Verhüten ohne Hormone Gibt es echte Alternativen zur Pille?
Wieso raten Frauenärzte so schnell zu Hormonen? Und wieso gibt es scheinbar kaum Alternativen? Wir haben uns drei hormonfreie Verhütungsmethoden angeschaut und Nutzerinnen zu ihren Erfahrungen befragt.
1960 – die Antibabypille kommt auf den Markt. Und alle so: Yeah! 2017 – laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung nimmt über die Hälfte der deutschen Frauen die Antibabypille um zu verhüten. Und alle so: Fuck! Denn mittlerweile kennt man die Kehrseite.
Die Pille war in den Sechzigern ohne Zweifel ein ziemlich großer Schritt für die sexuelle Selbstbestimmung der Frau. Heute steht sie immer mehr in der Kritik wegen Nebenwirkungen wie Gewichtszunahme, Kopfschmerzen, geringer Libido oder sogar lebensbedrohlicher Thrombose. Die Pille ist heute mehr eine Bürde als eine Befreiung – auch weil die Verantwortung in puncto Verhütung nicht zuletzt dank ihr schon ziemlich lange standardmäßig bei der Frau liegt:
Sex in der Beziehung? – „Bitte ohne Kondom – du nimmst ja die Pille.“
ONS ? – „Müssen wir ein Kondom nehmen? Du nimmst doch die Pille, oder? Und ich hab auch echt nix Ansteckendes.“
Sex nach der Schwangerschaft? – „Du nimmst dann jetzt nach der Geburt schon wieder die Pille, oder?“
Hormonpräparate gibt es viele – aber wie funktioniert es ohne Hormone? Sabine hat die Kupferkette, Jasmin macht „Natürliche Familienplanung“ und Katrin hat den Verhütungscomputer „Trackle“ erfunden.
1. Kupferkette – Kupfer macht den Samen schlapp
Die gute Nachricht vorweg: Kupferpräparate ändern rein gar nichts an deinem natürlichen Zyklus. Es gibt den Kupferball, die Kupferspirale und die Kupferkette. Die Kupferkette ist wegen dem Tragekomfort und den geringeren Nebenwirkungen her die beliebteste Variante. Sie sieht aus wie ein winziges, viergliedriges Armband. Das wird an die Gebärmutter gehängt und baumelt dann fröhlich vor sich hin. Die konstante Abgabe von Kupfer hemmt die Lebensdauer der eintrudelnden Spermien und hindert sie am Einnisten. Der Pearl-Index, der anzeigt, wie sicher ein Verhütungsmittel ist, liegt bei der Kupferkette zwischen 0,9 bis 3 und ist damit sehr sicher. Je niedriger der Pearl-Index, desto sicherer die Verhütung. Zum Vergleich: die Pille liegt bei perfekter Anwendung zwischen 0,3 und 0,9. Kann aber bei typischen Anwendungsfehlern oder Wechselwirkungen mit Medikamenten bis zu einem Index von 9 variieren.
Sabine hat sich die Kupferkette vor etwa einem Jahr einsetzen lassen:
"Ich hab mich vorher super lange informiert, weil ich einfach von der Pille weg wollte. Inzwischen fühle ich mich total wohl damit. Ich hab den ganzen Dreck nicht mehr im Körper und muss auch an nichts denken. Bei mir verstärkt das Kupfer zwar ein bisschen die Blutung, aber damit komm ich auch klar. Das Einsetzen war schon unangenehm, es tut ein bisschen weh, aber das ist echt auszuhalten. Ich merk die Kupferkette auch eigentlich nicht, man kann sie allerdings ertasten – was ganz gut ist, weil man dann weiß, dass sie noch da ist. Beim Sex spürt man sie auch nicht. Außer der Typ hat einen sehr langen Penis. Das kam kürzlich mal vor. Da hat er mir die Kupferkette verschoben und ich musste zum Arzt. Der hat sie mir gerade gerückt."
