Helden des Alltags Warum ihr eurem Paketboten einfach mal Danke sagen solltet
Wenn ein Laptop unterm Weihnachtsbaum liegt, dann hat den mit Sicherheit nicht der Weihnachtsmann gebracht, sondern ein unterbezahlter Paketbote. Sie sind die Superhelden des Shoppingfests. Und das ist definitiv kein leichter Job.
Für viele Menschen ist es zur Selbstverständlichkeit geworden, online zu shoppen. Bücher, Klamotten, Katzenfutter, Handys, Laptops, Hometrainer, Autoreifen – es gibt nichts, was man nicht online bestellen könnte. Für den Otto-Normal-Bürger alles ganz einfach, ganz bequem. Doch dahinter steckt ein echter Knochenjob. Über die Arbeitskette und den Arbeitsumfang, der hinter einer ganz normalen Paketlieferung steckt, machen sich nur die wenigsten Gedanken.
Das Schleppen übernehmen andere
Fünfter Stock, kein Aufzug. 20 Kilogramm und mehr unterm Arm - das gehört quasi zum Alltag. Ein Paketbote liefert an arbeitsreichen Tagen bis zu 230 Pakete aus, er hält bis zu 130 mal an, an 130 verschiedenen Orten. Am Ende des Tages, der zur Weihnachtszeit zwischen 12 und 16 Stunden lang sein kann, hat ein Bote zwei bis fünf Tonnen geschleppt und 400 bis 500 Höhenmeter in den Beinen. Das alles für einen Monatslohn, der nach Verdi-Informationen teilweise nur zwischen 1.000 und 1.500 Euro liegt. Brutto versteht sich. Eine Tortur für Körper und Geist.
Neben den Hardcore-Arbeitszeiten gibt es bei vielen Firmen einen zusätzlichen Strafenkatalog für die Fahrer. Die absolute Überwachung gibt es gratis dazu. Wenn ein Fahrer frühmorgens seinen Sprinter belädt und die Ware einscannt, werden diese Informationen inklusive exakter Uhrzeit an das Depot übermittelt. Der Grund: So kann unter anderem der Strafenkatalog besser greifen. Fahrer zahlen für nicht ausgelieferte Pakete, fehlende Unterschriften, falsche Kleidung, nicht abgeschlossene Türen und beschädigte Ware. Die Liste ist lang und die Strafe kann je nach Vergehen und Unternehmen mehrere 100 Euro kosten.
Der Raubbau am eigenen Körper kann darüber hinaus schnell zur Gefahr für Dritte werden. Tempolimits werden am laufenden Band überschritten. Pausen bestehen meist nur in der Theorie. Übermüdung und Unkonzentriertheit sind die Folgen. Das Arbeitsschutzgesetz sieht eigentlich vor, dass zwischen dem Ende einer Schicht und dem Beginn der neuen Schicht mindestens elf Stunden liegen müssen. Gerade in der Weihnachtszeit reine Utopie. Im Straßenverkehr kommt es unter solchen Bedingungen leicht zu Unfällen.
Zeit, "Danke“ zu sagen
Hält man sich solche Arbeitsbedingungen vor Augen, erscheinen Beschwerdeportale wie "Paket Ärger“ der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen doch eher überflüssig. Zumal die Bilanz des Portals 2015 eher klein ausfällt. 6.500 Beschwerden sind eingegangen. Zum Vergleich: Durchschnittlich werden pro Tag vier Millionen Pakete in Deutschland ausgeliefert, zur Weihnachtszeit doppelt so viele. Genug Möglichkeiten also, um einmal "Danke“ zu sagen.
Statt einem Strafzettel haben PULS und funk den #lovezettel verteilt. Denn eines ist klar: Ohne Paketbote kein Weihnachten. Mit dieser besonderen Aktion haben wir Paketboten bei ihrer Arbeit überrascht. In der Windschutzscheibe hing statt einem Knöllchen unser #lovezettel. Zur Stärkung gab es noch einen Schokonikolaus.
Wer ist verantwortlich?
Die Post wurde Stück für Stück reformiert und letztlich Mitte der 90er-Jahre privatisiert. Der rasante technische Fortschritt hat die Deutsche Bundespost unter Zugzwang gestellt. Immer schlechter konnten neue technische Möglichkeiten in marktgerechte Angebote umgesetzt werden. Dass Paketzusteller teils für einen Stundenlohn zwischen vier und fünf Euro schuften, ist aber auch ein Verdienst des Gesetzgebers. Er hat die Branche "zum Nutzen aller“ erklärt.
Der Kampf um Kunden, Pakete und immer schnellere Lieferzeiten ist in vollen Gange. Hermes, DPD, UPS, GLS Germany, DHL-Delivery sind die Branchenriesen. Das Problem: Ihre Fahrer sind oftmals über ein Subunternehmen und Zeitarbeitsfirmen angestellt. Risiken werden damit ausgelagert. Die Subunternehmen handeln die Rahmenbedingungen aus. Also Lohn, Arbeitsumfang, Auslieferungsprozedere, Überwachungsumfang und so weiter und so fort.
Das Geschäft mit dem Paket boomt
Die Branche der Kurier-, Express- und Paketdienste boomt. Die Umsätze sind in den letzten zehn Jahren um mehr als 30 Prozent nach oben gegangen. Das entspricht einem jährlichen Umsatz von mehr als 18 Milliarden Euro. Kein anderes europäisches Land bestellt so viel online wie Deutschland.
Auch wenn es schwer ist, der allgemeinen 3,2,1-Meins-Mentalität zu wiederstehen: Wenn es das nächste Mal wieder an der Tür klingelt – einfach ein paar Schritte entgegenkommen und "Danke“ sagen. Denn wann sonst kommt man dem Weihnachtsmann mal so nah.
#lovezettel zum Ausdrucken Format: PDF Größe: 1,54 MB