Kommentar zum Einreiseverbot für Muslime Hört auf mich auf meinen Pass zu reduzieren!
Jeder zweite Deutsche befürwortet ein Einreiseverbot für Muslime - das zeigt eine Umfrage. PULS Autorin Shahrzad Osterer war von Trumps Dekret betroffen. Sie sagt: Menschen dürfen nicht auf ihre Regierungen reduziert werden.
Von: Shahrzad Osterer
Stand: 13.02.2017
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Als ich vor 13 Jahren nach Deutschland kam, war eine der großen Überraschungen für mich, dass junge Menschen in meinem Alter sich frei für einen Ort auf der Welt entscheiden können, an dem sie ein Auslandssemester verbringen wollen. Mit Mitte 20 hatten die meisten schon die halbe Welt gesehen – im Iran kennen selbst die privilegierteren Schichten nur ein paar andere Länder.
Umso mehr verwundert es mich, dass laut einer kürzlich veröffentlichten Umfrage des britischen Think Tanks "Chatham House" 53% der Deutschen ein Einreiseverbot für Muslime nach Trumps Vorbild begrüßen würden. Auch wenn die Umfrage bereits vor Trumps Dekret durchgeführt wurde und einige bestimmt ihre Meinung geändert haben - die Zahlen machen mich traurig. Nachdem im vergangenen Jahr viele Flüchtlinge zu uns gekommen sind, hatten wir trotz der Willkommenskultur auch mit viel Hass und Ablehnung zu kämpfen. Denn niemand denkt dabei an die einzelnen Schicksale.
Der Kampf um ein Visum
Viele Kommilitonen in Deutschland haben sich mit tollen Nebenjobs einen Haufen Geld dazu verdient. Meine Jobauswahl war hier aufgrund strenger Bestimmungen entweder auf die Semesterferien oder auf eine bestimmte Wochenstundenzahl begrenzt. Anspruch auf BAFöG oder andere finanzielle Unterstützungsmodelle hatte ich nicht. Die Verlängerung meines Studentenvisums war immer mit demselben 30-Seiten starken Fragebogen verbunden: War oder bin ich Mitglied einer terroristischen Vereinigung? Ob ich Bomben bauen kann? Diese Fragen wirkten auf mich immer auch ein bisschen peinlich. Offenbar setzt man in Deutschland auf Ehrlichkeit – auch bei Terroristen.
Aufgrund absurder, teils widersprüchlicher bürokratischer Hürden hat es sechs Monate gedauert, bis ich meinen Verlobten in Deutschland heiraten durfte. Kurz gesagt: als iranischer Staatsbürger fühlt man sich auch in Deutschland nicht immer gleichberechtigt. Auf meine Herkunft, oder auf das politische Verhalten der regierenden Männer in meiner Heimat reduziert zu werden, kenne ich also nur zu gut. Aber ich bin nicht der Iran.
Ein Anruf aus L.A.
Als mich vor einigen Monaten meine Cousine aus L.A. anrief, um uns zu ihrer Hochzeit im Mai einzuladen, buchten wir umgehend Flugtickets. Meine auf der ganzen Welt verstreute Familie hatte endlich einen Anlass, wieder an einem Ort zusammenzukommen. Viele von ihnen habe ich über zehn Jahre nicht mehr gesehen, einige haben mittlerweile Kinder bekommen, so wie ich. Bis jetzt ist aber unklar, wer zur Hochzeit kommen darf. Und ich kenne einige Leute, die befürchten, ihr Leben in den USA komplett aufgeben zu müssen.
Den kategorischen Ausschluss von Menschen, egal ob wegen ihrer Religion, Nationalität, Hautfarbe oder sexuellen Orientierung, habe ich im Falle der USA für unmöglich gehalten. Es schockiert mich, dass wir eine solche Politik heutzutage aus dem Land der Freiheit erleben, verkleidet als Maßnahme im berechtigten Kampf gegen den internationalen Terrorismus. Ich empfinde das Dekret als rassistisch.
Trumps Amerika
Bild: picture-alliance/dpa
Der öffentliche Protest und die Tatsache, dass die USA ein stabiler Rechtsstaat sind, haben dazu geführt, dass die Einreisebeschränkungen nach und nach gekippt wurden. Besonders wichtig war das im Hinblick auf den geplanten Stopp des Programms zur Aufnahme von Flüchtlingen. Wenn wir uns die heutigen Kriege und Krisen anschauen, vor allem natürlich in Syrien, wirkte dieser Punkt im Dekret besonders abstoßend. Es wäre für die zivilisierte Menschheit ein unermesslicher Verlust, wenn die USA in die durch Trump gewünschte Richtung abdriften würden. Umso wichtiger ist deshalb, dass wir uns über die Ernsthaftigkeit der Lage gewiss werden und Trump nicht mehr als Objekt von lustigen Internetmemen wahrnehmen, sondern unseren Protest in seriöser, politischer Manier zeigen, seinen Gegnern in den USA zur Seite stehen und den Befürwortern seiner Politik auch hierzulande etwas entgegensetzen