Was bringt Fitnessnahrungsergänzung? "Ein Eiweißshake ist nicht besser als Milch zu trinken"
Immer mehr Deutsche kaufen Sportnahrungsmittel. Aber bringen Shakes und Proteinriegel wirklich was? Und gibt es sinnvolle Alternativen? Ernährungsberaterin Dr. Claudia Osterkamp-Baerens klärt uns im PULS-Interview über Fitness-Mythen auf.
In jedem Supermarkt sieht man sie mittlerweile: riesige Fässer mit Proteinpülverchen und andere sportlich designte Riegelpackungen. Gefühlt schütteln sich alle Sportler, die was auf sich halten, nach dem Training erstmal einen Proteinshake. Und nicht nur gefühlt, der Markt mit Sporternährung wächst tatsächlich rasant. Im Vergleich zum Vorjahr ist der Gewinn im Jahr 2017 um 20 Prozent gestiegen. Laut dem Institut der deutschen Wirtschaft kauften im Jahr 2017 ganze 43 Prozent der Deutschen, die regelmäßig Sport machen, mehrmals im Monat solche Fitnessnahrungsmittel. 156 Millionen Euro spülte das in die Kassen der Verkäufer*innen – davon 114 Millionen Euro allein für Produkte mit Eiweißzusatz. Am beliebtesten sind Eiweißriegel und Proteinpulver. Aber was bringt so ein Shake, wenn man sich einmal die Woche für 30 Minuten auf dem Laufband quält?
Dr. Claudia Osterkamp-Baerens war früher selbst Spitzensportlerin und ist heute Ernährungsberaterin mit Spezialisierung auf Sport. Seit 2003 berät sie Sportler*innen am Olympiastützpunkt Bayern. Im PULS Interview erklärt sie, wann ein Proteinriegel wirklich Sinn macht.
PULS: Nehmen wir mal an, ich bin ein normal sportlicher Mensch, mache ein bis zwei Mal die Woche Sport und hab eine durchschnittliche Figur. Sind Fitness-Nahrungsergänzungsmittel da sinnvoll oder sind die nur was für Extremsportler*innen?
Dr. Claudia Osterkamp-Baerens: Also wenn man zwei Mal die Woche "just for fun" trainiert, braucht man Nahrungsergänzungsmittel normalerweise nicht. Weil man jede Menge Zeit zum Essen hat und es auch kein Problem ist, wenn es mal ein bisschen länger dauert, bis man etwas isst. Also von daher: Nein, man braucht sie nicht.
Wie sinnvoll sind Fitnessnahrungsmittel, wie Proteinshakes und Riegel, denn generell?
Ich kann alle Nährstoffe über normale Lebensmittel aufnehmen – 90 Prozent der Olympioniken können das. Die Nährstoffe, die wir brauchen, stecken in Lebensmitteln und auch bei Spitzensportler*innen sind es nur ganz wenige Fälle, wo man mal aus logistischen Gründen auf solche künstlichen Nahrungsmittel ausweichen muss. Ein Eiweißshake oder Riegel sind nicht besser als Milch zu trinken oder Quark, Fisch oder Fleisch zu essen. Es gibt eigentlich keinen Grund auf solche Fitnessprodukte zurückzugreifen, außer wenn ich im Moment nicht an normale Lebensmittel herankomme.
Wenn man zwei Mal die Woche ins Fitnessstudio geht, sich davor oder danach so einen Riegel gönnt oder noch einen Shake, dann wäre das also eigentlich unnötig?
Das ist nicht nur unnötig, sondern höchst wahrscheinlich auch zu viel. Dann nimmt man über solche Lebensmittel schon mehr Energie auf, als man durch den Sport verbraucht hat. Das gilt für Leute, die nicht so gut trainiert sind noch viel stärker. Denn je weniger gut ich trainiert bin, umso weniger Energie kann ich auch in einer Stunde Training umsetzen. Für Freizeitsportler*innen ist der Kalorienverbrauch selbst bei einer Stunde Training nicht so wahnsinnig hoch. Ich persönlich würde dann lieber abends mehr essen oder mir am Wochenende einen schönen Restaurantbesuch gönnen.
Sind solche Nahrungsergänzungsmittel auch die ungesündere Wahl, weil sie unter Umständen viel Chemie oder Zucker enthalten können?
Die Riegel, die man so kaufen kann, sind nichts Anderes als normale Müsliriegel: Hochverarbeitete Lebensmittel, die in einem Riegel zusammengewurschtelt sind. Da muss ich, wie bei anderen Lebensmitteln, auch die Zutatenliste durchlesen und schauen wie viel Zucker und Kohlenhydrate da drin sind.
