Kokosöl und Kohlenhydrate Sind Foodtrends unsere neue Religion?
Fast jeden Tag kommt eine Studie raus, die uns erklären will, wie gesunde Ernährung funktioniert. Das kann ganz schön verwirrend sein. Aber: Warum rennen wir den Trends so hinterher? Und was ist denn eigentlich gesunde Ernährung?
Vor ein paar Wochen habe ich beschlossen: So ein paar Kilos, die müssen schon mal wieder runter. Auf meine Ernährung hab ich in letzter Zeit nämlich gar nicht geachtet. Also habe ich mit Low Carb angefangen – ich verzichte auf Kohlenhydrate. Ich hatte immer das Gefühl, dass mir das gut tut. Und es gibt ja auch genügend Studien, die das bestätigen. Bis ich dann die Schlagzeile gelesen habe: Wer sich Low Carb ernährt, stirbt früher. Das sagt eine Studie von Forschern aus Boston. Meine Diät habe ich dann ganz schnell wieder abgebrochen. Aber war das auch richtig?
Tausend Studien - Tausend Ergebnisse
Als Laie frage ich mich dann schon: Was stimmt denn jetzt? Ähnlich gegensätzliche Studienergebnisse gibt es unter anderem auch für Kaffee, Wein und Eier. Oder aber Kokosfett: "Kokosfett ist reines Gift", meinte letztens Prof. Karin Michels von der Uni Freiburg – nur um kurz danach einzulenken: Die Formulierung sei etwas zu spitz gewesen. Naja, und außerdem ist Kokosöl laut Studien, die Prof. Michels später selbst verlinkt hat, wohl doch nicht so schädlich wie sie im Vortrag erklärt hat.
In der Low-Carb-Studie vom Brigham and Women’s Hospital in Boston, laut der Low-Carb-Esser früher sterben, haben die angeblichen Low-Carb-Teilnehmer nur am wenigsten Kohlenhydraten von allen anderen gegessen – sich aber nicht Low Carb ernährt. Low Carb heißt eigentlich 75 Gramm Kohlenhydrate pro Tag sind erlaubt. Die Probanden durften aber doppelt so viel essen. Außerdem haben diese Probanden mehr tierisches Fett konsumiert, generell öfter geraucht und weniger Sport gemacht. Kein Wunder, dass sie da früher sterben. Aber auch Forscher, die sagen, Low Carb sei gut, haben nicht unbedingt Recht, meint Ernährungsmediziner Johannes Erdmann: "Wenn man ehrlich ist: Keine einzige Studie zeigt, dass er da wirklich mit der ein oder anderen Kost länger lebt."
Das Problem ist auch: Für so eine Studie müssten sich die Teilnehmer 25 Jahre auf eine Ernährungsart beschränken - zum Beispiel 25 Jahre immer Low Carb essen. Das hält natürlich kaum jemand durch - weder Menschen, die sich in den Dienst der Wissenschaft stellen, noch welche, die freiwillig Food-Trends folgen.
Foodtrends - unsere neue Religion?
Trotzdem rennen wir diesen Trends hinterher. Bloß... warum? Ernährungsmediziner Erdmann meint, dass sei schon fast eine philosophische Frage:
"Der Gesundheitsaspekt hat jetzt praktisch die Bedeutung einer Religion angenommen. Das heißt: Wir suchen etwas Sinnhaftes, was uns heil macht, aber das ist fast wie die Suche nach dem Heiligen Gral. Und da probiert man immer was aus, weil das vorherige hat ja nicht funktioniert."
Johannes Erdmann, Ernährungsmediziner
Wenn Low Carb nichts bringt, dann gehen wir halt zum nächsten Trend, wie Paleo oder No Sugar.
Das liegt auch daran, dass wir uns erst mal super gut fühlen, wenn wir eine neue Ernährungsart beginnen. Fast so, wie wenn wir unsere Wohnung von hinten bis vorne aufräumen, meint Johannes Erdmann:
"Dann haben Sie das Gefühl, dass irgendwie ein neuer Lebensabschnitt beginnt und das gibt der Motivation einen Schub. Wenn diese Begeisterung auf Dauer anhalten würde, dann würde man sich auch konsequenter an eine Ernährung halten. Dass das nicht der Fall ist, sieht man ja, weil jedes Jahr sozusagen ein neuer Trend durchs Dorf getrieben wird."
Johannes Erdmann, Ernährungsmediziner
Wir haben offenbar einfach die Tendenz, in unsere alten Gewohnheitsmuster zurückzufallen, nachdem sich die Lust gelegt hat, etwas Neues auszuprobieren - auch bei der Ernährung. Das liegt auch daran, dass wir uns oft Ernährungstrends aussuchen, die wir eigentlich gar nicht mögen und nur machen, weil sie ja als so toll oder gesund verkauft werden. Spätestens nach ein paar Wochen werden wir dann aber immer nachlässiger und die Lust auf den neuen Ernährungstrend ist wieder vorbei. Das ist zumindest die Einschätzung von Johannes Erdmann. Bei meiner Low-Carb-Diät habe ich leider auch an Tag Fünf vergessen, dass ich eigentlich auf meine heißgeliebte Breze zum Frühstück verzichten müsste. Huch!
Die beste Ernährung ist ganz einfach
Dabei ist es eigentlich ganz einfach, sich gesund zu ernähren: Wir in Deutschland haben eher einen Überfluss, als einen Mangel, den man mit der Ernährung auffangen müsste. Johannes Erdmann empfiehlt für gesunde, nach dem BMI normalgewichtige Menschen eine ausgewogene Mischung aus tierischen und pflanzlichen Lebensmitteln. Schnitzel und Pommes sind dabei auch schon mal drin. Trotzdem: Zu viele Kalorien sind nicht gesund, meint auch Johannes Erdmann. "Deswegen immer mal auf die Snacks achten... Gerade das Teilchen nachmittags vom Bäcker vergessen wir gerne mal und essen dann abends wieder unsere normale Portion." Und das sind dann wirklich unnötige Kalorien, auf die ich ehrlich gesagt, in Zukunft lieber mal verzichte. Und ich renne nicht jedem Ernährungstrend direkt hinterher – ich hör jetzt lieber mal auf meinen Körper und der sagt mir aktuell: Gib mir Kohlenhydrate!!!
Sendung: Filter, 06.09.2018 - ab 15.00 Uhr