sache bekannt zu sein. Ich habe das Gefühl, die Pflicht zu haben, die Erfahrungen meiner Reisen zu teilen. Es ist sehr wichtig, das Bewusstsein der Menschen zu schärfen und ihnen klar zu machen: "So sieht es da drüben aus und du hast die Möglichkeit, das zu verändern." Viele sind außerdem beeindruckt davon, dass ich noch so jung bin. Wenn Leute, die 40 oder 50 sind, mich über diese Dinge sprechen hören, beeindruckt es sie, weil sie sehen, dass auch junge Leute sich engagieren. Und wenn ich mit jungen Leuten spreche, dann ist es leicht für sie, sich mit mir zu identifizieren. Und dadurch merken sie, dass auch sie einen Unterschied machen können. Ich habe auf jeden Fall das Gefühl, mich in einer guten Weise einsetzen zu können.

Und wie engagierst du dich?

Ich bin sehr aktiv bei Facebook und Instagram. Und da teile ich immer wieder Artikel, Kampagnen oder Videos, die ich interessant finde. Und viele gehen darauf ein, stellen Fragen dazu und liken die Posts. Es scheint viele Leute zu geben, denen das Thema auch wichtig ist. Außerdem arbeite ich in einem Fairtrade-Laden in meiner Stadt, wo wir ethische und fair gehandelte Produkte und Kleidung verkaufen. Das heißt, dass ich jeden Tag bei der Arbeit über Fairtrade-Kleidung spreche. Außerdem gehe ich nicht mehr shoppen als sei es ein Hobby. Ich kaufe Second-Hand-Kleidung und in unserem Fairtrade-Laden.

Würdest du dich trotzdem noch als jemand bezeichnen, der sich für Mode interessiert?

Ja, ich interessiere mich für Mode - insofern, als dass ich sie ethischer machen möchte, weil echte Menschen damit beschäftigt sind, unsere Kleidung herzustellen. Und diese Menschen brauchen existenzsichernde Löhne und sie müssen unter guten Bedingungen arbeiten können. Aber ein Interesse, in dem Sinne, dass ich Trends folge, habe ich nicht mehr wirklich. Für mich ist Kleidung mehr eine Notwendigkeit als ein Ausdruck von Persönlichkeit.

Für die zweite Staffel "Deadly Fashion" bis du noch einmal nach Kambodscha geflogen, wie hat sich das angefühlt?

Ich hatte auf der einen Seite Angst davor. Aber auf der anderen Seite habe ich mich auch sehr gefreut, noch einmal dorthin zurückkehren zu können, weil ich innerhalb der letzten Jahre viel herumgereist bin, um Reden darüber zu halten. Ich habe mit Verbänden gesprochen, Politikern, Organisationen, Teenagern. Und als ich wieder dort hin gereist bin, habe ich das als Möglichkeit gesehen, noch mehr über die Probleme zu lernen. So dass ich noch mehr Details in meinen Reden liefern kann, wenn ich zurück nach Hause komme und dadurch noch mehr öffentliches Bewusstsein für das Thema wecken kann. Ich war während der zweiten Reise die ganze Zeit sehr konzentriert und habe versucht, wirklich alles mitzunehmen. Mittlerweile haben sich dort Freundschaften entwickelt und ich bin mir sicher, ich werde auch ein drittes und viertes Mal nach Kambodscha reisen.

Wie war die zweite Reise für die Doku "Sweatshop" - was hast du gelernt?

Ich denke, diese Reise war noch wertvoller als die erste. Wir haben noch tiefere Einblicke in die Probleme und Dilemmata bekommen. Wir haben zum Beispiel eine Produktionsstätte in einem privaten Haushalt besucht. Da wohnte und arbeitete ein Paar - und weil Zeit eben Geld ist, arbeiteten sie den ganzen Tag. Was ist das für ein Leben, in dem du eigentlich nichts anderes machen kannst, als zu arbeiten, um zu überleben? Es war schon sehr erschütternd. Aber ich habe wieder sehr viele Dinge gelernt, die ich mit nach Hause nehmen konnte und mit anderen teilen will.


15