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Im Interview // Stefan Kolle Sex sells funktioniert nicht mehr

Blanke Brüste, anzügliche Sprüche, verstaubte Rollenklischees: Kommt alles noch vor in der Werbung. Dabei belegen Studien, dass "Sex sells" gerade bei jungen Leuten nicht mehr funktioniert, sagt Werbechef Stefan Kolle im Interview.

Von: Peter Künzel

Stand: 08.06.2016 | Archiv

Sexismus in der Werbung | Bild: BR

Dringt die Kritik an Sexismus und Rollenklischees auch bis zur Werbeindustrie vor? Was bringt es, sich über Werbung mit Brüsten oder plumpen Geschlechterrollen aufzuregen? Das wollten wir von Stefan Kolle wissen, Chef der Hamburger Werbeagentur "Kolle Rebbe", einer der größten Werbeagenturen Deutschlands. Er sagt, dass die Werbung anders mit Rollenklischees umgeht als früher. Und dass ein Shitstorm durchaus etwas bringen kann.

PULS: Wie kommt es, dass so viele Unternehmen in der Werbung immer noch auf sexistische Klischees setzen?

Werbe-Chef Stefan Kolle

Stefan Kolle: Es gibt zwei Paar Schuhe: Das eine Paar ist sexistische Werbung, also Frauen mit blanken Brüsten oder andere offensichtlich anzügliche Darstellungen. Diese Art der Werbung nutzen meist eher kleine Firmen wie der Malermeister oder Reifenhändler um die Ecke. Das sind auch die Art Fälle, mit denen sich der Werberat hauptsächlich auseinandersetzt.

Das zweite Paar Schuhe sind Rollenbilder: Moderne Rollenbilder und Klischees auf den Kopf zu stellen, funktioniert deutlich besser und findet sehr viel häufiger in der Werbung statt, als das alte Rollenbilder weiter zementiert werden.

Bisher hieß es ja immer "Sex sells". Nackte Haut garantiert Aufmerksamkeit. Stimmt das denn noch?

Nein, diese Aussage stimmt nicht mehr. Studien belegen, dass gerade jüngere Menschen alle Dinge, die sexistisch sind, ablehnen. Eben weil sie ein moderneres Rollenbild haben und sich dementsprechend nicht mehr mit so plumpen Ideen ködern lassen, sondern sie eher kritisieren.

Funktioniert Werbung denn, wenn sie Rollenklischees bedient?

Also, wenn sie völlig altbacken ist, zum Beispiel "Mutti steht am Herd und Vati trinkt mit drei Leuten Bier beim Skat spielen", dann wird diese Werbung in der heutigen Zeit wohl eher nicht funktionieren. Das führt eher dazu, dass Leute die Produkte kritisieren und im schlimmsten Fall beschwört man einen Shitstorm herauf.

Bewirkt ein Shitstorm denn überhaupt etwas?

Es ist ein gutes Korrektiv, definitiv. Das beste Korrektiv sind aber tatsächlich Verkaufszahlen. Denn wenn Werbung nicht funktioniert, kaufen die Leute das Produkt nicht. Ein Unternehmen wird dementsprechend darauf achten, mit seiner Werbung nichts zu tun, was Probleme auslösen könnte. Besonders wenn es sexistisch ist oder die Rollenbilder nicht ideal sind. Dafür ist Werbung nicht gemacht. Es geht immer darum, etwas zu verkaufen oder Wertschätzung für das Produkt herzustellen. Oft wird natürlich auch bewusst provoziert, um die dadurch generierte Diskussion als Werbung für sich zu nutzen.

Führt ein Shitstorm denn wirklich dazu, dass ein Unternehmen weniger verkauft?

Doch, das korrespondiert teilweise. Wenn sie viele Leute haben, die sich darüber beschweren, dass in einem KitKat-Schokoriegel Palmöl drin ist, dann ist das ein Problem für Nestlé, auf das reagiert werden muss. Im Zweifelsfall bedeutet das, dass Nestlé den Schokoriegel in Zukunft ohne Palmöl herstellt, um so keine potentiellen Kunden zu verschrecken. Genau dafür ist das Internet gut: Es gibt dem Konsumenten eine Stimme, der sagt: "Ich lass mich nicht von schlechter Werbung und schlechten Produkten verarschen."


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