Uni-Leben Kann das Sommersemester 2020 ein normales Semester werden?
Die bundesweiten Ausgangsbeschränkungen wirken sich auch auf das Leben der Studierenden aus. Deswegen fordern drei Professorinnen jetzt: Das Sommersemester 2020 soll ein "Nichtsemester" werden. Das findet nicht jeder gut.
Nicht nur Bars und Clubs sind gerade dicht, auch die Vorlesungssäle bleiben erstmal verriegelt. Das Corona-Virus heißt auch für Unis, Lehrende und Studis: Ausnahmezustand. Und: Neue Herausforderungen, die zum normalen Semester-Stress noch hinzukommen. Vorlesungen wurden verschoben, Bibliotheken bleiben geschlossen, E-Learning-Plattformen sind überlastet. Und manche Studierende haben ganz einfach zu schlechtes Internet zuhause, um online Stoff nachzuholen. Oder ihren Nebenjob verloren und müssen gerade schauen, wie sie über die Runden kommen.
Deswegen fordern drei Professorinnen in einem offenen Brief, dass das Sommersemester 2020 ein "Nicht-Semester" wird. Weil es sich momentan um eine außerordentliche Situation für alle handelt und keiner weiß, wie und wann es normal weitergehen kann, herrsche große Unsicherheit bei Studierenden wie Lehrenden, sagt Soziologie-Professorin Paula-Irene Villa Braslavsky von der LMU München. Sie ist eine der Verfasserinnen des Briefs. Weitere Initiatorinnen sind die Hannoveraner Amerikanistin Ruth Mayer und die in Trier lehrende Literaturwissenschaftlerin Andrea Geier.
1.400 Unterschriften in drei Tagen
"Von dieser Unsicherheit aus denkend glauben wir, dass es gerade keine gute Idee ist, zu sagen: 'business as usual', jetzt machen wir alle flockig Online-Lehre und alles geht wie gewohnt weiter", sagt Villa Braslavsky. Über 1.400 Wissenschaftler*innen hätten innerhalb von drei Tagen unterzeichnet, erzählt die Soziologin. Sie alle seien sich einig: Wenn nicht sinnvoll studiert werden kann, dann sollte das für niemanden ein Nachteil sein.
Das Wort "Nicht-Semester" ist jedoch ein wenig missverständlich. So soll es nicht bedeuten, dass das Semester einfach komplett ausfällt, sondern: "Nicht-Semester, so wie wir das Wort verwenden, heißt: Es wird noch gelehrt, gleichzeitig jedoch auch berücksichtigt, dass ziemlich viele Studierende und Lehrende mit neuen Schwierigkeiten und Problemen zu kämpfen haben." Man könne sich das vorstellen wie eine "Atempause", ein kurzer "Reset" für das gesamte System. Wer aber seinen Abschluss machen will, Prüfungen ablegen kann und alles irgendwie managed, soll das auch weiterhin können und unbedingt auch machen, sagt Villa Braslavsky. Und: "Wir alle lehren so gut und gerne, wie wir es eben unter diesen Umständen können."
Kritik aus Berlin
Doch es gibt bereits Widerspruch. Zum Beispiel von der Präsidentin der Humboldt-Uni in Berlin, Sabine Kunst: "Ich halte diese Forderung im Sinne unserer gesellschaftlichen Verantwortung und im Sinne der Studierenden für keinen praktikablen und daher auch für keinen guten Vorschlag", hat sie dem Berliner Tagesspiegel gesagt. Es gehe ihr um kreative Lösungen, eher ein halbes statt ein ganzes Semester. Vor allem aber "keine Unterbrechung der Bildungskette". Auch der Präsident der FU Berlin Günter M. Ziegler kritisiert den "offenen Brief": Man wolle "keine verpasste Gelegenheit" und damit auch kein "Nicht-Semester".
Der Brief sei ein Appell, enthalte keine konkreten Forderungen, geschweige denn einen Plan zur Umsetzung des "Nicht-Semesters", das sei schließlich Aufgabe der Hochschulpolitik, so Initiatorin Villa Braslavsky: "Was dabei rauskommt, weiß ich nicht. Ich bin aber ziemlich sicher, dass es am Ende eine Regelung geben wird, die größtmögliche Flexibilität auch für die Studis ermöglicht. Da bin ich zuversichtlich." In dieser extrem unsicheren Situation solle es jetzt mal nicht um die gehen, "die das schon irgendwie hinkriegen", sagt Villa Braslavsky. Sondern um die Schwächsten: Leute, die mit Visum in Deutschland studieren, die von Bafög leben, sich um kleine Kinder kümmern oder einfach sehr begrenztes Datenvolumen haben.
PULS am Nachmittag vom 25. März 2020 - ab 15 Uhr