Sabine
2. Natürliche Familienplanung - Zervix nomoi!
Natürliche Familienplanung (NFP) ist organisatorisch eher aufwendig. Man muss über Folgendes genau Buch führen: Wie ist meine Temperatur beim Aufstehen? Wie fühlt sich mein Ausfluss, der Zervixschleim, an? Bekomme ich ganz regelmäßig meine Periode? Zusätzlich kann man die natürlichen Hormone im Urin messen. Der Pearl-Index liegt bei der natürlichen Familienplanung ebenfalls bei 0,4 – variiert aber stark bei Handhabungsfehlern.
Jasmin verwendet die NFP als Verhütungsmethode seit mehreren Jahren:
"Ich verhüte schon super lange mit Kalender. Ich kann mich aber noch dran erinnern, wie ich die Pille abgesetzt habe. Da habe ich zum ersten Mal gemerkt, dass ich Ausfluss habe. Das fand ich schon unangenehm, wenn da was im Slip war und der Schlüpfer nach dem Sex irgendwo rumlag. Aber irgendwie ist es auch gut, weil man mal kapiert, wie ein normaler weiblicher Körper so funktioniert. Natürliche Familienplanung ist wahrscheinlich schon eher was für Leute in festen Beziehungen, weil man da einiges beachten muss. Und wenn ich jetzt schwanger werden würde, wäre es auch kein Drama. Aber sonst verhütet man halt zusätzlich noch mit Kondom."
Jasmin
3. Trackle – das Temperatur-Ufo
Katrin Reuter hat Trackle erfunden. Es wurde gecrowdfunded und soll demnächst auf den Markt kommen. Trackle ist ein tampongroßer Minicomputer aus medizinischem Silikon, der nachts in der Vagina die Temperatur misst.
"Wir bauen mit Trackle auf die symptothermale Methode auf, also auf die natürliche Familienplanung, bei der man natürliche körperliche Symptome beobachtet, um die fruchtbaren Tage zu erkennen. Unter der Voraussetzung, dass man keine Nutzerfehler macht, hat die NFP einen sehr guten Pearl-Index. Wir können die Fehler bei der Temperaturmessung mit Trackle aber vermeiden. Denn der Vaginalsensor misst automatisch die ganze Nacht die niedrigste Temperatur im Körper und überträgt die Ergebnisse automatisch auf die App. So kann man sehen, wann man schwanger werden kann und wann nicht. Morgens nimmt man den Sensor dann wieder raus, macht ihn unter klarem Wasser kurz sauber und führt ihn sich abends wieder ein. Der Tragekomfort ist auch sehr hoch, da man ja Tampons meist gewöhnt ist und Trackle eine sehr weiche Silikonoberfläche hat."
Katrin
Ob Trackle nun den Durchbruch zur perfekten Verhütung schafft, wird man sehen. Es bleibe aber vorerst Frauensache – auch weil die Forschung hinsichtlich der Verhütung bei Männern noch nicht erschlossen sei, sagt der Münchner Frauenarzt Massimo Lombardo. Es gäbe Nachfrage, aber zu wenig. Laut dem Frauenarzt ruhen sich Männer eher mal darauf aus, dass die Frau die Verhütung übernimmt. Lombardo ist auf Verhütungsberatung spezialisiert und bemängelt, dass einige Frauenärzte aus Kostengründen nicht individuell beraten. Die Pille verschreiben geht schließlich schnell. Ausführlich über das Für und Wider verschiedener Methoden zu informieren kostet Zeit.
Wer also sicher verhüten will, ohne direkt zu Hormonpräparaten zu greifen, sollte sich vorher ein bisschen im Internet über denkbare Alternativen schlau machen und dann gezielt beim Frauenarzt nachfragen. Wer sich nicht gut beraten fühlt, kann zu einem Frauenarzt wechseln, der ganzheitlich berät oder sich bei Profamilia über alternative Verhütungsmethoden informieren.
Mehr zum Thema Verhütung erfahrt ihr im neuen PULS Sexpodcast "Im Namen der Hose" mit Ariane Alter und Linda Becker.
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