Zocken als Unterricht Wie ein Game häusliche Gewalt verhindern soll
Games zocken macht dumm und gewalttätig - ein Klischee, das ziemlich umstritten ist. Britische Forscher drehen jetzt den Spieß um und setzen spezielle PC-Spiele im Unterricht ein: Sie sollen helfen, Konflikte gewaltfrei zu lösen.
Der kleine Jesse sitzt zu Hause im Wohnzimmer - und muss zuhören, wie sein Stiefvater im Schlafzimmer seine Mutter schlägt. Der Stiefvater haut ab, die Mutter weint. Was jetzt tun? Der Junge hat zuerst überhaupt keinen Plan. Doch da öffnet sich im Aufgabenmenü eine neue Aufgabe: "Rufe den Notruf. 250 Punkte."
Für friedliches Verhalten gibt's Punkte
Jesse ist eine Computerspiel-Figur. In dem Game, das Schüler auf der Karibikinsel Barbados im Klassenzimmer durchspielen - und das online jeder nachspielen kann, geht es um häusliche Gewalt. Ein Rollenspiel beginnt - mit mehreren Kapiteln, in denen man dann die einzelnen Charaktere besser kennenlernt. Unter anderem bei einem Besuch im Krankenhaus oder bei einer Partie Billard mit dem gewalttätigen Stiefvater, wo man sich plötzlich in der Rolle des Stiefvaters befindet.
Erfunden haben das Game Forscher an der englischen Uni Huddersfield. Es war ein Experiment. Die Forscher versuchen, mithilfe von PC-Spielen Jugendliche zu friedlichem Verhalten zu erziehen. Ihre Überlegung: Wenn Studien herausgefunden haben, dass uns Gewaltspiele gewalttätiger machen - warum dann nicht Schüler durch Spiele, die friedliche Konfliktlösungen zeigen, zu weniger Aggression erziehen?
Mehr wie ein gutgemachter Film - mit Pausen zum Nachdenken
Bei dem Game in Barbados geht es klar um Gewalt - aber die sieht man beim Spielen nicht. Im Vordergrund steht das Reden über den Vorfall - und eine Strategie, wie man damit umgehen sollte. In der Rolle der Krankenschwester zum Beispiel ermuntert man die Mutter, über die Gewalt zu Hause zu sprechen. Außerdem muss man immer mal wieder die Emotionen der Leute in den Szenen bewerten - dafür gibt's dann Punkte. Was dem Schul-PC-Spiel zum klassischen Game fehlt: Falsch machen kann man eigentlich nichts - alle Schritte führen am Ende zum "happy end". Es ist eigentlich mehr ein Film, dem man als Gamer zuschaut - mit kleinen Nachdenkpausen.
Ab 2020 sollen jetzt alle britischen Schüler ein Game zocken, das ihnen beibringt, wie sie ihre Beziehung möglichst gewaltfrei führen können - und wie sie mit dem Einfluss der sozialen Medien umgehen. Für Bayern sind diese Spiele bisher nicht geplant.
Sendung: Filter, 18.9.2018, ab 15 Uhr