Mehr Tierversuche in Deutschland Experimente an Tieren sind ein No-Go, oder?
In Deutschland gab es 2016 wieder mehr der Tierversuche. Natürlich ist die Methode umstritten: Forscher finden sie notwendig, Tierschützer halten sie für Quälerei.
In Deutschland gab es 2016 wieder mehr der Tierversuche. Natürlich ist die Methode umstritten: Forscher finden sie notwendig, Tierschützer halten sie für Quälerei.
Grelles Licht, weiße Wände, der Geruch von Desinfektionsmittel, Mäuse in Labyrinthen und verkabelte Schimpansen: Die Bilder, die den meisten Menschen beim Begriff "Tierversuche" in den Kopf kommen sind unschön.
Über 2,85 Millionen Tierversuche haben Forscher im Jahr 2016 in Deutschland durchgeführt - rund 50.000 mehr als 2015. Über 665.000 Tiere wurden dadurch getötet. Dabei sind auch die sogenannten "schweren Fälle" angestiegen. Davon ist zum Beispiel die Rede, wenn Forscher Ratten stundenlang schwimmen lassen, um sie zu einer Art Verzweiflung zu treiben und so menschliche Depressionen zu simulieren. Rund die Hälfte der Versuchstiere waren Mäuse, danach kommen Fische, Ratten, Kaninchen und Vögel. Allerdings wurden auch mit fast 4.000 Hunden, rund 2.500 Affen und Halbaffen sowie ca. 770 Katzen Experimente durchgeführt.
Tierversuche sind heftig umstritten. Die einen sagen, Tierversuche sind unersetzlich und wichtig für die Forschung. Andere halten Tierversuche für grausam und vor allem für überflüssig.
Eine von Ihnen ist Dr. Gaby Neumann, eine Tierärztin, die sich im Bündnis "Ärzte gegen Tierversuche" engagiert. Ihrer Meinung nach sind Tierversuche keine wirklich erfolgversprechende Methode, weil die Ergebnisse nur in den wenigsten Fällen auf den Menschen übertragbar sind - in weniger als einem Prozent der Fälle.
"Ein Mensch erkrankt aus ganz verschiedenen Gründen, das ist nicht nur genetisch veranlagt. Das kann man bei einem Tier alles gar nicht simulieren. Die schlechte Übertragbarkeit bestätigt, dass man in Tierversuchen nur die Symptome erforschen kann, aber selten die Entstehung einer Krankheit."
Dr. Gaby Neumann, Bündnis Ärzte gegen Tierversuche
Zu einem Teil der Tierversuche sind Forscher gesetzlich verpflichtet, zum Beispiel dann, wenn es um die Zulassung eines neuen Medikaments geht. Über die Hälfte der Versuche zählt allerdings zur sogenannten Grundlagenforschung. Laut Dr. Neumann werden diese Versuche vor allem durchgeführt, um die "Neugier der Wissenschaftler" zu befriedigen. Sie fordert ein generelles Umdenken: Weg von Tierversuchen hin zu alternativen Methoden
"Es gibt bereits jetzt ganz wunderbare Alternativen. Das fängt bei Bevölkerungsstudien an, geht über Computersimulationen und endet bei sogenannten Organoiden. Das sind im Grunde gezüchtete, menschliche Miniorgane, an denen man Versuche durchführen kann."
Dr. Gaby Neumann, Bündnis Ärzte gegen Tierversuche
Genau hier liegt für Prof. Stephan von Hörsten das Problem. Der Leiter des Präklinischen Experimentellen Tierzentrums der Uniklinik Erlangen sagt: Alternative Methoden sind einfach noch nicht weit genug entwickelt. Auch wenn er zum Beispiel Organoide als "wichtigen Weg, den die Forschung beschreiten muss" bezeichnet, könne man ihr Potenzial noch nicht mit Tierversuchen vergleichen.
"Bei psychiatrischen Erkrankungen – also komplexen Zusammenhängen im menschlichen Gehirn – sind die Ursachen derartig komplex miteinander verknüpft, dass wir diese Dinge nicht in Zellkulturen abbilden können"
Prof. Stephan von Hörsten, Uniklinik Erlangen
Ähnlich sieht es bei Immunkrankheiten aus, auch da könne man mit Tierversuchen besser forschen. "Ich glaube nicht, dass es in meiner Lebenszeit noch dazu kommt, dass Tierversuche abgelöst werden", sagt Prof. Hörsten. Trotzdem findet er es wichtig, öffentlich über das Thema zu sprechen und schlägt ein Modell vor, mit dem alternative Methoden finanziell gefördert werden.
Vielleicht wäre das genau der Anstoß zum Umdenken, den Dr. Neumann fordert. Denn auch wenn Tierversuche in vielen Fällen noch alternativlos zu sein scheinen, eins steht fest: Eine Forschung, in der sie überflüssig sind, wünschen sich wohl nicht nur die meisten Wissenschaftler.
Sendung: Filter vom 08.01.2018 - ab 15 Uhr