Imageproblem Warum ein Musiker München verklagen will
CSU, BMW, Laptop und Lederhose. Ums subkulturelle Image der bayerischen Landeshauptstadt steht es nicht gerade zum Besten. Jetzt gehen Künstler wie der Elektro-Jazz-Musiker Belp dagegen vor.
CSU, BMW, Laptop und Lederhose. Ums subkulturelle Image der bayerischen Landeshauptstadt steht es nicht gerade zum Besten. Jetzt gehen Künstler wie der Elektro-Jazz-Musiker Belp dagegen vor.
Cap, wildwachsende Haarpracht, Disko-Hornbrille: Wie ein typischer Münchner Geschäftsmann sieht Sebastian Schnitzenbaumer nicht unbedingt aus. Und trotzdem, sagt er, geht’s ihm "ums Geschäft". Schnitzenbaumer ist Musiker und macht als Belp Elektro-Jazz. Sein Problem: Mit seinem Label Schamoni Musik hat er es in der deutschen Musikszene sauschwer. Er ist überzeugt: An der Qualität seiner Platten liegt’s nicht. Vielmehr an deren Herkunft:
"Mittlerweile ist es so, dass München als europäische Großstadt mit zwei Millionen Menschen im Einzugsgebiet nicht als differenzierte Großstadt wahrgenommen wird, sondern immer nur in diesem Idyll von Oktoberfest, BMW und FC Bayern verharrt. Deswegen ist alles andere, was nicht in dieses Image reinpasst, extrem schwer an den Mann zu bringen."
Da Schnitzenbaumer seine Labelarbeit nicht als Hobby versteht, will er nun seine Heimatstadt verklagen. Denn er findet, München sonnt sich zu sehr im Glanz seines Images als sauberes Weltdorf – und tut nichts gegen ein Klischee, das geschäftsschädigend ist für Münchens subkulturelle Szene. Er kenne Münchner, die verleugneten, dass sie aus München kommen. Dabei gehören soziale Probleme, kulturelle Vielfalt und die architektonische Langeweile der Vorstädte genauso zur Landeshauptstadt wie das Oktoberfest und der ewige deutsche Fußballmeister. Über die quasi totgeschwiegenen Vororte sagt Schnitzenbaumer:
"Da ist es ziemlich hässlich, aber eben auch schön hässlich. Und da wohnen genauso viele Menschen wie in der Innenstadt. Wir reden von Neuperlach Süd, Olympia-Einkaufszentrum, den ganzen Randgebieten. Das wird einfach totgeschwiegen. Dabei ist es da eigentlich interessant. Aber wenn man Bilder von Neuperlach zeigt, glaubt keiner, dass die aus München sind. Jeder würde sagen, das ist Berlin-Marzahn oder die Banlieue von Paris."
Der urbane Krautrock, den das Label Schamoni Musik macht, passt definitiv besser in eine Plattenbausiedlung als neben das Hofbräuhaus. Das Label selbst wurde in den anarchischen 60ern gegründet: Also zu einer Zeit, als München noch für die Schwabinger Krawalle stand und bis zu 40.000 Jugendliche sich vier Tage lang Straßenschlachten mit der Polizei lieferten. Später war München für seine internationalen Produzenten und liberalen Nischen bekannt: Die Rolling Stones nahmen hier Alben auf, Queen-Sänger Freddie Mercury schätzte die Münchner Schwulenszene. Ja, München war mal wild, rotzig und spannend. Heute ist wenig davon geblieben. Und die, die geblieben sind, fühlen sich in Rest-Deutschland nicht ernst genommen. Auch, wenn man wie Belp für alternatives Leben steht:
"Man braucht als Münchner nicht mehr in irgendeiner deutschsprachigen Stadt – egal ob das jetzt Berlin, Wien, Stuttgart oder Hamburg ist – irgendwas über München sagen. Das Ding ist so im Arsch, die Leute sagen: Hau ab, ich glaub dir gar nichts, du bist scheiße."
Dass Belp und seine Musik dann doch nicht so scheiße sind, hat er erst im Ausland gemerkt. Dort, wo das Klischee von CSU-Hausen noch nicht hingedrungen ist, sei man ihm gegenüber offen. Die Klage gegen die Stadt ist natürlich eher symbolisch gemeint. Jeder könne sich daran beteiligen – und auch an der Diskussion, was sich in München ändern muss.
Am 12. Oktober starten Belp und andere Münchner Kulturschaffende die Veranstaltungsreihe "Monokultur München" in der Favoritbar, Damenstiftstraße 12.