Drogenkonsum "Durch Drug-Checking kann man Überdosierung vermeiden"
Beim Drug-Checking können Konsument*innen Drogen auf Dosierung und Reinheit testen lassen. Bis jetzt ist das Verfahren in Deutschland nicht erlaubt. Aber das könnte sich bald ändern, glaubt Sandro Rösler vom Drogenhilfeverein mudra in Nürnberg.
Im Gegensatz zu Ländern wie Portugal ist Deutschland in Sachen Drogenpolitik alles andere als liberal. Das ist auch der harten Hand von Marlene Mortler (CSU) zu verdanken, die in den letzten Jahren als Bundesdrogenbeauftragte einen ziemlich rigorosen Kurs gefahren ist – eine Legalisierung von Cannabis hat sie zum Beispiel vehement abgelehnt. Im September ist sie jedoch von Daniela Ludwig, ebenfalls von der CSU, abgelöst worden - und die neue Bundesdrogenbeauftragte scheint etwas frischen Wind in die Drogenregulierung bringen zu wollen. Kürzlich hat sie ein Drug-Checking-Projekt in Innsbruck besucht. Bislang ist Drug-Checking, also die Untersuchung von psychoaktiven Drogen wie MDMA auf ihre Zusammensetzung, in Deutschland verboten. Ihr Fazit danach: "Alles, was Leben retten kann, verdient es, gesehen und gehört zu werden." Sandro Rösler arbeitet als Drogenberater bei mudra, einer Drogenberatungsstelle für junge Menschen in Nürnberg. In Interview spricht er darüber, warum unsere Nachbarländer schon einen Schritt voraus sind und wie Drug-Checking Leben retten kann.
PULS: Was bringt Drug-Checking?
Sandro Rösler vom Drogenhilfeverein mudra
Sandro Rösler: Der größte Vorteil ist, dass Vergiftungen und Überdosierungen vermieden werden. Die Gefährlichkeit einer Droge hängt ja nicht nur von ihrer Wirkungsweise ab, sondern vor allem vom Umgang damit. Wenn man sich mal legale Drogen wie Alkohol anschaut, kann man das ganz gut vergleichen. Wenig und selten Alkohol trinken ist sicher unproblematisch, wenn man zu viel oder zu regelmäßig trinkt, kann man durchaus daran sterben. So ist das mit Drogen auch, deswegen braucht man valide Informationen zu Wirkung und Nebenwirkungen, um verantwortungsvoll damit umgehen zu können. Auf Schnapsflaschen steht ja auch drauf, wie viel Alkohol enthalten ist. Das Problem bei den illegalisierten Drogen ist, dass Informationen erstmal nicht so viel bringen, wenn ich nicht weiß, wie viel in meiner Pille tatsächlich enthalten ist. Schuld daran ist der Schwarzmarkt, wo es keine qualitätssichernde Instanz gibt, über die das reguliert wird. Deswegen braucht es Drug-Checking, um so eine Art Gesundheitsvorsorge für Konsument*innen möglich zu machen. Drug-Checking hilft also zum einen Gesundheitsschädigungen zu vermeiden, aber auch auf eine niedrigschwellige Art und Weise, mit Konsument*innen in Kontakt zu kommen und mit ihnen über Risiken zu sprechen.
Was kann passieren, wenn man z.B. eine Pille Ecstacy nimmt, die überdosiert ist?
Konsumunfälle passieren vor allem dann, wenn eine Droge zu stark ist. Also wenn zum Beispiel eine Pille extrem viel Wirkstoff enthält. Bei Pillen geht es in der Regel um Ecstasy, also MDMA, eine amphetaminhaltige Substanz. Ab einer gewissen Dosis kann es gefährlich werden. Vor ein paar Jahren ist eine junge Frau aus England in einem Berliner Club an einer Überdosis Ecstasy gestorben. Der Inhaltsstoff von Pillen schwankt extrem – es gibt welche, die enthalten überhaupt keinen Wirkstoff und manche enthalten das sieben oder achtfache der eigentlichen Dosierung. Wir haben auch das Problem, dass es ganz viele neue psychoaktive Substanzen auf dem Markt gibt. Das sind in der Regel unerforschte Wirkstoffe, die ähnlich wirken wie MDMA, aber viel mehr Schaden verursachen und lebensbedrohlich sein können. Durch Drug-Checking kann man auch verhindern, dass Leute Drogen konsumieren, von denen sie gar nicht wissen, was es ist.
Drug-Checking soll Drogenkonsum risikoärmer machen. Worauf sollten Konsument*innen noch achten?
Solange Drug-Checking nicht verfügbar ist, ist es umso wichtiger, dass man sich möglichst valide Informationen sucht. Das kann in Foren sein oder auf Homepages, die Drug-Checking-Ergebnisse aus den Nachbarländern sammeln: Zum Beispiel rave it safe, Mindzone oder die App KnowDrugs. Damit hat man natürlich noch keine hundertprozentige Sicherheit, aber eine Wahrscheinlichkeit. Außerdem gilt natürlich, dass man sich erstmal vorsichtig rantasten sollte an die eigene Dosierung. Lieber erstmal wenig nehmen und gucken, ob und wie es wirkt – und dann beim Nachdosieren vorsichtig sein.