Wenn ich beim Training viele Kohlehydrate verbraucht habe und am nächsten Morgen noch einen Dauerlauf machen möchte, dann würde es Sinn machen die Speicher nach dem Training gleich danach wieder aufzufüllen. In dem Fall kann ein Nahrungsergänzungsmittel mit hohem Kohlenhydratanteil schon sinnvoll sein – und wenn ich das will, dann muss da auch ein hoher Zuckeranteil drin sein, weil man sonst in so eine kleine Menge Riegel nicht so viele Kohlehydrate reinbringt.
Wie viel Eiweiß braucht denn ein durchschnittlich sportlicher Körper? Und was passiert, wenn man zu viel zu sich nimmt?
Der normale Eiweißbedarf eines Körpers wird angegeben bei 0,8 Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht. Das gilt für Leute, die ein normales Gewicht haben. Man kann sein Körpergewicht mal 0,8 Gramm nehmen und hat seinen Eiweißbedarf pro Tag: Das wäre die Menge Eiweiß, die man mindestens pro Tag über normale Ernährung aufnehmen sollte. Wenn man zwei oder drei Mal die Woche trainiert, erhöht sich dieser Proteinbedarf auch nicht deutlich. Es spricht aber nichts dagegen, auch ein paar Gramm Eiweiß mehr zu sich zu nehmen.
Entscheidend ist, dass es nicht unter die 0,8 Gramm fällt. Das ist die Untergrenze, die für den normal gesunden Körper gilt. Eine obere Grenze ist Gegenstand ziemlicher Diskussionen in der Fachwelt. Man kennt die obere Grenze nicht und bisher ist nicht bekannt, dass bei gesunden Menschen ein Limit nötig wäre.
Wie schnell sollte man denn nach dem Sport etwas essen?
Nach dem Sport muss ich gar nichts essen. Wenn ich keinen Hunger habe, ist es auch absolut okay gar nichts zu essen. Das hält der Körper locker aus. Wenn meine nächste Sporteinheit erst in zwei Tagen wieder stattfindet, spielt das keine Rolle, weil der Körper sich in 48 Stunden in jedem Fall regeneriert.
Ich würde eher auf die Mahlzeiten vor dem Training achten, weil die einen relativ hohen Einfluss auf meine Leistung im Training haben. Ich würde auf jeden Fall empfehlen, an Trainingstagen was zu Mittag zu essen, zum Beispiel Nudeln oder Reis, und gleichzeitig zu schauen, dass man den Fettanteil niedrig hält, also nicht zu viel Fleisch. Das ist schwer verdaulich und verdrängt auch die Kohlehydrate.
Nachmittagssnacks sind auch sinnvoll, so eineinhalb Stunden vorher. Da empfehle ich ein Müsli mit zarten Haferflocken und halb Milch halb Wasser oder Pflanzendrinks. Und vielleicht noch eine Banane reinschnippeln. Weintrauben und Pfirsiche sind auch gut. Äpfel dagegen liegen beim Sport relativ lang bim Magen, das ist aber eine individuelle Sache. Von der Menge her sollten es schon so zwischen 50 und 100 Gramm sein, je nachdem wie schwer jemand ist.
Durch welche Lebensmittel kann man Proteinshakes und Riegel denn gesünder und auch günstiger ersetzen?
Das kann ich grundsätzlich mit allen Lebensmitteln machen. Entscheidend ist ja das logistische Problem: Ich komme aus der Uni und muss gleich zum Sport oder hab nach dem Training einen langen Heimweg. Ein belegtes Brot ist da zum Beispiel gut, ein gut verträgliches ohne große Körner, vielleicht noch mit ein bisschen Quark oder Frischkäse drauf – auf jeden Fall nicht die fette Salami.
Was sehr gut geht: Nach dem Sport kann ich mir einen Shake selber machen, mit Milch, Quark, Obst und Haferflocken. Joghurts "Griechischer Art" sind auch super, weil die einen höheren Eiweißanteil haben. Mit denen kann ich einen guten Trinkjoghurt machen. Mehrere frische Lebensmittel zu kombinieren ist toll, gerade durch die sekundären Pflanzenstoffe im Obst. Wenn ich im Fitnessstudio war und innerhalb von einer Stunde zu Hause bin, dann brauch ich mir keinen fertigen Shake im Studio besorgen. Da reicht es, wenn ich zu Hause was zusammenmixe. Wenn man wirklich einen dreistündigen Heimweg hat, dann könnte man sich das aber schon überlegen.
Die Faustformel ist "Grundnahrungsmittel statt Fertigprodukte": wenig verarbeitete Lebensmittel, möglichst fettarm. Und aus allen Lebensmittelgruppen sollte täglich was dabei sein. Das wichtigste ist die Nährstoffabdeckungen – und dann fehlt auch nichts.
Sendung: PULS am 29.08.2019 - ab 14 Uhr.