Fotofilter für Selfies Zeigt her euer Shitface!
Selfies waren mal spontane Schnappschüsse. Doch inzwischen hat der Mut zur Hässlichkeit nachgelassen, Selfie-Filter sorgen ständig für einen makellosen Look. Leider. Ein Plädoyer für das Recht auf Pickel.
Von: Felicitas Wilke
Stand: 06.08.2018
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Silvester vor ein paar Jahren: Meine Freundinnen und ich wackeln gut gelaunt auf der Tanzfläche. Eine hält ihr Smartphone in unsere Richtung und drückt ab. Ein richtiges Party-Selfie. Unsere Haut glänzt, die Wimperntusche ist verwischt und unserer Mimik ist anzusehen, dass wir großzügig aufs neue Jahr angestoßen haben.
Ein Jahr später. Wieder meine Freundinnen und ich, wieder ein Selfie auf der Tanzfläche. Wir sehen großartig aus. Weiche Gesichtskonturen, weit und breit keine Flecken im Gesicht. Haben wir vom Zaubertrank der Schönheit gekostet? Leider nicht, auch wenn meine Freundinnen wirklich ganz herzallerliebst anzusehen sind. Ich gebe zu: Wir haben nachgeholfen. Nachgeholfen mit einem der vielen Fotofilter, die für Selfies zum Standard gehören.
Mit dem richtigen Filter wird jeder zum Hollywoodstar
Kaum hat man den passenden Filter angeklickt, wird aus jedem müden Pickelgesicht ein Hollywoodstar. Hautunreinheiten verschwinden, das ganze Gesicht wirkt deutlich zarter. In einigen Handykameras sind die Filter schon beim Abdrücken automatisch integriert. Und Microsoft setzt mit der Web-App "Microsoft Selfie" auf Makellosigkeit. Dafür werden Merkmale wie Alter, Hauttyp und die Lichtverhältnisse auf dem Bild analysiert und entsprechend der passende Filter übers Gesicht gelegt.
Aber: Wir sehen dank der Filter nicht nur perfekt, sondern auf einmal auch alle ziemlich gleich aus. Meine, leider Gottes, gelblichen Schneidezähne? Genauso weiß wie die von meiner Freundin Lina. Der unverwechselbare Mini-Leberfleck auf meiner Nasenspitze? Wegretuschiert! Ohne ihn wirke ich vielleicht ein bisschen glamouröser, so ganz ich selbst bin ich aber auch nicht mehr.
Selfie-Filter machen uns nicht nur zu austauschbaren 08/15-Beauties - sie verwischen auch Erinnerungen. Was verbinden wir mit dem Foto vom Neujahrsmorgen, wenn unsere Gesichtsfarbe nicht mehr fahl ist und unsere Augen keine fetten Ringe zieren? Selfies sind nicht für die Bewerbungsmappe gedacht. Klar, mein Prof oder meine Chefin müssen nicht sehen, wie ich ein versoffenes Duckface mache. Unsere Freunde können die nicht so schöne, umso lustigere Wahrheit aber vertragen - egal, ob es die rote Rudolphnase im Winterurlaub oder der pickelige Bad-Face-Day ist.
Mein Vorsatz für dieses Jahr: Schon auf dem Faschings-Selfie werden wir lachen und wackeln - mit Partypusteln im Gesicht. Scheiß aufs Beauty Face!
Sendung: Filter vom 06.08.2018 ab 15 Uhr