Beziehungsplauze Wo viel Bauch ist, ist auch viel Liebe
Die Beziehungswampe ist kein Mythos, sondern für viele Paare Realität. Studien belegen, dass Verliebte im Vergleich zu Singles weniger gut in Form sind. Aber keine Panik: Für die Liebe kann das ein gutes Zeichen sein.
Die Monate verstreichen und nach allen Staffeln Prison Break, viel Kuscheln und dem deutlichen Einbruch sportlicher Aktivität, offenbart die Waage ein weniger berauschendes Resultat eurer Beziehung: Fünf Kilo puls. Tatsächlich sitzen die Jeans enger als sonst. Ist das diese Beziehungsplauze von der immer alle reden? Oder bildet ihr euch das nur ein? Nochmal wiegen. Verdammt!
Bevor ihr in einer Kurzschlussreaktion eure Nahrungsaufnahme auf Low-Carb setzt und bei Spotify blind der Liste "Fit mit Beat" folgt, die erste gute Nachricht: Ihr seid nicht alleine. In einer aktuellen Forsa-Umfrage hat ein Viertel der Befragten angegeben, dass sie zugelegt haben, seit sie in einer Beziehung sind. Die wenigsten haben zwar das Gefühl, dass ihre Attraktivität darunter leidet (nur drei Prozent), aber stolze Plauzenbesitzer, die ihre Schwimmringe als Statussymbol für eine erfüllte Beziehung präsentieren, findet man trotzdem eher weniger.
Negative Protektion
Aber warum nehmen wir eigentlich zu, wenn wir in einer Beziehung sind? So viel mehr essen wir doch als Paar gar nicht...
Zum einen gibt es da die sogenannte "negative Protektion". Dabei schirmen sich Verliebte gegenseitig von Verhaltensweisen aus der Zeit vor der Beziehung ab. Das kann natürlich gut sein, zum Beispiel hilft eine neue Beziehung dabei, mit dem Rauchen aufzuhören. Diese negative Protektion kann aber auch nach hinten losgehen. Zum Beispiel, wenn sich das Paar gegenseitig von Sport oder gesunder Ernäherung abhält: Bingewatching statt Waldlauf. So ein Lebensstil geht früher oder später auf die Hüften. Das ist besonders schwierig, wenn die Verliebten unterschiedlich fit sind, sagt Dr. Johannes Stauder vom Max-Weber-Institut für Soziologie:
"Ob man jetzt die Mountainbike-Tour in die Alpen macht oder nicht, das hängt nicht vom fitteren, sondern vom weniger fitten Partner ab. Das kann dazu führen, dass auch der fittere von beiden weniger Gelegenheit hat, sich in Form zu halten"
Dr. Johannes Stauder, Soziologe
Ein evolutionstheoretisches Phänomen
Hinter dem Beziehungsbauch steckt aber mehr als ein Netflix-Nebeneffekt. Wir haben es hier mit einem tiefenpsychologischen Phänomen zu tun, das seine Wurzeln in der Evolutionstheorie hat - und dahinter steckt die zweite gute Nachricht: Wo viel Bauch ist, ist oft auch viel Liebe. In erster Linie, weil wir uns in einer Beziehung wohl und bestätigt fühlen. Das Gefühl von Sicherheit ist ausschlaggebend für die Speckröllchen. Wir chillen.
"Menschen in Beziehungen sind einfach nicht mehr angehalten, sich für den Partnermarkt fit zu halten, also attraktiv zu bleiben für eine gegebenfalls andere Beziehung."
Dr. Johannes Stauder, Soziologe
Man könnte sagen, dass sich der Bauchumfang der aktuellen Konkurrenzsituation auf dem Partnermarkt anpasst. In einer Beziehung ist dieser Aspekt irrelevant, weil wir ja unseren Partner haben, der uns das Gefühl gibt, dass wir ganz wunderbar aussehen - Sixpack hin oder her. Die Konsequenz ist, dass wir unser Balzverhalten ändern. Im Grunde legen wir es einfach ab. Das Buhlen um Aufmerksamkeit auf dem harten Pflaster des Singlemarkts ist ab sofort unnötig, der Konkurrenzdruck fällt weg. Damit geht man zwar entspannter durchs Leben, aber eben oft auch weniger fit. Unromantische Menschen würden sagen: Wer in einer Beziehung ist, hat sich für die "sichere Nummer" entschieden und lässt sich ein wenig gehen.
Das bedeutet aber nicht, dass Singles tendenziell fitter sind, als Pärchen. Langfristig sind Menschen in einer Beziehung gesünder als Singles, sagt Dr. Stauder. Beim Thema Bauchumfang sind Singles einfach stärker unter Zugzwang. Selektion ist das Stichwort: Singles müssen sich durchsetzen an der Liebes-Börse. Es geht darum, alle Konkurrenten zu übertrumpfen. Und dafür gibt es eben diese fiesen Tricks, genannt Bizeps oder Gluteus Maximus. Thug Life.
Kriselt's, geht die Beziehungsplauze zurück
Wenn aus Schatz aber plötzlich der nervige Langweiler wird, der jedes Mal vergisst den verdammten Klodeckel runterzuklappen, kann es sein, dass wir uns auf eine mögliche Trennung einstellen und abspecken. Einerseits um uns selbst wieder attraktiver zu fühlen, andererseits, weil bald wieder harte Tinder-Fights anstehen könnten. Der Partnermarkt ist wieder offen, wir sind back im Game, der Konkurrenzdruck steigt.
"Wenn eine Beziehung nicht zufriedenstellend ist, dann kann es sein, dass einer der Partner anfängt zu trainieren, zunächst vielleicht erstmal, um sich selbst wieder mehr zu gefallen. Und wenn er dann wieder attraktiver aussieht, dann ist er natürlich auch attraktiver für alternative Partner"
Dr. Johannes Stauder, Soziologe
Aus Bärchen soll wieder das schlanke Wunder werden, nach dem sich der halbe Club umdreht. Wenn die "bessere Hälfte" plötzlich vier Mal die Woche joggen geht und ein Abo im Fitnessstudio abschließt, dann sollten wir uns also ganz schnell angewöhnen, den Klodeckel runterzuklappen. Vielleicht kann das die Beziehung noch retten...
Dass wir in einer Beziehungskrise abnehmen hat aber auch noch andere Gründe. Streiten ist einfach stressig. Der Stress setzt dem Körper so zu, dass uns der Appetit vergeht, wir weniger essen und unsere Fettreserven aufgebraucht werden. Wir nehmen ab. Wenn wir Beef haben, fällt außerdem oft das gemeinsame Futtern weg. Weder gibt es die gemeinsamen Tortilla-Dips-durchtränkten Sonntage auf der Couch, noch die ritualisierte Freitags-Pizza vom Italiener um die Ecke. Das sorgt zwar für Herzschmerz, macht sich auf der Waage aber ganz gut.
Weg mit dem Bauch – im Team
Soweit die graue, unromantische Theorie. Das Ganze ist natürlich von X Faktoren abhängig und keiner kann pauschal sagen: Wer abnimmt, wird in seiner Beziehung scheitern, wer zunimmt ist happy. Prinzipiell ist es ja nichts schlimmes auf seine Figur zu achten. Außerdem kann man den Beziehungsplauzen auch einfach gemeinsam den Kampf ansagen. Im besten Fall schweißt das sogar noch mehr zusammen:
Sendung: Hochfahren, 14.07.2017 ab 7 Uhr