Games // The Town of Light Dieses Game nimmt euch richtig mit
Eine Nervenheilanstalt in den 40er-Jahren: Ein Einzelschicksal stellvertretend für abertausende Insassen. Das macht ein schockierendes Game, auch ohne die klassischen Horrorelemente.
"Nein, das darf nicht sein!" Am Ende von "The Town of Light" habe ich die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. Ich war emotional richtig im Arsch. Und das hätte ich nach der ersten Stunde mit diesem Game nicht erwartet. Ich mag reine Erzählgames sehr gern, in denen es keine Kämpfe, keine Rätsel, quasi keine spielerische Herausforderung gibt. Games, in denen mir eine Geschichte erzählt wird, indem ich die Location erkunde. Aber gerade bei solchen Spielen ist es wichtig, dass das Tempo der Erzählung und die Optik stimmen. "The Town of Light" schlurft anfangs allerdings so behäbig dahin, dass es oft nah dran ist mich zu langweilen. Und das in einer Optik, die wohl auch vor zehn Jahren schon möglich gewesen wäre. Das mag super sein, wenn man das Game mit der VR-Brille Oculus Rift spielt. Ohne sie ist es das nicht.
Aber: "The Town of Light" hat mich trotzdem umgehauen. Und das liegt an der Story.
Was ist real, was nicht?
Ich betrete mit einer Frau eine verlassene Nervenheilanstalt. Tapeten bröckeln von den Wänden, in den Räumen zerfallen alte Möbelstücke, Staub liegt auf zurückgelassenen medizinischen Geräten. Zuerst scheint es, als ob sie noch einmal zurückkehrt an einen furchtbaren Ort ihrer Jugend. Und dann kommen ihre Erinnerungen zurück: Immer wenn ich eine spezielle Akte oder bestimmte Gegenstände finde – so wie ihre alte Puppe. Aber sind das wirklich ihre Erinnerungen? Je länger ich spiele, desto weniger weiß ich noch, was real ist und was nicht. Die Frau, um die es geht - sie heißt Renée - scheint schizophren zu sein. Möglich, dass das alles hier reine Einbildung ist. Vielleicht ist es aber auch bloß eine Fantasie, um dem grausigen Alltag dieser Anstalt zu entfliehen.
Eine erschütternde Story
Und der war für viele Menschen tatsächlich real: "The Town of Light" basiert auf wahren Begebenheiten im Italien der 1940er-Jahre und ist wahrscheinlich auch gerade deshalb oft echt starker Tobak. Wie damals mit psychisch kranken Menschen umgegangen wurde! Das hat mich schon mitgenommen. Regelrecht erschüttert war ich von Renées persönlichem Schicksal - zwischen brutalem Missbrauch, permanenter Misshandlung und grenzenlosem Leid. Das ist einfach nur traurig und schockierend.
Toll, dass sich ein Game traut, solche Themen anzupacken. Da waren mir die technischen Mängel von "The Town of Light" am Ende auch wirklich egal.
The Town of Light (Wired Games // für PC, PS4, Xbox One)
Sendung: Hochfahren, 12. Juni 2017 - ab 7 Uhr.