Voluntourismus Sechs Tipps, damit ihr beim Freiwilligendienst im Urlaub wirklich Gutes tut
Immer mehr Leute verbringen ihren Sommerurlaub nicht am Strand, sondern im Waisenheim oder bei anderen Hilfsprojekten. Aber Voluntourismus kann mehr kaputt machen, als er nützt. Wir sagen euch, worauf ihr achten solltet.
Voluntourismus boomt: Jedes Jahr arbeiten etwa 25.000 Menschen aus Deutschland in ihrem Urlaub für wenige Wochen ehrenamtlich in Kinderheimen, Tierschutzprojekten oder Schulen im Ausland. Inzwischen verkaufen zig Reiseanbieter vor allem jungen Menschen Urlaubsabenteuer inklusive dem Gefühl, etwas Gutes zu tun. Das Problem ist nur: Mit nachhaltigem Reisen hat Voluntourismus oft so wenig zu tun, wie Veganismus mit gesunder Ernährung. Eine neue Studie von Brot für die Welt zeigt: Bei vielen Anbietern stehen nicht die Bedürfnisse und Interessen der Menschen in den Entwicklungsländern an erster Stelle, sondern die der zahlenden Kundschaft. Wir haben deswegen sechs Tipps gesammelt, worauf man beim Freiwilligendienst im Urlaub achten sollte:
1. Finger weg von Projekten in Kinder- und Waisenheimen!
Hilfsprojekte mit Kindern gehören zu den beliebtesten Einsatzbereichen für Freiwilligenarbeit. Aber vor allem die Arbeit in Kinder- und Waisenheimen ist oft sehr problematisch. In einigen Ländern, wie etwa Kambodscha, gibt es privat geführte Waisenhäuser nämlich oft nur deshalb, weil sich mit den Kindern gutes Geld verdienen lässt. Bei vielen der Kleinen handelt es sich gar nicht um Waisen, sondern um Kinder aus armen Familien. Die Eltern geben ihre Sprösslinge in die Obhut der vermeintlichen Waisenhäuser, weil sie dort besser versorgt werden und sie zum Teil auch Geld dafür bekommen. Die Betreiber der Heime nutzen die Notlage der Familien also schamlos aus, um Profit aus den Kindern zu schlagen, die dann ohne ihre Eltern aufwachsen.
2. Nimm dir Zeit!
Kurz mitarbeiten, dann schnell wieder weg: Voluntourismus ist unter anderem deshalb so beliebt, weil man sich dafür nicht extra ein Jahr Auszeit von Studium oder Job nehmen muss, sondern seine gute Tat bequem nebenbei im zweiwöchigen Sommerurlaub vollbringen kann. Das ist zwar schön fürs Fotoalbum oder den Instafeed, aber schlecht für die Kinder. Der häufige Wechsel von Bezugspersonen stellt eine krasse Belastung dar: sie müssen sich dauernd auf neue Personen einstellen. Kaum haben sie eine Bindung zu einem Voluntouristen aufgebaut, sitzt der schon wieder im Flieger zurück nach Deutschland. Deswegen gilt vor allem bei Einsätzen in Kinderhilfsprojekten: so viel Zeit wie möglich einplanen, mindestens zwei Monate sollten drin sein.
3. Kritische Fragen stellen
Wer sich nach einem passenden Voluntourismus-Projekt umguckt, stellt schnell fest: Damn, es gibt ungefähr eine Trillarde Angebote da draußen. Aber wie erkennt man, ob ein Projekt sowohl für die Menschen vor Ort wie auch für mich cool und vor allem sinnvoll ist? Leider gibt es keine unabhängige Überprüfung, kein Zertifikat oder Qualitätssiegel. Da hilft nur: Den Reiseveranstalter mit kritischen Fragen löchern. Zum Beispiel: Wie läuft die Vorbereitung? Wie lange arbeitet der Veranstalter bereits mit der lokalen Organisation zusammen? Wie viel von dem Reisepreis landet bei der Organsiation? Gibt es eine Kinderschutz-Strategie?
Auch der Preis sagt nichts über die Qualität des Angebots aus. Eine Studie von 2014 hat sogar ergeben: je teurer das Angebot, desto verantwortungsloser wurde es am Ende.
4. Auswahlkriterien beachten
Einen großen Bogen sollte man um Voluntourismus-Anbieter machen, die behaupten, jeden Bewerber an ein Projekt vermitteln zu können. Seriöse Reiseveranstalter erkennt man daran, dass sie von Interessenten ein Motivationschreiben und Angaben über Erfahrungen z.B. im Umgang mit Kindern verlangen und am besten auch noch Grundkenntnisse der Landessprache.
5.Vorbereitungskurse besuchen
Fremdes Land, andere Kultur und völlig neue Aufgaben: Ohne gute Vorbereitung der freiwilligen Helfer geht da nix - sollte man meinen. Viele Anbieter scheren sich wenig um Vorbereitungskurse und bieten diese nur als Zusatzangebote an – natürlich auch für ein paar extra Scheinchen. Deswegen am besten bei der Auswahl des Reiseveranstalters darauf achten, dass dieser kostenlose Vorbereitungskurse anbietet.
6. Alternativen zum Voluntourismus
Grundsätzlich sollte man sich vorab fragen: Warum hab ich eigentlich Bock, in meinem Urlaub Freiwilligenarbeit zu leisten? Ist das Hauptziel, Armut vor Ort zu bekämpfen, kann man auch einen Fair Trade-Trip planen, bei dem besonders viel vom Reisepreis bei den Einheimischen bleibt. Für Menschen mit mehr Zeit sind staatlich geförderte Freiwilligendienste wie "Weltwärts" oder das freiwillige soziale Jahr im Ausland eine gute Adresse. Damit ist man zwar mindestens sechs Monate in der weiten Welt unterwegs, aber auch auf der sicheren Seite, dass das Abenteuer Volunteering nicht auf Kosten der Ärmsten geht.
Sendung: Filter, 22.03.2018 - ab 15.00 Uhr