Stressarmes Schlachten Warum es sinnvoll ist, Schweine in ihrem Zuhause zu töten

In Niederbayern testet man gerade die Zukunft des Schlachtens - und zwar nicht in einem Schlachtbetrieb, sondern auf der Weide. Das Ziel: die Stressbelastung für die Tiere muss sinken.

Von: Maximilian Sippenauer

Stand: 21.11.2018 | Archiv

Drei Schweine auf einer Wiese | Bild: colourbox.com

Einmal im Jahr - meistens lag Schnee - da hing im Garten meiner Oma an der Schaukelstange keine Schaukel, sondern eine tote Sau. Denn einmal im Jahr wurde geschlachtet: Ein Schwein vom Nachbarn, Fleischvorrat für die ganze Familie. Für mich als kleiner Junge war das abstoßend, aber mindestens genauso faszinierend. Wenn der Metzger, der ein Holzbein hatte, die Sau zerteilte, die Därme mit dem Wasserschlauch auswusch und ich später in dieselben Därme Hack drehte. Das durfte ich alles mitmachen, weil es zum Fleischessen gehört, zu wissen, dass dafür ein Tier sterben muss. Krass war tatsächlich nur ein Moment: die Tötung. Selbst der rabiate Holzbeinmetzger war da extrem nervös. Aber nicht, weil er wie ich irgendwelche Skrupel gehabt hätte, sondern weil es entscheidend war, dass die Sau ruhig war. Die Maxime: so wenig Stress für das Tier wie möglich. Warum eigentlich?

Auf dem nachhaltigen Landwirtschaftsbetrieb Land.Luft in Leberfing ging man zuletzt dieser Frage nach. In Kooperation mit der Tierärztlichen Fakultät der LMU München wurde dort ein Pilotprojekt zur stressfreien Schlachtung durchgeführt. Die Idee dabei ist ganz simpel: "Aus dem Wohl der Tiere entsteht Qualität. Deshalb schlachten wir auf der Weide und transportieren die Tiere nicht in einen Schlachthof", erklärt Patrick Ossiander, Betreiber des Bauernhofs in Niederbayern. "Wir holen einen Schlachtanhänger auf die Mastweide, also dorthin, wo die Schweine ihr ganzes Leben verbringen. Sie werden in ihrer gewohnten Umgebung betäubt. Das ist für die Tiere sehr stressarm."

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In den letzten Jahren haben die Debatten über Fleischkonsum viel verändert. Das Bewusstsein für artgerechte Haltung ist gewachsen - auch was das Töten der Tiere anbelangt. Allerdings wird das Problem der Tötung meistens vom Schmerz her diskutiert, also wie man das Tier möglichst wenig quält. Hinten runter fällt dabei aber das Thema Stress. Die meisten Tiere, egal ob vom Biohof oder aus der konventionellen Zucht, werden nämlich in Transportern aus ihren Ställen oder von ihren Weiden in Schlachthöfe gekarrt und erst dort getötet. Schweine zum Beispiel sind hochsensible Tiere, die sofort kapieren, wenn es Richtung Schlachtbank geht. Vor allem auch deshalb, weil der Weg aufs Schafott häufig ein sehr langer und ungewohnter ist. Und dieser Transport ist ein enormer Stress für die Tiere.

Bei einer Schlachtung vor Ort, also im Zuhause der Schweine, ist das komplett anders. Das wurde jetzt auch im Rahmen des Pilotprojekts in Leberfing wissenschaftlich belegt. Forscher der Tierärztlichen Fakultät konnten durch Laktattests und Messungen des Cortisol-Wertes in Speichelproben nachweisen, dass die Schweine, die in einem Schlachtanhänger, an den sie langsam gewöhnt wurden, vor der Schlachtung viel weniger Stresshormone ausschütten. Das ist nicht nur gut für die Tiere, sondern hat auch Auswirkungen auf die Fleischqualität. "Der Tropfsatzverlust, also das Wasser, das beim Braten austritt, ist nicht so dramatisch. Und das Aroma ist exzellent, vorausgesetzt natürlich, das Tier wurde auch artgerecht gehalten," sagt Prof. Dr. Gareis von der LMU München.

Absurderweise sind das alles Dinge, die vor zwanzig Jahren, wenn bei meiner Oma mal wieder die Schaukel abgehängt wurde, selbstverständlich waren. Der Metzger, mein Großvater, alle redeten auf das Schwein ein, versuchten es auf den paar Metern vom Nachbarn in den eigenen Garten ruhig zu halten. Jeder wusste: Stress ist schlecht für das Fleisch. Und die Horrorvorstellung schlechthin war immer, dass eine Sau ausbüxt und dabei einen Herzinfarkt bekommt. Denn dann kann man das Fleisch wegwerfen.

Dass dieses Bewusstsein in den letzten Jahren verlorengegangen ist, liegt auch an den Veränderungen in der Verarbeitungsinfrastruktur. Laut Gareis lässt sich da beobachten, dass zwar immer mehr Schweine gehalten werden, die aber in immer weniger, hochprofessionalisierten Schlachtfabriken getötet werden. Für die Schweine bedeutet das, dass die Transportwege immer länger und stressbelasteter werden. Der mobile Schlachtanhänger könnte hier eine Lösung sein. Denn das Schlachten vor Ort ist nicht nur besser für die Tiere und das Fleisch, sondern kostet vor allem seinen Kunden keinen Cent mehr, so Patrick Ossiander. Es lohnt sich also in jeder Hinsicht beim Fleischkauf in Zukunft auch darauf zu achten, wo und wie das Tier getötet wurde.

Sendung: Filter, 21.11.2018 ab 15.00 Uhr