Mobilitätskonzept der Grünen Wie realistisch ist kostenloser Nahverkehr in Bayern?
Nie wieder ein Ticket kaufen - ein Traum für viele, die oft mit Bus, Bahn und Co unterwegs sind. Wenn es nach den Grünen geht, könnte das in Bayern Realität werden. Könnte. Denn manchmal ist das Gegenteil von gut ja gut gemeint.
Es ist eine natürliche Reaktion: Sobald ein Kontrolleur den Bus betritt, fängt das Herz an zu klopfen. Habe ich mein Ticket dabei? Habe ich richtig gestempelt? Dieser ganze Stress könnte bald der Vergangenheit angehören. Die bayerischen Grünen haben auf ihrem Parteitag ein Mobilitätskonzept verabschiedet, in dem steht, dass der kostenlose Nahverkehr für Azubis und Studenten gefördert werden soll. Wie genau dieser Vorschlag in Bayern umgesetzt werden könnte und wer die Kosten dafür übernimmt, ist allerdings noch nicht geklärt. Außerhalb von Bayern gibt es aber schon Städte und Regionen, die auf kostenlosen oder sehr günstigen Nahverkehr setzen - nicht alle mit Erfolg.
Fahrpreise runter, Steuern rauf
Die Region Terroir d‘Aubagne et de l’Étoile im Süden von Frankreich bietet seit 2009 kostenlose Busverbindungen an. Finanziert wird das größtenteils über eine Transportsteuer, die Arbeitgeber in Frankreich ab neun Mitarbeiter an die Kommunen zahlen müssen. Um das Projekt zu realisieren, hat die Region die Steuer von 0,8 Prozent auf 1,8 Prozent hochgesetzt.
Das Modell ist ein Erfolg. Schon im ersten Monat der Umsetzung beförderten die kostenlosen Öffentlichen 57 Prozent mehr Fahrgäste. Nach ein paar Jahren waren es gut eineinhalb mal so viele.. Klar, dass deshalb das ÖPNV-Netz ausgebaut und erweitert werden musste. 2014 eröffnet die Stadt Aubagne ihre erste Tramlinie und gerade wird eine zweite gebaut, die mehrere Städte der Region miteinander verbindet.
Am Erfolg gescheitert
In der belgischen Stadt Hasselt und in Templin in Brandenburg ist das Projekt kostenloser ÖPNV gescheitert - obwohl die Zahl der beförderten Passagiere durch die Decke geschossen ist und die Städte ihr Netz stark ausgebaut haben. Templin konnte das gesteigerte Fahrgast-Aufkommen irgendwann nicht mehr stemmen. "Die waren am Ende so ein bisschen Opfer ihres eigenen Erfolges. Die Bürger sind so viel Bus gefahren, dass sich die Stadt das letzten Endes nicht mehr leisten konnte" sagt Philipp Kosok vom Verkehrsclub Deutschland (VCD).
Der Club hält kostenfreien Nahverkehr für praktikabel. Es gehe erstmal darum, das Angebot auszuweiten und die Taktung zu erhöhen. Denn erst wenn ein öffentliches Verkehrsmittel regelmäßig fährt, wird es wahrgenommen. Außerdem hat der VCD bei einer Befragung von Autofahrern rausgefunden, dass der Preis allein nur selten ein Argument für den Umstieg vom Auto auf Bus, Tram oder U-Bahn ist. Stattdessen wünschten sich die Autofahrer mehr Flexibilität, Zeitgewinn und Pünktlichkeit.
365 Tage fahren für 365 Euro in Wien
Eine mögliche "Paradelösung" könnte die in Wien sein. Anders als in vielen bayerischen Kommunen, wo die Preise seit Jahren steigen, gab es in Wien 2012 eine Preissenkung. Statt der bis dahin 449 Euro kostet das Jahresticket jetzt nur noch 365 Euro – also einen Euro pro Tag. Das rentiert sich laut Stadträtin Maria Vassilakou, weil sich die Zahl der Jahreskartenbesitzer schon im ersten Monat fast verdoppelt hat. Besonders günstige Angebote gibt es auch für Kinder. Bis sie sechs Jahre alt sind und darüber hinaus in den Schulferien fahren sie sogar kostenlos.
Teurer sind dafür Einzel- und Tageskarten mit 2,20 Euro und 7,60 Euro. So schaffen es die Wiener Linien trotz der günstigen Angebote, etwa 60 Prozent der laufenden Betriebskosten über die Ticketpreise einzunehmen. Zum Vergleich: Laut einer Studie der "European Metropolitan Transport Authorities" hat Berlin im Jahr 2011 knapp die Hälfte der Ausgaben für den ÖPNV mit Fahrgeldeinnahmen gedeckt. In Stuttgart war es gut die Hälfte und in Hamburg waren es gut zwei Drittel.
Kostenloser ÖPNV in Bayern wohl eher unwahrscheinlich
Obwohl die Grünen bis zum Start des Wahlkampfes für die Landtagswahl 2018 ein Finanzierungskonzept für den kostenlosen Nahverkehr in Bayern vorlegen wollen, ist es eher unwahrscheinlich, dass der Plan wirklich umgesetzt wird. Das weiß auch die Partei. Deshalb führt das verabschiedete Mobilitätskonzept auch Punkte an, die realitätsnäher klingen - so wie den Ausbau der Buslinien auf dem Land, die künftig im Stundentakt verkehren sollen.
Sendung: Filter vom 17.10.2017 ab 15 Uhr