Manipulierte Mäuse und Milchkühe Mehr Tierversuche durch Gentechnik
Eigentlich sollte die Zahl der Tierversuche sinken. Aber weil Wissenschaft und Industrie mit Gentechnik experimentieren, steigt die Zahl der Versuchstiere.
Beim Thema Tierschutz gäbe es eigentlich Fortschritte zu vermelden: Die Zahl der traditionellen Forschungsversuche, wie wir sie aus der Kosmetikindustrie kennen, sinkt. Aber die Experimente mit Tieren sind insgesamt nicht weniger geworden. Denn, egal ob unfruchtbare Schweine, die sich für die Stallhaltung eignen, oder die Superkuh, die optimierte Milch produziert: Die Gentechnik beflügelt die Fantasie von Forschern und Ernährungsökonomen und treibt die Zahl von Tierversuchen in die Höhe. Laut einer Studie, die die Grünen im Bundestag in Auftrag gegeben haben, haben sich die Versuchszahlen im Gentechnik-Bereich in zehn Jahren verdreifacht: Waren es 2004 noch 317.000 Tiere, die durch Experimente "verbraucht" wurden, waren es 2013 knapp eine Million.
Totgeburten bei Milchkühen
Genetisch veränderte Tiere braucht man einerseits in der Grundlagenforschung: Hier testen Forscher, meist an Mäusen oder Ratten, grundsätzliche Fragen, zum Beispiel zum Immunsystem. Aber auch an Nutztieren wie Kühen wird herumgedoktort. Bei ihnen will die Industrie die Milch optiminieren und zum Beispiel den Anteil des Eiweißes zur Käseherstellung, Casein, erhöhen. Und diese Experimente bringen fragwürdige Nebenwirkungen mit sich, erklärt Harald Ebner, der Gentechnik-Experte der Grünen:
"Diese Versuche, beispielsweise bei Milchkühen - den Caseingehalt in der Milch mit Gentechnik zu erhöhen - hören sich ja immer toll an: tolle Methode! Und schwupps haben wir ein neues Tier, das so funktioniert, wie wir das gerne hätten. Mit dieser Hoffnung ist aber sehr viel Tierleid verbunden. Die Versuche haben zu häufigen Totgeburten geführt und dazu dass nur sechs Prozent der Tiere lebend geboren wurden."
Harald Ebner, Gentechnik-Experte der Grünen
Mittlerweile ist der Anteil von Gentechnik-Experimenten schon auf fast ein Drittel der gesamten Tierversuche angewachsen.
Gentechnik-Tierversuche sind doppelt problematisch
Gesetzlich ist der Zweck von Tierversuchen klar definiert. Mit Tieren dürfen Forscher nur experimentieren, wenn es wirklich notwendig ist. Ob dazu das Kreieren einer Supermilchkuh gehört, ist die eine Streitfrage. Außerdem finden Tierrechtler Versuche mit Gentechnik doppelt problematisch.
"Das man Tiere verbraucht für das Versuchswesen, um Substanzen zu testen - da wollen wir ja soweit wie möglich wegkommen davon. Aber was wir hauptsächlich kritisieren, auch bei den gentechnisch veränderten Tieren, ist, dass der Weg dahin, bis man ein gentechnisch verändertes Tier hat, mit so unendlich viel Tierleid verbunden ist, dass es aus unserer Sicht gar nicht mehr vertretbar ist."
Harald Ebner, Gentechnik-Experte der Grünen
Im Prozess eine perfekt manipulierten Kuh oder Ratte zu entwickeln, müssen oft sehr viele Tiere sterben. Das heißt sie werden geschlachtet, weil sie unbrauchbar geworden sind.
Das Ministerium hat noch keine genaue Position
Für Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) sind die gestiegenen Zahlen schlechte Nachrichten. Sein Ministerium will die Zahl der Tierversuche grundsätzlich begrenzen. Das erkennt auch der Mann von den Grünen an. Nur in den Bereich der Gentechnik, so der Vorwurf, sind die Bemühungen noch nicht vorgedrungen.