Kritiker*innen argumentieren oft, dass man mit Drug-Checking den Drogenkonsum unterstützt. Was sagst du dazu?
Das Thema wurde ja schon ausgiebig beforscht und bestehende Drug-Checking-Initiativen wurden evaluiert, sowohl in der Schweiz als auch in Österreich. Aus diesen Evaluierungen geht hervor, dass Drug-Checking den Konsum nicht erhöht, sondern vor allem von bereits drogenerfahrenden Konsumenten genutzt wird - nicht von Erstkonsumenten. Es ist also eigentlich genau das Gegenteil der Fall. Das zeigt auch eine Studie, die Anfang der 2000er von der EU finanziert wurde: "Pill testing Ecstasy und Prevention" heißt sie und dort sieht man sehr deutlich, dass Drug-Checking vor allem positive Effekte auf Konsum und das Risikoverhalten hat. User von Drug-Checking haben durchschnittlich einen höheren Informationsstand über Gefahren aufgewiesen, als Nicht-User. Und sie haben auch eine niedrigere Konsumfrequenz und weniger risikoreiches Partyverhalten aufgewiesen. Das liegt daran, dass Leute eine Pille eher nicht konsumieren, wenn beim Drug-Checking herauskommt, dass sie mit anderen Substanzen gestreckt ist. Drug-Checking führt also zu mehr Eigenverantwortung beim Drogenkosnum.
Warum ist Drug-Checking in Deutschland nicht erlaubt?
Das sind rechtliche und politische Grenzen – in Bayern, aber auch in ganz Deutschland. In Deutschland herrscht das Legalitätsprinzip. Das heißt, dass bei Verdacht auf Besitz von Betäubungsmitteln die Polizei ermitteln muss, sonst macht sie sich selber wegen Strafvereitelung im Dienst strafbar. Wenn jemand also Drogen entgegennimmt um diese zu testen, macht er sich selbst strafbar, weil er die Droge dann in dem Moment besitzt. Deswegen mussten in den 90er-Jahren die ersten Drug-Checking-Initiativen, die es vor allem in Berlin und Hannover gab, wieder eingestellt werden.
Das Legalitätsprinzip gilt deutschlandweit, kann aber lokal unterschiedlich angewandt werden. Vor allem in Bayern gibt es eine sehr strenge Auslegung des Betäubungsmittelgesetzes und auch schon bei geringsten Verstößen ist ein sehr strenges Vorgehen zu beobachten – wie zum Beispiel grade in den Hanfshops. Das macht es für Drug-Checking natürlich nicht gerade einfacher.
Wie sieht es in anderen europäischen Ländern aus, welche Erfahrungen hat man da mit Drug-Checking gemacht?
Aktuell gibt es Drug-Checking-Initiativen in der Schweiz, sowohl in Zürich als auch in Bern. Dort ist das ein ganz selbstverständliches Präventionsangebot und wird in staatlichen Einrichtungen angeboten. In Österreich gibt es in Wien die Vereinigung "checkit!" und auch in den Niederlanden wird Drug-Checking seit den 90er-Jahren angeboten. Dadurch konnten messbar Konsumunfälle im Nachtleben verhindert werden. Negative Erfahrungen wurden damit nicht gemacht, es stehen eher Fragen im Raum, wie man so ein Angebot am besten aufzieht, damit es breitflächig angenommen wird. Auch in der Schweiz gab es zunächst rechtliche Probleme, aber nachdem die ersten Jahre evaluiert wurden und man deutlich gesehen hat, dass das ein wichtiges Instrument ist, hat man es in die Hand genommen. Drug-Checking ist seit fast 20 Jahren ein fester Bestandteil des Präventionsangebots der Stadt Zürich –das spricht schon Bände.
Wie stehen die Chancen, dass Drug-Checking auch bei uns erlaubt wird?
Ich glaube, es ist eine spannende Zeit. Generell richtet sich die deutsche Drogenpolitik ja nicht nach wissenschaftlichen Erkenntnissen, sondern wird eher politisch begründet. Vor allem mit dem Argument oder der Befürchtung, dass Drug-Checking Konsum fördern würde. Das deutsche Recht bietet aber ausreichend Möglichkeiten, um Drug-Checking straffrei durchzuführen – das geht aber nur, wenn Politiker*innen die Voraussetzungen dafür schaffen. Ich bin mir sehr sicher, dass das passieren wird. Denn zusätzlich zu den Risiken, die psychoaktive Substanzen per se schon mitbringen, haben wir noch die Risiken vom Schwarzmarkt. Und da ist Drug-Checking bis jetzt die einzige Möglichkeit, Unfälle pragmatisch zu verhindern.
Sendung: PULS am 16.12.209, ab 15.00 Uhr